Schneller als Hangrutschungen: Frühwarnsystem mittels GPS-Sensoren

Pressemitteilung der TU Graz vom 21.01.2014

Projektteam unter Federführung der TU Graz entwickelt neue Möglichkeiten für den Katastrophenschutz

Land der Berge: Potentielle Hangrutschungen sind eine Gefahr für exponierte Infrastruktur wie Siedlungen, Straßen, Schienen oder Stromleitungen und nicht zuletzt für Leib und Leben. Wenn Kameras Hangbewegungen registrieren, ist es meist schon zu spät, komplexere Frühwarnsysteme sind derzeit teuer und damit rar. Die TU Graz, die Landeswarnzentrale Steiermark und weitere Partner haben nun ein ausgeklügeltes System entwickelt und erfolgreich getestet: Ein Netz aus kostengünstigen GPS-Empfängern verzeichnet Bewegungen gefährdeter Hänge und ermöglicht im Ernstfall ein rasches Eingreifen. Die Ergebnisse des Projekts „GeoWSN“ wurden gestern präsentiert.

Starker Niederschlag, Steinschläge, massive Abholzung: Erdrutsche haben verschiedene Ursachen und meist verheerende Folgen. Bisherige Warnsysteme, etwa durch Kameraüberwachung, greifen zu kurz und lassen kaum zeitlichen Spielraum für Evakuierungen und andere vorsorgliche Maßnahmen. „Es gibt bereits ausgeklügelte Frühwarnsysteme, die sich aber mit mehreren hunderttausend Euro pro Hang zu Buche schlagen können. Es ist praktisch unmöglich, damit alle Gefahrenhänge in Österreich permanent zu überwachen“, schildert Manfred Wieser vom Institut für Navigation der TU Graz.

Jede Bewegung registrieren

Unter der Leitung des Instituts für Navigation der TU Graz hat ein Projektkonsortium in den vergangenen zwei Jahren ein neuartiges Monitoringsystem entwickelt und an einem potentiellen Gefahrenhang, der die Phyrnautobahn bedroht, getestet: Relativ kostengünstige GPS-Sensoren wurden als sogenannte Netzknoten an verschiedenen Stellen eines Testhanges am Schoberpass platziert. Die Sensoren liefern permanent Aufschluss über ihre exakte Position und verzeichnen so jede kleinste Bewegung im Hang. Pro Knotenpunkt gibt es eine Kommunikationseinheit, die die Daten kontinuierlich an einen zentralen Netzknoten schickt. Der sammelt die Aufzeichnungen und leitet sie an einen Server an der TU Graz, wo die Daten mit einer eigens entwickelten Software ausgewertet und dargestellt werden.

Neue Dimension im Katastrophenschutz

Die besonderen Herausforderungen im Projekt „GeoWSN“: Das Frühwarnsystem muss kostengünstig und robust sein, wetterunabhängig und verlässlich permanent Daten liefern und obendrein energieautark funktionieren. „Das Gesamtpaket war eine harte Nuss. Wir haben aber gezeigt, dass der Ansatz zielführend ist. Mit dem System können wir den Behörden im Ernstfall die technischen Voraussetzungen zur raschen Entscheidungsfindung liefern“, so Wieser. Günter Hohenberger von der Landeswarnzentrale Steiermark führt aus: „Entscheidend für die Warnung vor herannahenden Gefahren wie Erdrutschungen ist die Vorwarnzeit: Je größer der Zeitraum zwischen Bekanntwerden der Gefahr und Eintreten des Ereignisses, desto effektivere Gegenmaßnahmen können wir einleiten, zum Beispiel Evakuierungen. Das im Projekt GeoWSN entwickelte Frühwarnsystem stellt eine neue Dimension im Bereich des Katastrophenschutzes dar“.

Wann und wie warnen?

Im Ernstfall muss nicht nur die Technik funktionieren, auch die Art der Informationsweitergabe und besonders Warnung der betroffenen Bevölkerung sind entscheidend. Ebenfalls mit an Bord des Projekts war daher eine Psychologin, die untersucht hat, wie und wann man am besten informiert, welche Warnstufen sinnvoll sind und wie die Bewohner vorab sensibilisiert und trainiert werden können.

Das Projekt „GeoWSN“ wurde von Jänner 2012 bis Dezember 2013 im Rahmen von KIRAS, dem vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie betriebenen Programm zur Sicherheitsforschung, finanziert und von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG abgewickelt. Das Projektkonsortium besteht aus dem Institut für Navigation und dem Institut für Technische Informatik der TU Graz, der TeleConsult Austria GmbH, Geolith Consult und der Fachabteilung Katastrophenschutz und Landesverteidigung des Landes Steiermark. Als nächsten Schritt will das Konsortium den vielversprechenden Demonstrator zum Prototypen weiterentwickeln.

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Wasserkopf – Sensor überwacht Hirndruck

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 02.01.2014

Ist der Druck im Gehirn eines Patienten zu hoch, implantieren Ärzte ein System in den Kopf, das den Druck reguliert. Ein Sensor erlaubt es nun, den Hirndruck zu messen und individuell anzupassen. Das Sensorsystem ist als Langzeitimplantat zugelassen.

Harninkontinenz, ein schlurfender Gang und nachlassende Denkfähigkeit sind Anzeichen für eine Parkinson- oder Alzheimererkrankung. Ebenfalls möglich ist ein Hydrocephalus, auch als Wasserkopf bekannt. Bei dieser Diagnose produziert das Gehirn entweder zu viel Hirnflüssigkeit oder diese kann nicht ausreichend »ablaufen«. Die Folge: Der Druck im Gehirn steigt zu stark, es nimmt Schaden. Abhilfe schafft ein Shunt-System – eine Art Silikonschlauch –, das Ärzte in das Gehirn des Patienten implantieren. Dort leitet es überschüssige Flüssigkeit ab, beispielsweise in den Bauchraum. Herzstück dieses Shunt-Systems ist ein Ventil: Steigt der Druck über einen Schwellenwert, öffnet das Ventil, sinkt er wieder darunter, schließt es.

In seltenen Fällen kann es zu einer Überdrainage kommen. Dabei sinkt der Hirndruck zu stark, die Hirnkammern werden quasi ausgepresst. Bislang können Ärzte eine solche Überdrainage nur über aufwändige und teure Computer- oder Magnetresonanztomographien nachweisen.

Hirndruck jederzeit messbar

Anders mit einem neuartigen Sensor: Wird er mit dem Shunt-System ins Gehirn des Patienten implantiert, können die Ärzte den Hirndruck mit einem Handlesegerät auslesen – in wenigen Sekunden, jederzeit und ohne aufwändige Untersuchung. Entwickelt haben den Sensor Forscher des Fraunhofer-Instituts für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS in Duisburg gemeinsam mit der Christoph Miethke GmbH und der Aesculap AG.

Klagt der Patient über Beschwerden, braucht der Arzt lediglich das Handlesegerät von außen an den Kopf des Patienten zu halten. Das Gerät sendet magnetische Funkwellen und versorgt den Sensor im Shunt darüber mit Energie – das Implantat wird »aufgeweckt«, misst Temperatur und Druck in der Hirnflüssigkeit und sendet diese Daten zurück zum Handlesegerät. Ist der Druck außerhalb des gewünschten Bereichs, kann der Arzt das Ventil des Shunt-Systems von außen entsprechend einstellen und es individuell an den Patienten anpassen. »Der Sensor ist ein aktives Implantat, das im Gegensatz zu einem Stent oder einem Zahnimplantat auch Messfunktionen übernimmt«, sagt Michael Görtz, Leiter der Drucksensorik am IMS.

Das Implantat muss bioverträglich sein, der Körper darf es nicht abstoßen. Die Forscher mussten sicherstellen, dass auch der Körper das Implantat nicht angreift. »Die Abwehrreaktionen verhalten sich wie ein aggressives Medium, das sogar das Silizium der Elektronik im Laufe der Zeit auflösen würde«, erläutert Görtz. Miethke verkapselt das Implantat daher vollständig in eine dünne Metallhülle. »Wir können es trotzdem von außen durch die Metallverkapselung mit Energie versorgen, den Hirndruck durch das Gehäuse messen und die aufgenommenen Daten durch das Metall zum Lesegerät nach außen funken«, sagt Görtz. Dazu musste das richtige Metall gefunden werden. Die Schicht darf nicht dicker als die Wand einer Getränkedose sein – also weit dünner als ein Millimeter. Auch das Handlesegerät haben die Forscher entwickelt, samt der Elektronik, über die es mit dem Sensor kommunizieren kann.

Dieser ist serienreif und wurde durch Miethke bereits zugelassen. Mit der Markteinführung des Systems hat das Unternehmen bereits begonnen. »Der Sensor legt die Basis für die Weiterentwicklung hin zu Theranostischen Implantaten – eine Wortschöpfung aus Therapie und Diagnostik. In einigen Jahren könnte der Sensor dann nicht nur den Hirndruck erfassen und damit eine Diagnose erstellen, sondern den Druck auch gleich selbstständig richtig einstellen und somit die Therapie übernehmen«, sagt Görtz.

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Organische Elektronik: Steirische Forscher entwickeln neuartige Ionensensoren zur Wasser- und Blutanalyse

Pressemitteilung der TU Graz vom 18.12.2013

Mit organischer Elektronik zur verlässlichen, flexiblen und günstigen Kontrolle von Wasserqualität und Co: Gemeinsam ist es Forschern der TU Graz und des NanoTecCenter Weiz erstmals gelungen, mit einem neuartigen Ionen-Sensor basierend auf organischer Elektronik sehr kleine Konzentrationen von biomedizinisch relevanten Natrium-Ionen in wässrigen Medien gezielt nachzuweisen. Der Einsatz organischer Transistoren, bestehend aus halbleitenden Materialien aus Kohlenstoffverbindungen, erlaubt die kostengünstige Herstellung der flexibel kombinierbaren Sensoren, etwa durch Tintenstrahldruck. Die Arbeit wurde diese Woche im renommierten Fachjournal „Advanced Materials“ veröffentlicht.

Die Kontrolle der Wasserqualität, Blutanalysen oder auch die Lebensmittelüberwachung sind auf verlässliche Messmethoden zur Ionen-Konzentrationsbestimmung angewiesen. Die bislang verwendeten ionenselektiven Elektroden sind sehr groß und starr. Als bessere Alternative dazu bietet sich das am NanoTecCenter Weiz und der TU Graz entwickelte neue Sensorkonzept an: Die Forscher haben erstmalig einen Ionensensor mit organischen Transistoren kombiniert – ein System, das auch im direkten Kontakt mit Flüssigkeiten sehr stabil funktioniert.

Das erstmals vorgestellte miniaturisierbare und integrationsfähige Sensorkonzept erlaubt die kostengünstige Detektion von extrem kleinen Ionen-Konzentrationen im Bereich von rund 100.000stel Gramm pro Liter. „Im Gegensatz zur konventionellen Elektronik, wo Kontakt mit Wasser zu vermeiden ist und großer Aufwand betrieben wird, um die elektrischen Bauteile von störenden Umwelteinflüssen abzukapseln, nutzen wir mit dem neuen Sensorkonzept gerade den direkten Kontakt mit Wasser aus.“, erklären Kerstin Schmoltner und Johannes Kofler vom NanoTecCenter Weiz, Autoren der Publikation und Dissertanten am Institut für Festkörperphysik der TU Graz. Innovative Neuheit birgt hier der Einsatz von organischen Materialien und selektiven Membranen, die eine kostengünstige Herstellung, beispielsweise mittels Tintenstrahldruck auf dünnen flexiblen Folien, ermöglichen. Zusätzlich lassen sich die Eigenschaften dieser oft biokompatiblen Materialien je nach Anforderungen anpassen.

„Die Verwendung von organischen Transistoren als aktive Sensoreinheit, mit denen wir uns schon seit Jahren beschäftigen, zeigt sich als eine nahezu ideale Lösung, da Sensor und Verstärker in einem Bauteil vereint sind und die weitere Signalverarbeitung dadurch erleichtert wird“, erläutert Co-Autor Andreas Klug vom NanoTecCenter Weiz.

„Künstliche Zunge“

Ein weiterer großer Vorteil des Sensors ist der modulare Aufbau, der einen einfachen Austausch verschiedener selektiver Membranen möglich macht. In weiterer Folge lassen sich so mehrere Sensoren zu einer „künstlichen Zunge“ kombinieren, die die gleichzeitige Detektion unterschiedlicher Ionen erlaubt. Auch wenn die Realisierung eines derartigen Systems noch einiges an Forschungsarbeit erfordert, sind die weiteren Schritte bereits geplant: Zum einen wollen die steirischen Forscher einen entsprechenden Schwermetall-Ionensensor für Wasserqualitätskontrollen realisieren, mit dem noch kleinere Ionen-Konzentrationen detektiert werden können. „Darüber hinaus stellt die Konzentrations-Überwachung lebensnotwendiger Ionen im Blut direkt im Körper, also in-situ, eine weitere Herausforderung dar, der wir uns stellen“, ergänzt Emil List-Kratochvil, Professor am Institut für Festkörperphysik der TU Graz und Geschäftsführer des NanoTecCenter Weiz.

Die Arbeit zum neuartigen Ionen-Sensorkonzept wurde in der aktuellen Ausgabe des renommierten Fachjournals „Advanced Materials“ veröffentlicht und durch das Land Steiermark im Rahmen des Projekts BioOFET 2 und MIEC-DEVs finanziell unterstützt. Eigentümer der NanoTecCenter Weiz Forschungsgesellschaft mbH sind die TU Graz und die JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH.

Originalpublikation:
K. Schmoltner, J. Kofler, A. Klug, E. J. W. List-Kratochvil: Electrolyte-gated field-effect transistor for selective and reversible ion detection. Advanced Materials, Vol. 25, Issue 47, 6895-6899, Dezember 17, 2013.

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Smartphone wird zum 3D-Scanner

Medienmitteilung der ETH Zürich vom 05.12.2013

Wissenschaftler der ETH Zürich haben eine App entwickelt, die ein gewöhnliches Smartphone in einen 3D-Scanner verwandelt. Die Software macht das Scannen von dreidimensionalen Objekten fast so einfach wie das Fotografieren.

3D-Scanning ermöglicht es, einen Gegenstand realitätsgetreu abzubilden und Daten über dessen Form und Erscheinung zu erfassen. Bisherige Verfahren sind meist sehr aufwendig, benötigen viel Hardware und eine hohe Rechenleistung, weshalb sie sich nicht für spontane Aufnahmen eignen. Wissenschaftler um Marc Pollefeys, Professor am Institut für Visual Computing der ETH Zürich, haben nun eine effiziente Software entwickelt, die sie für Smartphones optimiert haben. Das dreidimensionales Scannen ist für den Benutzer damit fast so einfach macht wie das Fotografieren. Die Wissenschaftler haben die Demoversion der App gestern an der International Conference on Computer Vision in Sydney erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.

Mehr Interaktion dank Echtzeit-Feedback

Ähnlich wie beim Fotografieren richtet der Benutzer die Kamera seines Smartphones auf ein beliebiges Objekt. Anstatt auf den Auslöser zu tippen, bewegt er das Gerät über das Objekt hinweg, damit es laufend Bilder aufzeichnen kann. Schon nach wenigen Aufzeichnungen erscheint auf dem Bildschirm ein 3D-Modell des auf diese Weise eingescannten Objekts. Solange der Benutzer seine Smartphone-Kamera über dieses hinweg bewegt, werden automatisch zusätzliche Bilder aufgenommen, die das 3D-Modell kontinuierlich verbessern.

Auf dem Smartphone-Display kann der Benutzer jederzeit überprüfen, ob Bildausschnitte fehlen oder ungenügend sind und das Objekt aus zusätzlichen Blickwinkeln scannen. Dieses Echtzeit-Feedback ist nur möglich, weil die App die dreidimensionale Darstellung direkt auf dem Smartphone berechnet. «Das ist ein riesiger Vorteil gegenüber bisherigen Lösungen, welche die verschiedenen Bilder erst in der Cloud verarbeiten müssen, und das 3D-Modell erst einige Zeit nach der Aufnahme anzeigen können.», erklärt Marc Pollefeys. Für den Informatikprofessor sind die bisherigen Methoden mit der analogen Fotografie vergleichbar. «Bevor digitale Kameras entwickelt wurden, sah man das Resultat auch erst dann, wenn man das Foto entwickelt hatte.»

Effiziente Berechnungen für kleine Geräte

Weitere Vorteile einer mobilen Anwendung liegen auf der Hand: 3D-Scans können mit dem Smartphone nicht nur überall und jederzeit gemacht werden. Mit den kleinen Geräten kann man Objekte auch einfach von verschiedenen Standpunkten aus abbilden. Die ETH-Technologie funktioniert selbst bei schlechten Lichtverhältnissen, wie beispielsweise in Museen oder Kirchen. So könnte künftig eine Besucherin im Museum eine Skulptur einscannen und sie später zu Hause detailliert betrachten und bearbeiten. Denkbar wäre auch, dass man das 3D-Modell in einer Cloud speichert und es von dort aus weiter verbessert.

Die Wissenschaftler setzten bei der Entwicklung der Software auf die herkömmlichen Sensoren, mit denen jedes Smartphone ausgestattet ist und benutzen neben der Kamera auch die vorhandenen Drehraten- und Beschleunigungssensoren. So konnten sie einen Scan-Prozess programmieren, der einfach und robust sowie intuitiv bedienbar ist. Sobald der 3D-Scan aktiviert ist, bestimmt das System aus den Bewegungen des Benutzers automatisch die richtigen Momente, in denen es die Bilder aufzeichnet. «Noch vor zwei Jahren hätte man eine solche Software nur auf grossen Computern laufen lassen können. Dass dies auf einem Smartphone funktioniert, wäre undenkbar gewesen», sagt Marc Pollefeys.

Verbesserte Interaktivität

Der mobile 3D-Scanner kann die absolute Grösse und die vertikale Ausrichtung eines Objekts ermitteln, was mit bisherigen 3D-Bildverfahren nicht möglich war. Dazu muss die App hunderttausende Bildpunkte rekonstruieren. Diese komplexen Berechnungen müssen jedoch so effizient ausgeführt werden, dass der Nutzer den aktuellen Stand des Scans unmittelbar auf dem Display sieht. Die ETH-Forschenden nutzten deshalb den Grafik-Co-Prozessor des Smartphones (GPU), um die Datenrekonstruktion zu beschleunigen.

Die Technologie erlaubt es auch, 3D-Modelle von Gesichtern zu erzeugen. Porträtbilder von Freunden und Familienangehörigen oder Profilbilder in sozialen Medien könnten so in Zukunft eine dritte Dimension erhalten. Anwendungen sehen die Wissenschaftler überall dort, wo Visualisierungen zum Einsatz kommen. Die 3D-Modelle können auch mit einem 3D-Printer ausgedruckt werden.

Die App gibt es zurzeit erst als Demoversion, läuft aber auf fast allen gängigen Smartphones mit Android Betriebssystem.

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Weltrekord: Längstes EKG nicht-invasiv gemessen

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 21.11.2013

Bis zu sechs Monate lässt sich die Herzfunktion von Patienten mit einem neuartigen Sensorgurt überwachen – Elektroden lassen sich ohne Leitpaste oder operativen Eingriff nutzen

Herzkranke können schnell zu Notfallpatienten werden. Dann entscheiden Sekunden über Leben und Tod. Dabei deuten sich viele Herzleiden schon über Monate mit Symptomen an, die jedoch leicht übersehen werden. Helfen kann hier ein Langzeit-EKG. Ein am KIT entwickelter Sensorgurt erlaubt es nun erstmals die Herzaktivität eines Patienten langfristig rund um die Uhr zu protokollieren; bis zu 6 Monate lang. Den Sensorgurt stellen die Forscher zurzeit auf der Fachmesse Medica in Düsseldorf vor.

„Mit dem Sensorgurt wird es sehr einfach, auch seltene Herzereignisse zu erkennen, um damit eine geeignete Therapie herbeizuführen“, erklärt Wilhelm Stork vom Karlsruher Institut für Technologie. Das Gerät ermöglicht es, eine Reihe von Parametern wie Herz- und Atemfrequenz, Aktivität und Leitfähigkeiten kontinuierlich über einen sehr langen Zeitraum zu messen und ein Elektrokardiogramm (EKG) zu erstellen. „Der Arzt hätte dann alle Daten zur Hand, um dem Patienten so früh zu helfen, dass es erst gar nicht zu einer Notsituation kommt.“

In einer Studie des Karlsruher Instituts für Technologie, des Städtischem Klinikums Karlsruhe und des Universitätsklinikums Tübingen wurde die Langzeittauglichkeit des Sensorgurts getestet. Rund 50 Probanden nahmen daran teil und trugen den Gurt einige Tage bis einige Wochen, im Schnitt etwa 2 Wochen. Die Patienten hatten im Vorfeld eine akute Herzschwäche erlitten und wurden in der Nachbehandlung durch den Sensorgurt kontinuierlich überwacht. Ein Proband wurde sogar 6 Monate am Stück überwacht.

Der Sensorgurt enthält vier neuartige Trockenelektroden. Dadurch lassen sich Hautirritationen vermeiden, der Tragekomfort über Monate gewährleisten und dennoch sehr verlässliche Messdaten erheben. Der Patient kann den Gurt leicht selber anlegen. „Aussehen und Handhabung ähneln den bekannten Pulsmessern für Jogger, nur das sehr viel mehr Daten erfasst werden können“, sagt Malte Kirst vom KIT, einer der Entwickler. Die Messelektronik von der Größe und Gewicht eines kleinen Handys erfasst in einer Woche über ein Gigabyte an Daten. Dann wird die Speicherkarte ausgelesen und der Akku geladen. „Aufbau und Datenauswertung sorgen dafür, dass selbst bei Störungen einzelner Elektroden, etwa durch Körperbewegungen rund 99 Prozent der Zeit ein verwertbares EKG erstellt werden kann“, sagt Kirst, der Teile der Analysesoftware am FZI Forschungszentrum Informatik erstellt hat, bevor er ans KIT wechselte.

Bisherige mobile EKG-Messgeräte benötigen leitfähige Pasten. Die selbstklebenden Elektroden werden von medizinischem Personal punktgenau aufgeklebt. Nach einigen Tagen kommt es oft zu Hautirritationen oder die Paste ist ausgetrocknet. In der Regel werden 24 Stunden, manchmal auch mal 7 Tage Daten aufgezeichnet. Bei Hochrisiko-Patienten können Messgeräte zur Überwachung auch operativ implantiert werden. Der neue Sensorgurt verbindet die Vorteile der beiden Systeme und vermeidet die Nachteile. Dadurch könnte einer größeren Patientenzahl einfach geholfen werden.

Die chronische Herzinsuffizienz ist eine der häufigsten Herz-Kreislauferkrankungen mit etwa 10 Millionen Betroffenen in Europa. Dabei sterben mehr als 40 Prozent der Patienten innerhalb von 5 Jahren nach der Diagnose. Die Krankheit verursacht milliardenschwere Gesundheitskosten durch die Intensivbehandlung der Notfälle und die Nachfolgenden, langwierige Krankenhausaufenthalte. Daher ist es von großem Nutzen für Patienten und Gesundheitssystem, das beginnende Herzversagen (Dekompensation) frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Durch ein kontinuierliches Monitoring wie etwa mit dem Sensorgurt kann man die Dekompensation vorhersagen und rechtzeitig Maßnahmen ergreifen.

Weitere Anwendungsfelder sind die Diagnose von Vorhofflimmern und sogenannten Synkopen, also spontane Ohnmachtsattacken. Die betrifft rund 400.000 Patienten in Deutschland. „Hier benötigt man zuverlässige, langfristige EKG, um das Herz als Ursache eindeutig zu identifizieren oder auszuschließen“, so Stork. Ein vierköpfiges Team arbeitet zurzeit daran, aus dem Prototypen des Sensorgurts ein Medizinprodukt für diese Anwendung zu machen. Das Exist-Programm des Bundeswirtschaftsministeriums unterstützt die Entwicklung mit 500 000 Euro. (kes)

Externer Link: www.kit.edu