Schiffsrümpfe bewuchsfrei halten

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 03.12.2012

Spezielle Unterwasseranstriche verhindern, dass Muscheln und andere Organismen am Schiffsrumpf anwachsen – doch biozid wirkende Lacke sind ökologisch bedenklich. Forscher haben mit Industriepartnern eine umweltfreundlichere Alternative entwickelt.

Liegt ein Schiff längere Zeit vor Anker, siedeln sich an seinem Rumpf Algen, Muscheln und Seepocken an. Dieses Problem – man bezeichnet es als Biofouling – verursacht jedes Jahr wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe: Der biologische Bewuchs der Unterwasserfläche begünstigt deren Korrosion. Die Ablagerungen erhöhen die Rauheit des unter Wasser liegenden Rumpfes und bremsen dadurch die Fahrt des Schiffes. Je nachdem, wie stark der Bewuchs ist, steigt dadurch der Treibstoffverbrauch um bis zu 40 Prozent. Bei einem größeren Containerschiff können so jährliche Mehrkosten im millionenstelligen Bereich entstehen.

Bisherige Gegenmaßnahmen haben alle erhebliche Nachteile: Eine Möglichkeit ist, den Rumpf im Abstand von etwa drei bis fünf Jahren im Trockendock mit Sandstrahlgebläsen zu reinigen. Dabei wird jedoch auch die Lackierung entfernt und muss danach erneuert werden. Biozide Anstriche unterbinden zwar einen Bewuchs, gefährden jedoch auch die Umwelt, da sie sich in Wasser und Sedimenten anreichern. Die besonders giftigen Organozinn-Verbindungen sind deshalb seit einigen Jahren verboten und auch die bislang noch zulässigen Kupferanstriche sollen in absehbarer Zeit durch giftfreie Lösungen ersetzt werden.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik IWM am Standort Halle haben im Rahmen des vom BMWi geförderten Projektkonsortiums »Gesteuertes Antifoulingschichtsystem aus Nanokompositen für die Schifffahrt« (GANaS) eine umweltfreundlichere Alternative entwickelt. »Das elektrochemisch aktive Anstrichsystem erzeugt an der Schiffsrumpfoberfläche regelmäßig wechselnde pH-Werte. Damit lässt sich eine Besiedelung wirksam verhindern, ohne auf Biozide zurückgreifen zu müssen«, erklärt Prof. Manfred Füting vom IWM in Halle, der das Projekt koordiniert.

Elektrisch geladene Lacke

Der neuartige Anstrich basiert auf Nanokompositlacken der Firma NTC, die mit unterschiedlichen elektrischen Leitfähigkeiten versehen wurden und in einem Mehrschichtsystem auf den Schiffsrumpf aufgebracht werden. Wird das System »angeschaltet«, fließen schwache Ströme im Bereich von 0,1 Milliampere (mA) pro Quadratzentimeter durch diese Schichten. In bestimmten Zeitintervallen werden diese dann umgepolt. Aufgrund wasserelektrolytischer Prozesse ändert sich dadurch der pH-Wert des Wassers in der unmittelbaren Umgebung. Muscheln, Algen und Seepocken fühlen sich jedoch nur bei bestimmten, konstanten Bedingungen wohl und wachsen deshalb nicht am Schiffsrumpf an. Das Grundprinzip der ständig wechselnden pH-Werte geht auf eine patentierte Entwicklung des Projektpartners bioplan GmbH zurück. Dabei ist es egal, ob das Schiff in der rauen Ostsee oder in karibischen Gefilden unterwegs ist: Stromdichte und Zeitintervalle können über eine Benutzerschnittstelle eingestellt und so der jeweiligen Gewässersituation angepasst werden. Die Energieversorgung wird über Photovoltaikmodule oder über Landstrom sichergestellt. »Mit den Lackentwicklungen im GANaS-Projekt sind wir auf dem Weg zu einer praktikablen Lösung«, so Füting.

Füting und seine Kollegen haben bei ihrer Entwicklung in erster Linie Behördenschiffe, etwa Ölhavarie- oder  Feuerlöschboote im Blick: Diese liegen die meiste Zeit im Hafen, müssen aber bei Bedarf sofort einsatzbereit sein. »Wenn so ein Schiff stark bewachsen ist, erreicht es die Geschwindigkeit gar nicht mehr, die es eigentlich bräuchte, um schnell zum Einsatzort zu gelangen«, gibt Füting zu bedenken.

Tests mit den ersten Prototypen in der Schiffswerft Barth verliefen vielversprechend: Ein Boot der Fischereiaufsicht in Mecklenburg-Vorpommern testet derzeit die Lackentwicklungen und hat bisher den Nachweis für Bewuchsfreiheit und Haltbarkeit erbracht. Nachfolgeprojekte sind bereits in Planung: »Da wird es dann vor allem darum gehen, unser System zu vervollkommnen und für die industrielle Fertigung und den Praxiseinsatz zu optimieren«, so Füting.

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Energie gewinnen mit Lenkdrachen

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 31.10.2012

Die Windenergie im deutschen Flachland gilt als ausgereizt. Diese These wollen Forscher widerlegen. Künftig sollen Lenkdrachen den Wind einfangen und die gewonnene Bewegungsenergie in Bodennähe in Strom umwandeln. Dies schafft neue Standorte.

Kitesurfen ist zum Trendsport geworden. Die Zahl der Anhänger, die sich für die Mischung aus Windsurfen und Drachenfliegen begeistern, wächst rasant. Wenn der Wind den Kite erfasst, trägt er den Surfer meterhoch empor. Extreme Sprünge sind möglich, maximaler Spaß ist gewährleistet. Doch ein moderner Lenkdrachen ist mehr als nur ein Sportgerät – er lässt sich auch als Energieerzeuger einsetzen. Die Flugbewegung des Drachen kann verwendet werden, um einen Generator anzutreiben, der die gewonnene kinetische Energie in elektrische Energie umwandelt. Diese pfiffige Idee hatten die Gründer der Berliner NTS Energie- und Transportsysteme GmbH. Für die Realisierung des Vorhabens holten sie das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart mit ins Boot. Mit der neuen Methode wollen die Projektpartner die starken Winde in bis zu 500 Metern Höhe nutzen.

»Die Kites fliegen in Höhen von 300 bis 500 Metern, wo sie den Wind einfangen sollen. Über etwa 700 Meter lange Seile sind sie mit Wägen verbunden, die sie über einen Schienenrundkurs ziehen. Aus der entstehenden Bewegungsenergie erzeugt ein Generator Strom. Die Steuerungs- und Messtechnik befindet sich auf den Wägen«, erläutert Joachim Montnacher, Diplom-Ingenieur am IPA, die Funktionsweise der »Kite-Kraftwerke«. Gegenüber konventioneller Windparktechnik mit Rotoren bieten diese eine Reihe von Vorteilen: Die Windgeschwindigkeit steigt mit zunehmender Höhe rapide an. In Bodennähe tendiert sie gegen Null. In 100 Metern Höhe liegt sie bei rund 15 Meter pro Sekunde, in 500 Metern beträgt sie schon über 20 Meter pro Sekunde. »Die Energieausbeute eines Kites ist deutlich größer als die eines Windrads, dessen Blattspitzen sich derzeit in Höhen bis ca. 200 Metern drehen. Verdoppelt sich die Windgeschwindigkeit, verachtfacht sich der Energiegehalt«, sagt Montnacher. »Acht Kites mit einer Größe von bis zu 300 Quadratmetern entsprechen – je nach Windgebiet – rechnerisch 20 konventionellen 1-Megawatt-Windkraftanlagen.«

Konstantere Windströme in 500 Metern Höhe

Anders als Windräder haben Kites nicht mit der Konstanz des Windes zu kämpfen. Denn mit zunehmender Höhe steigt auch dessen Verfügbarkeit. Eine Windgeschwindigkeit von 5 Metern pro Sekunde ist in 10 Metern Höhe nur zu ungefähr 35 Prozent und in 500 Metern Höhe schon zu 70 Prozent des Jahres zu messen. Somit kommen neue Standorte im Flachland für die Stromerzeugung durch Wind infrage. Ein weiterer Vorteil: Die Materialkosten für den Bau einer solchen Anlage sind deutlich geringer. Es wird kein hunderte von Tonnen schwerer Turm benötigt.

Die Aufgaben der Projektpartner sind klar definiert: Für das Design der Kites und den Bau der Höhenwindanlage ist die NTS GmbH verantwortlich, die Forscher vom IPA entwickeln die Steuerungs- und Messtechnik, dazu gehören die Seilausgabe- und -einzugsvorrichtung sowie der Seilspeicher. Mit der Steuereinheit werden unter anderem die Messsignale zur Seilsteuerung und Kite-Regelung ausgegeben. Eine in jeden Seilstrang eingesetzte horizontale und vertikale Winkelmessung sowie eine in den Seilverlauf integrierte Kraftmessung garantiert die präzise Steuerung des Kites, der sich in der Flugbahn auf einer liegenden Acht beziehungsweise einer sinusförmigen Kurve in der Höhe bewegt. Durch diese Flugmanöver erzeugt er eine hohe Zugkraft, die bis zu 10 Kilonewton (kN) beträgt. Ein 20 Quadratmeter großer Drachen kann also durchaus das Gewicht von einer Tonne ziehen. Jeweils ein Flugsystem zieht einen Wagen.

Auf einem Testgelände in Mecklenburg-Vorpommern konnten die Forscher vom IPA und die NTS GmbH bereits einen Kite auf einer 400 Meter langen geraden Strecke auf Jungfernflug schicken – gesteuert wurde er ähnlich wie ein Modellsegelflugzeug manuell per Fernbedienung. Im nächsten Schritt wollen die Experten die Teststrecke zu einem Rundkurs ausbauen. Computer sollen die Kites dann vollautomatisch steuern.

»Unseren Simulationen zufolge können wir mit einer NTS-Anlage mit 24 Kites 120 Gigawattstunden pro Jahr (GWh/Jahr) produzieren. Zum Vergleich: Eine 2-Megawatt-Windkraftanlage produziert rund 4 GWh/Jahr. Eine NTS-Anlage könnte also 30 2-Megawatt-Windkraftanlagen ersetzen und ungefähr 30 000 Haushalte versorgen«, sagt Guido Lütsch, Geschäftsführer der NTS GmbH. Nach den erfolgreichen Testflügen auf der Demonstrationsanlage sind die Projektpartner zuversichtlich, dass ihre Computersimulationen in der Realität Bestand haben. Erste Investoren sind bereits gewonnen.

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Mit weniger Sprit und Öl zum Ziel

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.10.2012

Kurz an die Tankstelle – und wieder ist das Portemonnaie um einiges leichter. Eine neue Herstellungstechnologie für Motoren soll den hohen Tank- und Ölkosten nun entgegenwirken: Sie sorgt dafür, dass Verbrennungsmotoren zwei bis drei Prozent weniger Sprit und deutlich weniger Öl verbrauchen. Zudem entfällt ein Herstellungsschritt.

Ohne Öl hat ein Motor schnell einen Totalschaden. Die zylindrischen Kolben brauchen ausreichend Schmiermittel, damit sie sich in den ebenfalls zylindrischen Laufbuchsen im Motorblock gut bewegen können. Dabei erhöhen zwei Effekte die Reibung: Zum einen verzieht sich die zylindrische Bohrung, wenn der Zylinderkopf aufgesetzt wird – man spricht von statischem Verzug. Zum anderen verformt sich die Bohrung durch die Temperatur, wenn der Motor läuft. Dieser thermische Verzug hängt von der Temperatur und der Art des Motors ab. Der Kolben läuft in der Bohrung also nicht komplett rund, an einigen Stellen eckt er an. Die Folge: Der Motor verbraucht deutlich mehr Öl und auch etwas mehr Benzin. Den statischen Verzug können die Automobilhersteller recht gut ausgleichen. Beim letzten Bearbeitungsgang, dem Honen, schrauben die Techniker eine Honbrille auf den Motor, die den montierten Zylinderkopf simuliert. Erst dann wird die Bohrung final bearbeitet. Schwierigkeiten dagegen bereitet der thermische Verzug: Ihn kann man bisher noch nicht ausgleichen.

Zwei bis drei Prozent Kraftstoff sparen

Forscher am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU haben dieses Problem nun gelöst – gemeinsam mit einem Automobil- und einem Werkzeugmaschinenhersteller. »Mit unserer Technologie können wir sowohl den statischen als auch den thermischen Verzug ausgleichen. Bei Verbrennungsmotoren sparen wir so zwei bis drei Prozent Kraftstoff ein. Zudem entfällt ein Bearbeitungsschritt bei der Motorherstellung«, sagt André Bucht, Abteilungsleiter am IWU. Der Clou der Technologie ist ein Werkzeug, das seine Form anpassen kann. Die Forscher errechnen zunächst, wie sich ein Motorblock verziehen wird: Sie ermitteln den statischen Verzug, indem sie einen Zylinderkopf aufschrauben und ausmessen, wie sich die Bohrung verformt hat. Zudem simulieren sie den thermischen Verzug bei einer Betriebstemperatur von 90 Grad Celsius, jeweils für die entsprechende Motorserie. Anhand dieser Berechnungen ändert das Honwerkzeug seine Form: Es bildet kleine Erhebungen aus und formt die Bohrung beim Bearbeiten so, dass sie später im laufenden Motor exakt rund ist. Somit kann sich der Kolben ohne allzuviel Reibung darin bewegen. Um die Werkzeugform anzupassen, haben die Forscher kleine Piezoaktoren in das Werkzeug eingebaut, die den Durchmesser entsprechend aufweiten. »So können wir beliebige Unrundheiten in die zu bearbeitende Bohrung bringen«, sagt Bucht.

Ein Prototyp des Werkzeugs existiert bereits. Mit ihm gelingt es den Forschern, die nötige Oberflächengenauigkeit zu erreichen und die üblichen Taktzeiten in der Motorfertigung zu halten – jeder Motor muss in 20 bis 30 Sekunden zusammengesetzt sein. Momentan laufen die Untersuchungen – in Zusammenarbeit mit einem Autobauer – auf dem Prüfstand. Hier wird ein mit dem Werkzeug gefertigter Motor getestet. Die Forscher prüfen: Wie weit reduziert sich die Reibung im Kolben? Wie weit sinkt der Kraftstoffverbrauch? Ist die Lebensdauer des Motors genauso lang wie die herkömmlich gebauter? Die Untersuchungen werden Ende des Jahres abgeschlossen. In einem weiteren Schritt wollen die Forscher das Werkzeug und den Herstellungsprozess so gestalten, dass es in die Fertigungslinien der Fahrzeugbauer aufgenommen werden kann.

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Plastikmüll in Gewässern

Presseinformation der LMU München vom 03.08.2012

Plastikmüll landet oft in Gewässern und verbleibt dort mit ungewissen Folgen für das Ökosystem. Weil diese Kontamination nun erstmals präzise analysiert werden kann, lassen sich auch die Auswirkungen auf Mensch und Tier besser untersuchen.

Synthetische Kunststoffe sind fester Bestandteil des modernen Lebens – nicht zuletzt als kaum abbaubarer Abfall. Ein Großteil davon gelangt über die Flüsse ins Meer. Im Nordpazifik etwa hat sich mit dem „Great Pacific Garbage Patch“ ein gigantischer schwimmender Teppich aus Plastikmüll gebildet, der eine Gefahr für die dort lebenden Organismen darstellt. Werden die bunten Kunststoffteile mit natürlicher Nahrung verwechselt und gefressen, können sie den Verdauungstrakt blockieren oder aber den Hormonhaushalt der Tiere massiv stören.

Kleinere Kunststoffpartikel im Millimeter- und Mikrometerbereich sind nicht weniger weit verbreitet und nicht weniger gefährlich, vor allem weil sie sich über „Bioakkumulation“ entlang der Nahrungskette anreichern. Bislang konnte die Verschmutzung aquatischer Ökosysteme durch Kunststoffe aber nicht exakt bestimmt und damit das Risiko nicht umfassend abgeschätzt werden. „Mit Hilfe einer neuen Methode können wir jetzt ökologisch relevante Plastikpartikel aus dem Sediment über eine Dichtetrennung quantifizieren“, sagt der LMU-Biologie Professor Christian Laforsch.

Plastik auf dem Prüfstand

Der „Munich Plastic Sediment Separator“ (MPSS) wurde zusammen mit Forschern der TU München aus dem Institut für Wasserchemie und Chemische Balneologie in München entwickelt. Das Gerät erlaubt, unterschiedliche Plastikpartikel bis zu einer Größe von weniger als einem Millimeter aus aquatischem Sediment zu extrahieren, zu quantifizieren und auch zu identifizieren. „Unsere Methode ist herkömmlichen Ansätzen deutlich überlegen“, sagt Hannes Imhof, der Erstautor der Studie.

Viele Anwendungen sind denkbar, denn eine Separations und-Identifikationsrate von bis zu 100 Prozent ist bislang unerreicht, auch etwa in der Recycling-Industrie. „Die Problematik rund um Plastikmüll in aquatischen Ökosystemen ist ein hochaktuelles und zukunftsträchtiges Forschungsgebiet“, sagt Laforsch. „Wir können jetzt die Belastung von Gewässern mit Plastik exakt nachweisen und damit die Auswirkungen auf die Lebewesen in diesen essentiellen und zugleich hochempfindlichen Lebensräumen untersuchen. Über das Trinkwasser und Speisefische gehört dazu natürlich nicht zuletzt auch der Mensch.“ (suwe)

Publikation:
Limnology and Oceanography: Methods, Juli 2012

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Sonnenstrom bei Tag und Nacht

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 09.08.2012

KIT bändigt die Volatilität erneuerbarer Energien durch modernste Speichersysteme

Energiespeicher sind eine der Schlüsseltechnologien der Energiewende. Denn sie können das wechselnde Stromangebot von Photovoltaik und Windkraft mit dem Bedarf der Verbraucher in zeitliche Deckung bringen. Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entstehen mehrere Pilotanlagen aus Solarzellen, Kleinwindanlagen, Lithium-Ionen-Batterien und Leistungselektronik, die zeigen, wie Lastspitzen im Stromnetz ausgeglichen werden können und wie in Zukunft die regenerative Inselnetz-Stromversorgung aussehen könnte.

„Hochleistungsbatterien auf Lithium-Ionen-Basis können schon heute sinnvoll im Stromnetz eingesetzt werden“, stellt Dr. Andreas Gutsch fest, Koordinator des Projekts Competence E. Als stationäre Speicher können sie Sonnen- oder Windstrom speichern bis er vom Netz abgerufen wird. „Richtig eingesetzt können Batterien also Last- und Produktionsspitzen in größerem Umfang ausgleichen und somit wirtschaftlich Sinn machen.“

Das Projekt Competence E entwickelt derzeit mehrere Pilotsysteme aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen mit gekoppelter Lithium-Ionen-Batterie. Im Rahmen der 2-jährigen Entwicklungsphase wurde ein weltweites Batterie-Screening durchgeführt. „Jetzt wissen wir, welche Lithium-Ionen-Zellen die besten für stationäre Speicher sind“, so Gutsch. Die erste Ausbaustufe der modularen Systeme wird bis Ende 2012 auf dem Gelände des Campus Nord des KIT errichtet und eine Systemleistung von 50 Kilowatt besitzen.

Ein neu entwickelter, getriebeloser Windgenerator, der besonders für Schwachwindgebiete geeignet ist, ergänzt die Stromerzeugung der Photovoltaikanlage vor allem in den Wintermonaten. Das Gesamtsystem der ersten Ausbaustufe kann den Strombedarf eines mittelständischen Gewerbebetriebs ganzjährig decken. Langfristig soll das gewonnene Knowhow dazu dienen, sowohl kleinere Speichersysteme für den Privathaushalt als auch größere Systeme für den Industriebedarf zu entwickeln.

Herzstück der stationären Energiespeicher ist neben der Batterie eine angepasste Leistungselektronik, die das Laden und Entladen der Batterie innerhalb von nur 2 Stunden ermöglicht. Somit kann der stationäre Speicher als Zwischenspeicher zum Spitzenlastausgleich eingesetzt werden: In Schwachlastzeiten erfolgt die Einspeisung der Sonnenenergie und des Windstroms in die Batterie, wohingegen zu Spitzenlastzeiten die Energie aus der Photovoltaikanlage, dem Windgenerator und der Batterie in das Netz eingespeist wird. Neben dem Lastmanagement ist die Nachtentladung von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für Nutzer, denn dadurch kann der Eigenverbrauch an Photovoltaikstrom – erheblich gesteigert werden, wenn die Anlage etwa zur Versorgung eines Eigenheims oder einer Wohnanlage genutzt wird. Die Batterie wird nachmittags geladen und bei Dunkelheit bis zum nächsten Morgen entladen, um Elektrogeräte und Licht direkt vor Ort netzunabhängig zu betreiben.

„Das Zusammenspiel von Solarzellen, Windgenerator, Speichern und Netz zu regeln ist die zentrale Herausforderung“, erläutert Gutsch. Bei der Vielzahl der verschiedenen Betriebszustände muss die Systemsteuerung stets sicher und passgenau eingreifen. Nur so kann die Lebenserwartung und Leistungsfähigkeit der Lithium-Ionen-Batterien langfristig gewährleistet werden und damit die Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems. „Nur mit einem detaillierten Batterie-Knowhow kann man so eine Anlage 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr steuern, sodass ein jahrzehntelanger wirtschaftlicher und verlässlicher Betrieb möglich wird“, stellt Gutsch klar. Nach den ersten Funktionstests werden zusammen mit der Industrie konkrete Anwendungssysteme in verschiedenen Leistungsklassen entstehen.

Trotz der hohen Kosten für Lithium-Ionen-Batterien kann sich diese Technologie bereits heute lohnen, vor allem in Regionen die keine stabilen Stromnetze haben. Kleinere und größere Inseln zum Beispiel werden oftmals noch durch Dieselgeneratoren versorgt. In Afrika und Indien sind ganze Landstriche ohne Elektrizität. Eine Photovoltaikanlage mit gekoppelter Lithium-Ionen-Batterie kann hier bei entsprechendem Systemdesign und Lastprofil profitabel eingesetzt werden. Bei weiter sinkenden Kosten für die Systemkomponenten werden wir auch in Deutschland „Battery Parity“ erreichen, so wie wir heute schon für den Privatkunden „Grid Parity“ bei Photovoltaikstrom haben. (kes)

Externer Link: www.kit.edu