„Mister X“ macht mobil

Pressemitteilung der Universität Bonn vom 08.10.2009

Bonner Informatiker schaffen mit ihrem innovativen Internetspiel den Sprung vom Hörsaal in die eigene Firma

„Mister X mobile“ heißt ein neues, internetgestützes Trendspiel, das das beliebte Ravensburger Brettspiel „Scotland Yard“ mit den neuen Möglichkeiten des mobilen Internets verbindet. Dabei werden Figuren nicht mehr auf einem Spielbrett verschoben, sondern die Spieler begeben sich mit dem iPhone oder Google-Handy in der realen Welt auf die Suche nach „Mister X“. Den ersten Prototyp des Spiels haben Studenten der Universität Bonn während eines Programmier-Praktikums entwickelt. Inzwischen haben die Mitarbeiter der Informatik Bonn im Rahmen eines Forschungsprojektes daraus ein vollwertiges mobiles Multiplayer-Spiel gemacht. Mit dem dafür eigens gegründeten Unternehmen Qeevee wollen sie „Mister X mobile“ und kommende Innovationen über die Universität hinaus bekannt machen.

Die Idee ist einfach, aber überzeugend: „Wie im bekannten Brettspiel Scotland Yard des Ravensburger Spieleverlags haben mehrere Detektive die Mission einen Ganoven – Mister X – zu stellen. Die Jagd führt dabei durch verwinkelte Straßen und Gassen“, erklärt Tobias Rho, Forscher am Institut für Informatik III der Uni Bonn und Experte für die Entwicklung adaptiver Anwendungen. Im Gegensatz zur klassischen Variante bewegen sich die Mitspieler hier frei in ihrer Stadt, ausgestattet mit iPhone oder Handy. Auf diese Weise wird die urbane Umgebung zum Spielbrett und die realen Bewegungen der Mitspieler ersetzen die Züge der Spielfiguren.

Beim neuen Genre der mobilen ortsbasierten Spiele kommt der Informatik der Universität Bonn eine Schlüsselrolle zu. Vor zwei Jahren gab es dort die ersten Gehversuche des Projekts „Adaptive Mobile Gaming“, welches sich der Erforschung und Entwicklung von dynamisch anpassbaren mobilen Spielen widmet. Im Rahmen des damaligen Programmierpraktikums entstand der erste Prototyp von „Mister X mobile“, damals noch „Scotland Yard To Go“ genannt.

Aus dem Prototyp ist ein ernstzunehmendes Spiel geworden

„Am Anfang dauerte es manchmal über eine halbe Stunde, bis die Position der Mitspieler über GPS bestimmt war, und nach 45 Minuten Spielzeit waren die Akkus leer,“ erinnert sich Pascal Bihler, Forscher und Mitinitiator des Projektes. „Und trotzdem waren alle begeistert!“ Seit dem hat sich viel getan. Tobias Rho, verantwortlich für die Google-Android-Version des Spiels: „Aus dem Forschungsprototyp ist mittlerweile ein ernstzunehmendes Spiel geworden, das bei Testspielen, auf Tagungen und vielfältigen Veranstaltungen bei den Teilnehmern auf hervorragende Resonanz stößt.“

„Vor einer Woche haben wir Mister X mobile in Peking auf einer internationalen Konferenz vorgestellt und konnten zeigen, dass selbst über die immens große Entfernung zu unserem Server in Deutschland das Spiel flüssig läuft. Das überzeugte“, berichtet Mark Schmatz, ebenfalls Forscher am Bonner Institut.

„Wir sind froh, mit den Deutsche Telekom Laboratories einen starken und engagierten Partner bei der Erforschung adaptiver mobiler Spiele gefunden zu haben,“ sagt Professor Dr. Armin B. Cremers, Leiter des Instituts für Informatik III. „Mister X mobile zeigt deutlich, wie aus einer exzellenten Verzahnung von Forschung und Lehre ein deutschlandweit bekanntes Projekt werden kann, und welches Potential die Informatik an der Uni Bonn hat. Das ist ein Grund zur Freude.“ Auch der Ravensburger Spieleverlag freut sich über die Aufmerksamkeit, die damit seinem Krimi-Spiel und der aktuellen Neuauflage zugute kommt.

Jetzt haben die Bonner Forscher zur professionellen Betreuung des Projektes eine eigene Gesellschaft gegründet. „Die Idee, erfolgreiche Forschungsprojekte im Rahmen eines Spin-Offs weiter zu führen, ermöglicht es, Forschungsergebnisse als innovative Produkte einer großen Zahl von Nutzern zugänglich zu machen“, sagt Holger Mügge. Er ist Teilzeit-Mitarbeiter der Universität und zusammen mit Mark Schmatz Geschäftsführer der Qeevee UG (haftungsbeschränkt). Die neue Firma will nun mit der Universität Bonn weitere ortsbasierte Spiele verwirklichen. Und auch hier sollen die Studierenden wieder von Anfang an aktiv mit dabei sein. (Andreas Archut)

Externer Link: www.uni-bonn.de

Forscher der TU München testen neues Warnsystem an Kreuzungen

Pressemitteilung der TU München vom 01.10.2009

Für mehr Verkehrssicherheit

Der Verkehr auf Straßenkreuzungen in Innenstädten soll künftig sicherer werden. Mit Sensoren und Sendern verbundene Rechner, die das Verkehrsgeschehen erfassen, können Autofahrer vor drohenden Kollisionen warnen. Wissenschaftler um Professor Fritz Busch am Lehrstuhl für Verkehrstechnik der TU München (TUM) haben jetzt erfolgreich ein solches neu entwickeltes System getestet. Es beobachtet – zum Beispiel oben am Ampelmast befestigt – die Bewegungen von Autos, Radfahrern und Fußgängern und berechnet diese permanent voraus. So erkennt es frühzeitig kritische Situationen und kann an Autos, die mit entsprechenden Empfängern ausgestattet sind, Warnsignale senden.

Die von den TUM-Wissenschaftlern gemeinsam mit der Entwicklungsfirma für Verkehrs- und Datentechnik MAT.TRAFFIC kreierte Software ist ein Beitrag zum europäischen Forschungsprojekt „SAFESPOT“. Dessen Ziel ist die Entwicklung eines Netzes von Sicherheitssystemen in Autos und an Straßen, in dem permanent Daten ausgetauscht werden, die für die Verkehrssicherheit relevant sind. So können sich Autos in Prototypentests längst gegenseitig und ohne Zutun der Fahrer vor rutschigen Straßen, Hindernissen oder Staus warnen, intelligente Straßenschilder und Ampeln wie jene des TU-Lehrstuhls für Verkehrstechnik warnen vor Regelüberschreitungen und Kollisionen.

Dazu erzeugt der an der TU München entwickelte Prototyp IRIS (Intelligent Cooperative Intersection Safety) aus eingehenden Laserscanner-Daten und Funksignalen bereits aufgerüsteter Autos einen virtuellen Überblick über Kreuzung und Verkehrsteilnehmer aus der Vogelperspektive. Obendrein integriert er in diese Menge von Daten, die er miteinander in Beziehung setzt, die aktuellen und bevorstehenden Schaltzustände der Ampelanlage.

Mehr als 50 Partner aus Industrie und Forschung arbeiten am Projekt „SAFESPOT“ mit. In mehreren Teilprojekten werden unter anderem die wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen zur Einführung der neuen Kommunikationstechnologien erforscht. Im vergangenen Jahr gab die EU bereits einen Frequenzbereich für die künftige Funk-Kommunikation zwischen Autos und Infrastruktur frei. Er liegt zwischen 5,875 und 5,905 Gigahertz.

Den Prototypen IRIS haben die TUM-Wissenschaftler gemeinsam mit sieben weiteren Kooperationspartnern in den vergangenen Wochen an einer Straßenkreuzung in der Dortmunder Innenstadt getestet. Aufgabe der Partner war unter anderem die Ausstattung von Autos mit entsprechender intelligenter Technik oder die Installation der Sensoren. „Alles hat geklappt. Bei roter Ampel wurden die Fahrer vor dem Überfahren der Haltelinie gewarnt, beim Abbiegen vor herannahenden Radlern und auch vor anderen Autos, deren Tempo und Kurs eine kritische Situation erwarten ließen“, sagt Tobias Schendzielorz, mit dem Projekt betrauter Wissenschaftler am TUM-Lehrstuhl.

Solche Warn- und weitere Kommunikations-Aufgaben sollen die intelligenten Sicherheitssysteme nach dem Wunsch europäischer Verkehrsexperten eines Tages auf allen Straßen übernehmen – vor allem jedoch an Kreuzungen in Innenstädten. Diese sind die wichtigsten Gefahrenpunkte. Etwa ein Drittel aller Unfälle mit Personenschäden ereignet sich hier.

Ein weiterer möglicher Nutzen der Systeme besteht darin, dass sie künftig einen Beitrag für effizienteren Verkehr leisten könnten. So bieten die gewonnenen Detailinformationen über das Verkehrsgeschehen die Möglichkeit, die Datengrundlage für bestehende Steuerungssysteme von Ampelanlagen zu erhöhen und zum Beispiel Rot- und Grünphasen an das Verkehrsaufkommen besser anzupassen. Die Anzahl der Stopps und Wartezeiten mit laufendem Motor ließen sich dadurch reduzieren. „Das ist nicht nur effizient, sondern auch ökologisch sinnvoll“, so Tobias Schendzielorz.

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Doppelt simuliert hält besser

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom September 2009

Crashtests bringen oft überraschende Ergebnisse. Mit einem Simulationsverfahren, das die Deformationen während der Fertigung und Vorschädigungen berücksichtigt, lassen sich die Ergebnisse eines Crashtests genauer als bisher vorhersagen.

Es gibt Bauteile, die Leben retten: Überschlägt sich ein Auto bei einem Unfall, spielt die »B-Säule« eine tragende Rolle. Sie ist eine der Verbindungen zwischen Fahrzeugboden und Fahrzeugdach, die verhindern soll, dass sich die Fahrgastzelle zu stark verformt. Die Werkstoffe, aus denen die B-Säule gefertigt ist, müssen daher sehr hohen Ansprüchen genügen: Um Sprit zu sparen, sollen sie besonders leicht sein, gleichzeitig benötigen sie eine enorme Festigkeit und dürfen nicht brechen. Doch wie sieht das optimale Bauteil aus? Mit Hilfe von unzähligen Versuchen, Simulationen und Crashtests hat sich die Automobilindustrie immer mehr an die Antwort auf diese Frage herangetastet. Nun geben Fraunhofer-Forscher der Entwicklung einen weiteren Impuls.

Für gewöhnlich führen Ingenieure eine Reihe von virtuellen Tests durch. Dabei dienen bekannte Werkstoffeigenschaften als Wissensgrundlage. »Die physikalischen und mechanischen Charakteristika der Materialien in ihrem Ausgangszustand kennen wir sehr gut«, sagt Dr. Dong-Zhi Sun, Leistungsbereichsleiter am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM. Doch im Laufe der Fertigungsprozedur verändern sich die Teile: Bei einer B-Säule etwa durchläuft der Werkstoff eine komplizierte Fertigungskette. Dabei verformt und dehnt er sich, kleine Schädigungen wie Porenbildung können entstehen. »Sollen solche Teile in Fahrzeugen verbaut werden, muss man ihre Deformationsgeschichte bei der Herstellung berücksichtigen«, erklärt Sun. Deshalb haben die Forscher eine besondere Methode entwickelt: »Mit unserem Versagensmodell können wir Fertigungsprozesse besser simulieren«, sagt Sun. »Um die Herstellungsverfahren genau zu kennen, arbeiten wir mit Automobilbauern und Werkstoffproduzenten eng zusammen.« Dank der Simulation können die Forscher die Deformation des Bauteils während der Fertigung genau berechnen und analysieren. Somit wissen sie, welchen Einfluss der Prozess auf die Eigenschaften des Endproduktes hat, und ob durch das Herstellungsverfahren mögliche Vorschädigungen wie Porenbildung und Mikrorisse entstehen. Das Ergebnis der Prozesssimulation koppeln die Ingenieure mit einer Crash-Simulation, die mit einem neu entwickelten Werkstoffmodell durchgeführt wird.

Mit der neuen Methode lassen sich Bauteile mit optimalen Eigenschaften und einem verbesserten Crashverhalten entwickeln. »Wir können im Gegensatz zu herkömmlichen Crashsimulationen wesentlich präziser voraussagen, wie stark sich das Bauteil beim Crash verformen lässt, bevor es versagt«, sagt Sun.

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Traummaße mit der virtuellen Prüflehre

Pressemitteilung der TU München vom 10.08.2009

Schnelle Qualitätssicherung mit dem Projektor

Qualitätskontrollen verursachen täglich große Kosten in Produktion und Entwicklung und verzögern die Konzeption von Prototypen erheblich. Wem es gelingt, Fertigungsfehler schneller zu erkennen, der gewinnt einen deutlichen Vorsprung. Ein Forscherteam der Technischen Universität München (TUM) untersuchte hierzu eine fabelhaft einfach klingende Idee: Sie erstellen digital das Bild eines perfekten Bauteils, projizieren es auf das Prüfobjekt und vergleichen Projektion und Realität. Doch was so simpel scheint, birgt so manche Tücke.

Maschinen, Möbel, oder Kinderspielzeug, die meisten Produkte unseres Alltags bestehen aus einer großen Zahl von Einzelteilen. Und wenn nur eines der Puzzleteile nicht exakt passt, funktioniert gar nichts mehr. In der Entwicklung muss das Zusammenspiel der Teile aufwändig geprüft werden, in der Produktion geraten im schlimmsten Fall die Fließbänder ins Stocken. Um Produktionsausfälle zu vermeiden, investieren Firmen viel Geld in die Qualitätssicherung und das mühsame Aussortieren mangelhafter Stücke bei Wareneingang und Produktion.

Umfassende Kontrollen erfordern entweder den Einsatz teurer Geräte oder zeitaufwendige Messungen von Hand. Im Zuge der manuellen Prüfung muss ein Mitarbeiter für jedes einzelne Bohrloch allein zweimal Maß nehmen, um Durchmesser und Abstand vom Rand zu bestimmen. Für Serienprodukte werden derzeit Matrizen, eine Art Negativ der jeweiligen Gegenstände, angelegt und die Einzelteile damit verglichen. Entwickler von Prototypen neuartiger Geräte arbeiten allerdings mit ganz individuellen Einzelteilen, für die sich eigene Matrizen nicht lohnen. Ein Forscherteam des Instituts für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) der TU München bietet hier einen genialen Lösungsansatz: Ohne Lineal, Winkelmesser oder Matrize gleichen sie beliebige Gegenstände mit ihren Idealmaßen ab – und zwar im Handumdrehen.

Dafür verwendete das Team um Professor Dr.-Ing. Gunther Reinhart einen handelsüblichen Projektor und einen Rechner mit einer speziellen Software. Aus den vorhandenen Konstruktionszeichnungen erstellten die Wissenschaftler am Computer eine dreidimensionale Grafik des zu überprüfenden Bauteils, beispielsweise eines Befestigungsblechs. Diese projizieren sie auf das echte Bauteil. Dabei kommt jedes virtuelle Bohrloch auf dem entsprechenden realen Loch zum Liegen. Abweichungen zwischen Projektion und Objekt erkennt der Prüfer auf den ersten Blick Millimeter genau.

Doch ganz so einfach ist es nicht; einige praktische Hürden stellten sich den Wissenschaftlern in den Weg: Zur Erstellung der dreidimensionalen Grafik dienen den Forschern so genannte CAD-Daten (Computer Aided Design): „CAD-Daten sind die digitale, räumliche Beschreibung von Objekten. Sie spielen zum Beispiel auch für die Herstellung von Animationen in Kinofilmen eine wichtige Rolle,“ sagt Stefan Krug, Mitglied des Forscherteams am iwb. Die Projektion funktioniert aber nur auf einer ebenen Fläche, wie einer Kinoleinwand oder einem Computerbildschirm. Wird das erzeugte Abbild direkt auf ein dreidimensionales Objekt projiziert, entsteht dabei ein deutlich verzerrtes und damit unbrauchbares Bild. Mit der Entwicklung einer neuen Software räumten die Wissenschaftler dieses Hindernis aus dem Weg. Nach einmaliger Kalibrierung der Versuchsapparatur gleicht das Korrekturprogramm die Verzerrung der Projektion rechnerisch aus.

Die nächste Tücke stellen die unzähligen Möglichkeiten dar, wie ein Bauteil auf dem Tisch liegen könnte. Damit die Projektion aber am Ende mit dem Objekt übereinstimmt, müssen beide exakt gleich ausgerichtet sein. Dieses nicht triviale Problem lösten die Wissenschaftler durch Anwendung eines kommerziellen Softwarepakets. „Das Programm berechnet aus den Massedaten des Bauteils, wie Gewicht, Form und Schwerpunkt, wie dieses auf einem Tisch zu Liegen kommt, wenn die Schwerkraft ganz normal auf sie wirkt – niemals würde es beispielsweise auf einer Ecke stehen bleiben,“ erläutert Frédéric-Felix Lacour, der diese Anpassungen entwickelt hat. Dieses Verhalten wird auf das virtuelle Abbild übertragen, so dass dieses ebenfalls „flach liegt“, also gemäß der Schwerkraft ausgerichtet ist. Nun muss der Prüfer das reale Bauteil nur noch in der Ebene nach links oder rechts drehen, bis Projektion und Realität übereinstimmen.

Die Anwendung der TUM-Wissenschaftler ermöglicht teilautomatisierte und genaue Prüfungen innerhalb weniger Sekunden. In der Entwicklung neuer Geräte und der Qualitätskontrolle großer Lieferungen könnte diese Methode eine enorme Zeitersparnis bedeuten. Darüber hinaus könnte das Verfahren überall dort zum Einsatz kommen, wo virtuelle Daten mit der Realität verglichen werden.

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Designtool für Werkstoffe mit Erinnerung

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom Juli 2009

Memorymetalle können sich einen Zustand »merken«. Verformt man sie, genügt beispielsweise eine Temperaturänderung, um sie wieder in ihre Ursprungsform zurückzubringen. Eine Simulation berechnet die Eigenschaften dieser Werkstoffe.

Es mutet an wie ein Zaubertrick: Ein Mann nimmt eine Büroklammer und verbiegt sie so, dass sie nur noch einem krummen Draht ähnelt. Dann wirft er sie in eine Schale mit heißem Wasser. Im Bruchteil einer Sekunde nimmt der Metalldraht wieder die Form einer Büroklammer an. Dieses Phänomen nennt sich Formgedächtniseffekt. Man kann ihn in bestimmten metallischen Legierungen beobachten. Diese Formgedächtnislegierungen sind für viele Anwendungen ideal. Beispielsweise in der Weltraumtechnik: Sonnensegel können sich dank Formgedächtnismetallen im Weltall entfalten. Auch in der Medizin setzt man auf ihre Eigenschaften, etwa in der Kardiologie: Stents sind kleine röhrchenförmige Gittergerüste aus Metall. Sie werden zusammengefaltet in Blutgefäße eingeführt, dehnen sich hier aus und verhindern, dass die Gefäße verstopfen.

Der Weg zum ausgereiften Produkt ist jedoch lang. Die Eigenschaften dieser Formgedächtnis-Werkstoffe sind komplex und daher nur schwer vorherzusagen. Ingenieure müssen viele Prototypen herstellen, bevor sie ein Bauteil mit den gewünschten Eigenschaften zum Einsatz bringen. Forscher am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM haben einen schnelleren Weg gefunden: »Wir haben eine numerische Simulation entwickelt, die viele Fragen bereits im Vorfeld beantwortet – lange bevor ein Prototyp existiert«, erklärt Dr. Dirk Helm, Projektleiter am IWM.

Mit dieser Simulation haben die Wissenschaftler unter anderem einen winzigen Greifer für die Endoskopie entwickelt. Normalerweise kann solch ein Mikrogreifer nur mit Hilfe von Gelenken realisiert werden. Wie kann man ein Bauteil herstellen, das solche kleinen Abmessungen hat, elastisch und gut sterilisierbar ist und ohne Gelenke auskommt? Die Antwort liefert der Computer: Über numerische Simulationsmodelle konnten die Forscher die wichtigsten Eigenschaften des Bauteils, wie dessen Festigkeit oder Schließkraft, vorausberechnen und das elastische Bauteil effizient entwickeln und herstellen. »Normalerweise hätte man dafür viele Versuche mit unterschiedlichen Prototypen durchführen müssen«, erklärt Dr. Helm. »Dank der Simulation können wir auf die meisten dieser Prototypen verzichten. Das spart Kosten, denn die Rohstoffe für Formgedächtnislegierungen sind sehr teuer und lassen sich teilweise nur schwer verarbeiten.« Mit der Simulation können die Forscher zudem abschätzen, wie langlebig diese modernen Werkstoffe sind.

Externer Link: www.fraunhofer.de