Sisyphos‘ Erbin – Sahara-Spinne rollt auch bergauf

Medieninformation der TU Berlin vom 26.10.2009

Bionik-Professor der TU Berlin macht außergewöhnliche Beobachtung in der Wüste

Wenn Professor Dr. Ingo Rechenberg von seiner alljährlichen Sahara-Tour zurückkehrt, dann hat er meist Interessantes zu berichten. In diesem Sommer hat er einen achtbeinigen „Sisyphos“ beobachtet: Eine ihm bereits bekannte Rad-Spinne trotzte souverän der Schwerkraft. „Wie der Held in der griechischen Mythologie einen Felsbrocken, so bewegte sie ihren massiven Körper rollend den Dünenberg aufwärts. Als die Steigung zu groß wurde, kippte sie nach hinten über und trudelte wieder bergab – um dann, wie Sisyphos, wieder von vorn zu beginnen“, berichtet der Bioniker an der Technischen Universität Berlin.

„Ich war 60 Tage vor Ort und habe in jeder Nacht meine Rad-Spinnen beobachtet. Man findet sie nachts auf ebenen Dünenfeldern. Ich habe 15 bis 20 von ihnen nach und nach gefangen, um sie im ersten Morgenlicht studieren zu können“, sagt Rechenberg. So hat er gemessen, dass sich die Gliederfüßer mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde auf ihren acht Beinen laufend fortbewegen. „Sobald sie jedoch anfangen zu rollen, sind sie doppelt so schnell“, berichtet er. Die Geschwindigkeitssteigerung ergibt sich dadurch, dass nach jeder Körperumdrehung eine 15 bis 20 Zentimeter lange Flugstrecke folgt. Die Rolltechnik setzen die Spinnen immer dann ein, wenn sie vor einer Gefahr flüchten.

„Selbstverständlich habe ich die Spinnen wieder frei gelassen, wenn sie ihre Schuldigkeit getan hatten“, sagt er. Die sensationelle Entdeckung machte Rechenberg zufällig: „Ich baute gerade meine Kamera an einem Hang auf, als die Spinne mir entwischte, indem sie den Hang hinaufrollte!“ Der Wissenschaftler war außer sich: „Ich rief sofort meinem Mitarbeiter Abdulah Regabi El Khyari zu, ob er das auch gesehen hätte“, berichtet Rechenberg. Der hatte. Grund genug zu untersuchen, ob der Zufall vielleicht eine Regel sein könnte. Andere Spinnen derselben Art zeigten das gleiche Verhalten. Bis zu 40 Prozent Steigung können die Spinnen bewältigen – je steiler die Düne, desto langsamer wird allerdings die Vorwärtsbewegung. „Man merkt ihnen dann die Anstrengung an“, sagt der Wissenschaftler.

Bereits im vergangenen Jahr entdeckte Ingo Rechenberg die für ihn noch unbekannte Art. Der Spinnenexperte Dr. Peter Jäger vom Senckenberg-Institut konnte nun aufklären: Es handelt sich um eine Cebrennus villosus, die bereits aus Algerien und Tunesien bekannt ist. Dass sich diese Art allerdings rollend fortbewegt, wurde bislang noch von keinem Biologen beschrieben. Sogenannte Rad-Spinnen sind nur in der südafrikanischen Namib-Wüste bekannt. Aber diese können nur passiv die Düne hinunterkullern. Das ungewöhnliche Verhalten der fast handtellergroßen Sahara-Rad-Spinne faszinierte den Forscher. Deshalb machte er sich auch in diesem Jahr wieder zu zwei bis drei Kilometer weiten Nachtwanderungen in der Wüste Erg Chebbi am Rande der Sahara in Marokko auf.

Mit Erfolg: Seine Filmaufnahmen der Achtbeiner werfen neue Fragen auf. Rechenberg ist ein Sahara-Kenner. Seit 25 Jahren fährt der Ingenieur in die Wüste, weil den Bionik-Experten extreme Lebensbedingungen interessieren. In ungewöhnlicher Umgebung findet der Forscher Lebewesen, die sich an eine extreme Umwelt auf besondere Art und Weise anpassen. Und diese Art der Anpassung lässt häufig kühne Ideen für innovative Produkte oder Anwendungen entstehen. So untersuchte Rechenberg in der Sahara Sandfische und Sandschleichen. Beides sind Echsen, deren Oberflächen so glatt sind, dass sie sich in den Dünen wie Fische im Wasser bewegen können. Wie man den außergewöhnlich geringen Reibungswiderstand der Schuppenhäute auf industrielle Anwendungen übertragen kann, hat den Forscher bereits ausgiebig beschäftigt.

Seit der Entdeckung „seiner“ Spinne, die er „Araneus rota“ nennt, treibt ihn die wissenschaftliche Neugierde in eine neue Richtung. „Im vergangenen Jahr hatte ich die Theorie, dass ausschließlich die vordersten Gliedmaßen für die Rollbewegung verantwortlich sind. Da hatte ich mich gründlich geirrt; die Beinbewegung ist viel, viel raffinierter“, weiß der Professor nach seinen neuesten Beobachtungen. Anhand der mitgebrachten Filmaufnahmen will er nun das Bewegungsmuster der Spinne genau studieren. Und wer weiß, vielleicht gibt es irgendwann ein Transportvehikel, das – wie „Araneus rota“ – sowohl laufen als auch rollen kann. (apu)

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Quantenlimitierte Messmethode für Nanosensoren

Presseinformation der Max-Planck-Gesellschaft vom 14.10.2009

Wissenschaftler wenden optische Methoden auf nanomechanische Objekte an

Neue Fertigungstechniken ermöglichen es, mechanische Bauelemente auf Siliziumchips herzustellen, die nur noch Nanometer (ein Millionstel mm) groß sind. Ihre Anwendung ist allerdings noch dadurch eingeschränkt, dass keine ausreichend genauen Messverfahren für diese winzigen Bauteile zur Verfügung stehen. Einen grundsätzlich neuen Ansatz hat jetzt ein Team um Tobias Kippenberg vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in Garching und Jörg Kotthaus von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) erfolgreich getestet. (Nature Physics, 11. Oktober 2009, online vorab veröffentlicht)

Eine Schlüsselrolle darin spielen auf Siliziumchips gewachsene Glaszylinder mit einem Durchmesser von ca. 50 Mikrometern, die in ihrem Innern Licht für geraume Zeit speichern können. Wie die Wissenschaftler zeigten, können Nanooszillatoren mit dem aus dem Toroid dringenden optischen Nahfeld sowohl ausgelesen als auch zu Schwingungen angeregt werden. Die Genauigkeit dieser Messungen ist nur durch die Quantenfluktuationen des Lichts limitiert. Bereits bei Raumtemperatur werden deshalb Empfindlichkeiten erreicht, die in der Größenodnung des quantenmechanischen Grundzustandsrauschens der Oszillatoren sind, d.h. dem Standard- Quantenlimit entsprechen. Die neue Messmethode ist somit für die Grundlagenforschung von großem Interesse. Aber auch Anwendungen wie der Nachweis einzelner Atome bzw. Ladungen oder auch die Massenspektrometrie können von den Messungen profitieren.

Nanomechanische Oszillatoren sind ideale Kandidaten, um die Quantengrenzen mechanischer Schwingungen experimentell zu testen. Darüber hinaus sind sie die Grundlage für eine Reihe von Präzisionsmessungen und ein fester Bestandteil in Magnetkraft- und Rasterkraftmikroskopen. In den vergangenen 10 Jahren wurde der Entwicklung empfindlicher Auslesetechniken für immer kleinere und dadurch sensitivere Oszillatoren eine hohe Aufmerksamkeit geschenkt. Optische Methoden erreichten hierbei die besten Werte, waren aber auf Objekte größer als die Wellenlänge beschränkt. Für nanoskalige Objekte anwendbare, elektronische Methoden erreichten bisher nur eingeschränkte Präzision.

Die MPQ und LMU-Physiker haben jetzt mit Hilfe optischer Methoden erstmals quantenlimitierte Messungen an nanoskaligen Oszillatoren erreicht. Dies war bisher nicht möglich, da es bei Objekten, die kleiner als die Wellenlänge des Lichtes sind, zu Beugungsverlusten kommt. Im vorliegenden Experiment wird dieses Problem dadurch umgangen, dass im optischen Nahfeld gearbeitet wird. Schlüsselbaustein ist ein zylindrischer Resonator aus Glas mit einem Durchmesser von ca. 50 Mikrometern. Dieses Mikrotoroid kann Licht speichern, wenn dessen Wellenlänge hineinpasst, d.h. in einem ganzzahligen Verhältnis zum optischen Umfang des Resonators steht. Ein kleiner Teil des gespeicherten Lichts, das sogenannte Nahfeld, „leckt“ aus dem Resonator heraus und dient als Messsonde für die Nanooszillatoren – eine Anordnung parallel gespannter Siliziumnitrid-Saiten, die typischerweise 100 Nanometer mal 500 Nanometer dick und 15 bis 40 Mikrometer lang sind. (Nanosaiten und Mikrotoroide wurden in den Reinräumen von Jörg Kotthaus an der LMU und an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne hergestellt.)

Bringt man die Nanoszillatoren in das Nahfeld, das sich einige Hundert Nanometer weit von der Oberfläche der Toroide erstreckt, so können sie mit dem Mikrotoroid wechselwirken. Die Nanooszillatoren wirken dabei auf das optische Nahfeld wie ein Dielektrikum, d.h. sie verändern lokal den Brechungsindex. Dies führt wiederum zu einer Verschiebung des optischen Umfangs und damit der Resonanzfrequenzen des Mikrotoroids. Die Verschiebung der optischen Resonanzen durch die Nanooszillatoren ist hierbei so groß, dass allein deren Brownsche Bewegung einen starken, deutlich messbaren Einfluss hat und die Bewegung der Saiten mit hoher Empfindlichkeit gemessen werden kann. Die dabei erreichte Empfindlichkeit für Abstandsänderungen ist von der gleichen Größenordnung wie die quantenmechanisch bedingten Fluktuationen, die man für nanomechanische Oszillatoren beim absoluten Temperaturnullpunkt erwartet und die dem sogenannten Standard-Quantenlimit für Abstandsmessungen entsprechen.

Die hohe Empfindlichkeit für die Bewegung nanoskaliger Objekte sei allerdings nur ein Aspekt des neuen Verfahrens, betont Georg Anetsberger, der in der Gruppe von Tobias Kippenberg promoviert. Ebenso wichtig sei der erstmalige Nachweis, dass auch nanoskalige Objekte durch die Kraft von Photonen, den Strahlungsdruck, direkt beeinflusst, z.B. gekühlt oder in Schwingung versetzt werden können. „Wir beobachten, dass die Dipolkraft des optischen Nahfelds zu einer dynamischen Rückwirkung führt, welche die Nanosaiten zu kohärenten laserähnlichen Schwingungen anregt.“

Die hier verwendete Methode lässt sich praktisch auf alle nanoskaligen mechanischen Oszillatoren anwenden, was deren Einsatz als hochempfindliche Sensoren weiter verbessern könnte. Für Tobias Kippenberg zeigt sich daran wieder einmal die Vielseitigkeit der Mikrotoroide, die seit einigen Jahren im Zentrum seiner Forschung stehen. „Wir haben hier eine experimentelle Plattform entwickelt, die die Anwendungsmöglichkeiten nanomechanischer Bauelemente deutlich erweitern könnte. Zudem bietet sie eine Schnittstelle, an der Photonen und Phononen so optimiert miteinander wechselwirken, dass quantenmechanische Effekte bei Raumtemperatur messbar werden könnten.“ [OM/GA]

Originalveröffentlichung:
G. Anetsberger, O. Arcizet, Q. P. Unterreithmeier, R. Rivière, A. Schliesser, E. M.Weig, J. P. Kotthaus und T. J. Kippenberg
Near-field cavity optomechanics with nanomechanical oscillators
Nature Physics, Advance Online Publication, DOI: 10.1038/NPHYS1425

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Mit Antiteilchen auf Fehlersuche

Pressemitteilung der TU München vom 30.09.2009

Weltweit stärkste Positronenquelle am FRM II in Garching

Die geheimnisvolle Antimaterie ist nicht nur exotisches Beiwerk in Kinofilmen wie „Illuminati“, sondern auch ein faszinierendes Wissenschaftsgebiet. An der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) der Technischen Universität München werden die Antiteilchen von Elektronen gewonnen, die so genannten Positronen, und das in der weltweit höchsten Intensität. Die knapp eine Milliarde Positronen pro Sekunde kommen in der Nano-Materialforschung zum Einsatz: Sie entdecken Fehlstellen im Atomgitter und können dabei einzelne Elemente präzise unterscheiden.

Während Tom Hanks auf der Suche nach Antimaterie aus dem Teilchenphysiklabor CERN in der Schweiz quer durch Rom jagen muss, hat Dr. Christoph Hugenschmidt am FRM II in Garching pro Sekunde eine Milliarde Antiteilchen zur Verfügung. Das Positron ist dabei so harmlos wie sein Gegenpart, das Elektron. NEPOMUC (NEutron-induced POsitron source MUniCh) hat der TUM-Physiker die Neutronen-induzierte Positronenquelle genannt. Zusammen mit der Universität der Bundeswehr München betreibt der TUM-Lehrstuhl für Experimentalphysik E 21 diese weltweit intensivste Positronenquelle.

Das Besondere an der Positronenquelle in Garching ist, dass die Teilchen sich im Ultrahochvakuum durch magnetische und elektrische Felder fast verlustfrei bis zu den fünf verschiedenen Experimentierstationen leiten lassen. „Den Wissenschaftlern, die ihre Experimente an der Positronenquelle des FRM II durchführen, stehen damit bis zu 1000 Mal mehr Positronen pro Sekunde zur Verfügung als in jedem anderen Labor der Welt“, sagt Hugenschmidt. Das spart wertvolle Experimentierzeit. Versuche mit Positronen, die sonst Wochen dauern, können am FRM II innerhalb von einigen Minuten oder Stunden durchgeführt werden. „Gleichzeitig haben wir die Empfindlichkeit gesteigert, und es lassen sich daher völlig neue Fragestellungen in der Grundlagenphysik beantworten“, zählt Hugenschmidt weitere Vorteile auf. So untersucht man derzeit das negativ geladene Positronium, ein Teilchen, das aus zwei Elektronen und einem Positron besteht. Bei den drei Teilchen, die sich gegenseitig umkreisen, interessiert vor allem das Dreikörperproblem, das schon Kepler und Copernicus aufwarfen: Wie verlaufen die Bahnen dreier Körper unter dem Einfluss ihrer gegenseitigen Anziehung?

Die Positronen werden indirekt aus Neutronen des Reaktors erzeugt. Das Herzstück der Positronenquelle besteht aus einer Struktur aus Kadmium und Platinfolien. Das Kadmium fängt die Neutronen ein und gibt dabei hochenergetische Gammastrahlung ab. Die Energie dieser elektromagnetischen Strahlung wird in Platin gemäß der Einsteinschen Äquivalenz von Masse und Energie E=mc2 in Masse umgewandelt. Dabei entstehen zu gleichen Teilen Materie und Antimaterie: Elektronen und Positronen. Um die Positronen möglichst lange zum Experimentieren zu nutzen, muss man sie von Materie fernhalten. Denn bei Kontakt mit einem Elektron zerstrahlen sie sofort.

Positronen werden außer für Grundlagenexperimente vor allem in der Materialforschung eingesetzt, weil sie nicht nur Defekte im Atomgitter erkennen, sondern auch Atomsorten unterscheiden können. Je nach Element zerstrahlen die Positronen bei der Berührung mit den Elektronen unterschiedlich. Die dabei messbare Gammastrahlung ist wie ein Fingerabdruck spezifisch für ein Element. Die Empfindlichkeit der Positronen wiesen die Forscher um Christoph Hugenschmidt nun in einem Versuch mit Aluminium und Zinn nach. Unter einer nur 200 Nanometer dünnen Schicht aus 500 Lagen Aluminium-Atomen wurde eine einzelne Lage aus Zinn-Atomen eingebettet. Trotzdem konnten die Positronen die Zinnschicht aufspüren.

Diese Messtechnik soll nun nicht nur Defekte auf atomarer Ebene zeigen, sondern wird zukünftig auf dotierte Halbleiter und metallische Werkstoffe angewandt werden, um darin kleinste Verunreinigungen sichtbar zu machen. Dazu entwickelt Hugenschmidt gerade neue Messapparaturen an der Positronenquelle des FRM II und unternimmt Experimente in Kooperation mit der Universität der Bundeswehr München, der Ludwig-Maximilians-Universität München und dem Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg.

Originalpublikationen:

Unprecedented intensity of a low energy positron beam; C. Hugenschmidt, B. Löwe, J. Mayer, C. Piochacz, P. Pikart, R. Repper, M. Stadlbauer, and K. Schreckenbach; Nucl. Instr. Meth. A 593 (2008) 616 – DOI: 10.1016/j.nima.2008.05.038

High elemental selectivity to Sn submonolayers embedded in Al using positron annihilation spectroscopy; C. Hugenschmidt, P. Pikart, M. Stadlbauer, and K. Schreckenbach; Phys. Rev. B77 (2008) 092105 – DOI: 10.1103/PhysRevB.77.092105

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Elektronen auf Schlingerkurs

Presseinformation der LMU München vom 28.09.2009

Mini-Röntgenquelle ebnet den Weg für brilliante Strahlung

Das Potential der Lasertechnik scheint unerschöpflich. Den Beweis hat nun ein internationales Team vom Münchener Exzellenzcluster „Munich-Centre for Advanced Photonics“ (MAP) im Labor für Attosekundenphysik (LAP) der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik (MPQ) in Garching erneut erbracht. Ebenfalls beteiligt waren das Forschungszentrum Dresden-Rossendorf und das Clarendon Laboratory der Universität in Oxford (Großbritannien). Den Physikern ist es erstmals im Labormaßstab gelungen, weiche Röntgenstrahlung mit Hilfe von Laserlicht zu erzeugen, indem sie Pulse von Elektronen durch intensive Laserblitze generieren. Nachdem derselbe Laserstrahl in einer tausendmal kürzeren Distanz als bisher nötig die Elektronenpulse auf annähernd Lichtgeschwindigkeit beschleunigt hat, werden diese in einen kurzen Undulator fokussiert. In dessen Inneren zwingen magnetische Felder auf einen Schlingerkurs,  so dass sie Röntgenstrahlung emittieren. Das Experiment zeigt, dass mit Hilfe von Licht sogenannte „brillante Röntgenstrahlung“ erschaffen werden kann, bei der extrem viele Photonen mit gleicher Wellenlänge in einem Strahl gebündelt sind. Die Strahlung bietet weitaus mehr Anwendungen als herkömmliche Röntgenstrahlung. Sie konnte bisher aber nur in kilometergroßen Beschleunigeranlagen produziert werden. Die LAP-Forscher haben nun die Türe aufgestoßen, brillante Röntgenstrahlung auch in viel kompakteren Geräten zu gewinnen. (Nature Physics online, 27. September 2009).

Seit ihrer Entdeckung im ausgehenden 19. Jahrhundert ermöglicht Röntgenstrahlung  Einblicke in Welten, die für das menschliche Auge unsichtbar sind. Heute ist die Strahlung aus der Medizin, der Physik, den Materialwissenschaften und der Chemie nicht mehr wegzudenken. Mittlerweile kann man mit ihr Strukturen sichtbar machen, die  nicht größer als Atome sind. Dazu benötigt man sogenannte „brillante Röntgenstrahlung“, die sehr viele Photonen (Lichtteilchen), die sich im selben Takt bewegen, bündelt. Sie wird heute in kilometergroßen und teuren Beschleunigeranlagen erzeugt. Nur wenige Anlagen weltweit sind überhaupt in der Lage, diese brillante Röntgenstrahlung aufwendig herzustellen. Ein Team um Professor Florian Grüner und Professor Stefan Karsch vom Labor für Attosekundenphysik hat sich das Ziel gesetzt, brillante Röntgenstrahlung kostengünstig und mit wenig Platzaufwand zur Verfügung zu stellen. Einen wichtigen Meilenstein haben die Physiker jetzt erreicht.

Mit Hilfe von intensivem Laserlicht und einem Plasma aus Wasserstoffatomen ist es ihnen erstmals in einem Labor der LMU und des MPQ gelungen, Röntgenstrahlung mit einer Wellenlänge von rund 18 Nanometern (weiche Röntgenstrahlung) zu erzeugen. Dazu verwendeten die Physiker Laserpulse, die nur wenige Femtosekunden lang dauern. Eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer Milliardstel Sekunde. In dieser ultrakurzen Zeit erreichen die Lichtpulse Leistungen von rund 40 Terawatt. Zum Vergleich: Ein Atomkraftwerk erzeugt Leistungen von rund 1000 Megawatt, das ist 1000 Mal weniger. Die gigantischen Leistungen der Pulse werden nur durch ihre extreme Kürze erreicht. Die starken elektrischen und magnetischen Felder der Lichtpulse lösen Elektronen von Wasserstoffatomen und erzeugen so ein Plasma. Diese Elektronen werden mit demselben Laserpuls auf annähernd Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und das auf einer Strecke von nur 15 mm, was einer tausendmal kürzeren Distanz entspricht, als sie von bisher verwendeten Technologien benötigt wird.

Die Elektronen gelangen anschließend in den Undulator, ein rund 30 Zentimeter langes und fünf Zentimeter breites Gerät. Dieser erzeugt in seinem Inneren ein alternierendes Magnetfeld, das die Elektronen auf einen sinusförmigen Schlingerkurs zwingt. Dabei werden die Teilchen hin und her beschleunigt und senden dadurch Photonen im weichen Röntgenbereich aus. Bis heute konnte man in einem anderen Experiment mit ähnlichen Methoden lediglich Licht erzeugen, das sich im sichtbaren oder infraroten Bereich befindet, also viel längere Wellenlängen besitzt als Röntgenstrahlung. Nach den Gesetzen der Optik können mit Licht nur Strukturen abgebildet werden, die der Größe seiner Wellenlänge entsprechen. Wird also etwa ein Objekt mit Röntgenlicht von 18 Nanometer Wellenlänge untersucht, muss es mindestens ebenso groß sein, um gesehen zu werden. Atome und Moleküle sind aber sehr viel kleiner – und möglichst kurze Licht-Wellenlängen entsprechend begehrt.

Die Verkürzung der Wellenlänge der lasererzeugten Röntgenstrahlung ist das nächste Vorhaben der LAP-Wissenschaftler. „Grundsätzlich haben wir mit unserem Experiment gezeigt, dass man Röntgenstrahlung in einem Universitätslabor mit Hilfe von ultrakurzen Lichtpulsen erzeugen kann“, erklärt Florian Grüner. Doch das Potential der Undulator-Technologie ist erheblich größer. „Unser Versuch ebnet den Weg in Richtung einer preiswerten Quelle für lasergetriebene Röntgenstrahlen“, prognostiziert Grüner. Die Physiker wollen nun die Energie der Elektronen erhöhen, die durch den Undulator fliegen. Dazu werden sie die Energie der Lichtpulse steigern, die diese Elektronen erzeugen. Das große Ziel der Gruppe um Grüner besteht in der Realisierung eines laser-getriebenen Freien-Elektronen-Lasers, dessen Licht etwa eine Million mal brillanter ist als die jetzt gemessene Undulatorstrahlung. Die Strahlung soll dann nur noch eine Wellenlänge von wenigen Zehntel Nanometer haben. Sie kann völlig neue, detaillierte Einblicke in den Mikrokosmos der Natur liefern, aber auch in der Medizin helfen, kleinste Tumore zu entdecken, bevor sie sich im Körper ausbreiten. Die Heilungschancen von Krebs würden enorm steigen. (ThN/MPQ)

Publikation:
„Laser-driven soft-X-ray undulator source“;
Matthias Fuchs, Raphael Weingartner, Antonia Popp, Zsuzsanna Major, Stefan Becker, Jens Osterhoff, Isabella Cortrie, Benno Zeitler, Rainer Hörlein, George D. Tsakiris, Ulrich Schramm, Tom P. Rowlands-Rees, Simon M. Hooker, Dietrich Habs, Ferenc Krausz, Stefan Karsch and Florian Grüner;
Nature Physics online, 27. September 2009;
DOI: 10.1038/NPHYS1404

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Optik nach Maß

Presseinformation der LMU München vom 11.09.2009

LMU und MPG gründen gemeinsames Spin-off-Unternehmen

Wer schnellere elektronische Bauteile entwickeln möchte, darf Elektronen nicht aus dem Auge verlieren. Dafür sind maßgeschneiderte Optiken nötig, wie sie die UltraFast Innovations GmbH anbietet. Das Unternehmen, das Forscher der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) jetzt gegründet haben, produziert spezielle Spiegel und andere Optiken für Laser- und Röntgenpulse. Mit deren Hilfe lassen sich unter anderem ultrakurze Lichtblitze erzeugen und steuern. Solche Blitze ermöglichen es, die Bewegung von Elektronen innerhalb von Atomen und Molekülen in Echtzeit zu beobachten. Die dafür notwendigen Spiegel sind bislang meist nicht kommerziell erhältlich. Sie könnten sowohl bei Firmen zum Einsatz kommen, die Lasersysteme und -anwendungen herstellen, wie auch bei Forschungsgruppen, die auf dem Gebiet der Quanten- und Röntgenoptik arbeiten. An dem Unternehmen sind die LMU und die MPG zu je 50 Prozent beteiligt.

Elektronen sind schnell – sie bewegen sich in Attosekunden, milliardstel Teilen einer milliardstel Sekunde, zwischen Atomen hin und her. Sie zu beobachten, erfordert ausgefeilte Optiken, die es erlauben, extrem kurze Lichtblitze zu erzeugen. Solche Spezialoptiken fertigt die UltraFast Innovations GmbH nach Kundenwünschen an.

Das Unternehmen bietet alles aus einer Hand − vom Entwurf der Optiken bis zur Beschichtung und Vermessung der Produkteigenschaften. Es optimiert Beschichtungen auf unterschiedliche Charakteristika wie hohe Reflektivität, große spektrale Bandbreite oder eine bestimmte Filterfunktion. Bei der Entwicklung und Herstellung der Optiken baut die UltraFast Innovations GmbH auf die langjährige Erfahrung der beteiligten Wissenschaftler: Die Arbeitsgruppen um Ferenc Krausz, Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und Professor an der LMU, und Ulf Kleineberg, ebenfalls Professor an der LMU, vereinen führende Experten auf dem Gebiet der Spezialoptiken. Ferenc Krausz gilt als einer der Erfinder der gechirpten Spiegel, einer besonderen Art Spiegel, die ultrakurze Laserpulse erst ermöglicht, und hält dazu mehrere Patente.

Die Spiegel ermöglichen beispielsweise die Kompensierung der Materialdispersion, sie verhindern also, dass Licht verschiedener Farbe unterschiedlich verzögert wird, wodurch Lichtpulse zeitlich verbreitert würden. Erst so wird es möglich, ultrakurze Lichtblitze zu erzeugen. 2008 haben die Forscher mithilfe solcher Spiegel Blitze erzeugt, die nur 80 Attosekunden dauern. Damit sind sie erstmals in den Zeitbereich von unter 100 Attosekunden vorgedrungen und haben so die weltweit kürzesten Lichtblitze generiert. In 80 Attosekunden legt das Licht weniger als einen tausendstel Millimeter zurück.

„Solche Lichtimpulse erlauben es uns, Elektronenbewegungen innerhalb von Atomen und Molekülen in Echtzeit zu beobachten“, erklärt Dr. Jens Rauschenberger, Forscher in der Arbeitsgruppe von Ferenc Krausz und Geschäftsführer der neugegründeten Firma. „Man kann sich das wie bei einer Kamera vorstellen: Um schnelle Bewegungen scharf abzubilden, braucht man eine extrem kurze Verschlusszeit.“

Ein besseres Verständnis der Vorgänge, die auf Elektronenebene ablaufen, ist beispielsweise für die Kommunikationstechnik wichtig und trägt dazu bei, die Datenverarbeitung zu beschleunigen. Kurze Lichtblitze im sichtbaren Spektralbereich finden beispielsweise auch in bildgebenden Verfahren in der Medizin Anwendung: Die optische Kohärenztomografie etwa ist ein wichtiges Verfahren in der Augenheilkunde, um den Augenhintergrund zu untersuchen.

Die UltraFast Innovations GmbH zeichnet sich vor allem aber durch ihre enge Verbindung zur aktuellen Forschung aus: „Da die Entwicklung und Herstellung der Optiken in unsere wissenschaftliche Arbeit eingebunden ist, fließen aktuelle Forschungsergebnisse direkt ein“, sagt Jens Rauschenberger. „Die neu entwickelten Produkte können wir dann sofort in der Praxis testen.“ Die Gründung der UltraFast Innovations erlaubt eine effizientere Auslastung der hochpräzisen Beschichtungsanlagen des Servicecenters „Beschichtungen und Optiken“ im Exzellenzcluster „Munich Centre for Advanced Photonics“ (MAP). Und das Unternehmen bietet einen weiteren Vorteil. Jens Rauschenberger: „Neben der besseren Auslastung geben wir mit UltraFast Innovations der Forschungstätigkeit wichtige Impulse, weil die Gewinne wieder in wissenschaftliche Einrichtungen investiert, beziehungsweise neue Personalstellen geschaffen werden können.“

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