Einzelne Zellen auf dem Präsentierteller

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.06.2017

Je mehr Tumorzellen sich im Blut auf Wanderschaft befinden, desto größer die Gefahr einer Metastasenbildung. Im Blut zirkulierende Tumorzellen sind ein wichtiger Indikator dafür, ob und wie eine Therapie wirkt. Fraunhofer-Forscher haben jetzt einen Mikrolochchip entwickelt, der eine zuverlässige Identifizierung und Charakterisierung der Zellen ermöglicht – und das innerhalb von nur wenigen Minuten.

Mit dem herkömmlichen Analyseverfahren FACS (fluorescence-activated cell sorting) lässt sich die Anzahl der im Blut zirkulierenden Tumorzellen nur grob bestimmen. »Bei FACS werden die Zellen farblich markiert, sortiert und in verschiedenen Behältern gesammelt«, erklärt Dr. Thomas Velten, dessen Team den neuen Mikrolochchip am Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT entwickelt hat. Das Problem: Die Anzahl der Farben für die Markierung ist begrenzt. »Irgendwann überlappen sie sich und man kann sie nicht mehr voneinander unterscheiden. Außerdem gibt es nicht für alle Tumorzellen gute Marker, daher werden sie mit FACS nicht erfasst.« Weiterhin lässt sich beim FACS ein Messergebnis nicht eindeutig einer bestimmten Zelle zuordnen, da der Auffangbehälter Tausende von Zellen enthält.

Zellen werden mit Unterdruck fixiert

»Mit unserem neuen Mikrolochchip lassen sich die Zellen aus der Probe problemlos ›einfangen‹, für eine anschließende Analyse einzeln positionieren und nach der Analyse auch einzeln entnehmen. Denn hier liegen die Zellen geordnet nebeneinander wie auf einem Präsentierteller. Jede Zelle sitzt auf einem Loch, kann aber nicht durchrutschen. Sie wird von einem leichten Unterdruck angesaugt und fixiert«, so Velten.

In einem gerade zu Ende gegangenen Verbundprojekt zur Identifikation zirkulierender Tumorzellen erfolgte die Zellanalyse in zwei Schritten: Zunächst wurden verdächtige Zellen mit Hilfe eines Mikroskops ausgewählt. Dann wurden sie mit der zeitaufwändigeren Methode der Raman-Spektroskopie eingehend untersucht. Dabei werden die Zellen mit dem Licht eines bestimmten Frequenzbereichs bestrahlt; anhand der Streuung lassen sich Tumorzellen sicher identifizieren. Mit dem neuen IBMT-Chip aus Siliziumnitrid ist das kein Problem – mit Chips aus Glas oder Kunststoff unmöglich, da die Materialien die ramanspektroskopische Messung stören.

Chip bietet Platz für 200 000 Zellen

Ein weiterer Vorteil des neuen Mikrolochchips: Er bietet Platz für 200 000 Zellen, die innerhalb von wenigen Minuten auf ihr Loch rutschen. »Nur wenn die Probe groß genug ist, kann man zirkulierende Tumorzellen überhaupt finden, weil sie im Blut in nur sehr kleiner Menge vorkommen. Ältere Chips haben rund 1000 Löcher. Das ist für diese Anwendung zu wenig«, erläutert Velten.

Die Tumorzellen auf dem Chip können mit einer Mikropipette einzeln entnommen und weiter untersucht werden. Denn der Unterdruck ist so gewählt, dass er die Zellen zwar festhält, aber nicht beschädigt. Eine molekularbiologische Analyse kann helfen Hinweise zu finden, warum ein Medikament bei den Tumorzellen gewirkt oder versagt hat.

Für den neuen Mikrolochchip sind auch zahlreiche andere Anwendungen denkbar, beispielsweise als Selektionssystem für Protein-produzierende Zellen, die für die Produktion von Biopharmazeutika wie Insulin notwendig sind. Zudem lassen sich Mikrochips mit exakt definierten Mikroporen als Substrate für In-vitro-Modelle von physiologischen Barrieren wie die Blut-Hirn-Schranke oder die Darmbarriere verwenden. Solche Barrieremodelle sind für die Entwicklung von Medikamenten außerordentlich interessant.

Der nächste Schritt ist es, Partner für die Adaptierung der Technologieplattform an verschiedene Anwendungen zu finden.

Externer Link: www.fraunhofer.de

Designerviren stacheln Immunabwehr gegen Krebszellen an

Medienmitteilung der Universität Basel vom 26.05.2017

Schweizer Forscher haben künstliche Viren gebaut, die gezielt gegen Krebserkrankungen eingesetzt werden können. Diese Designerviren alarmieren das Immunsystem und leiten es an, Killerzellen in den Kampf gegen den Krebs zu schicken. Die Ergebnisse von Basler Virologen und Genfer Immunologen, veröffentlicht im Fachblatt «Nature Communications», bilden eine Grundlage für neuartige Krebstherapien.

Die meisten Krebszellen regen die körpereigene Abwehr, das Immunsystem, eher schlecht an und können daher ohne merkliche Gegenwehr wachsen. Ganz anders bei Virusinfektionen: Die eindringenden Viren führen im Körper zur Freisetzung von Alarmsignalen, worauf das Immunsystem alle verfügbaren Mittel zum Kampf gegen den Eindringling einsetzt.

Verstärkter Abwehrkampf

Immuntherapien, welche das Abwehrsystem des Körpers «enthemmen», werden seit einigen Jahren erfolgreich zur Krebsbehandlung eingesetzt. Dadurch wird auch sein halbherzig geführter Kampf gegen die Krebszellen verstärkt. Doch das Immunsystem dazu anzustacheln, dass es spezifisch, gezielt und mit aller Kraft gegen Krebszellen vorgeht, blieb ein weitgehend unerreichtes Ziel. Den Forschenden um Prof. Daniel Pinschewer von der Universität Basel und Prof. Doron Merkler von der Universität Genf ist es nun gelungen, neuartige Designerviren herzustellen, die genau dies bewirken sollen.

Die Forschenden haben die künstlichen Viren aus dem lymphozytären Choriomeningitis-Virus (LCMV) gebaut, welches Nagetiere, aber auch Menschen befallen kann. Sie waren für Mäuse zwar ungefährlich, lösten bei ihnen aber die für Virusinfektionen typischen Alarmsignale aus. Zudem bauten die Biomediziner den Viren besondere Eiweisse ein, die sonst nur in Krebszellen vorkommen. Bei einer Infektion mit dem Designervirus konnte das Immunsystem diese Krebseiweisse nun als gefährlich erkennen.

Die einzigartige Kombination von Alarmsignalen und dem Eiweiss von Krebszellen brachte das Immunsystem dazu, eine schlagkräftige Armee von zytotoxischen T-Lymphozyten herzustellen, die auch Killerzellen genannt werden. Diese konnten die Krebszellen anhand ihres Eiweisses gezielt erkennen und erfolgreich bekämpfen.

Hoffnung auf neue Krebstherapien

Die Behandlungsmöglichkeiten für Krebspatienten haben sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt. Dennoch sprechen viele Krebsarten nach wie vor unzureichend auf die derzeit verfügbaren Therapien an, wie die Forschenden schreiben. «Wir erhoffen uns, dass unsere neuen Erkenntnisse und Technologien bald in der Krebstherapie Anwendung finden und einen Beitrag leisten, die Behandlungserfolge bei Krebs weiter zu steigern», sagt der Letztautor der Studie, Prof. Daniel Pinschewer.

Originalbeitrag:
Sandra M. Kallert, Stephanie Darbre, Weldy V. Bonilla, Mario Kreutzfeldt, Nicolas Page, Philipp Müller, Matthias Kreuzaler, Min Lu, Stéphanie Favre, Florian Kreppel, Max Löhning, Sanjiv A. Luther, Alfred Zippelius, Doron Merkler, & Daniel D. Pinschewer
Replicating viral vector platform exploits alarmin signals for potent CD8+ T cell-mediated tumour immunotherapy
Nature Communications (2017), doi: 10.1038/ncomms15327

Externer Link: www.unibas.ch

High Tech aus Oberösterreich: Künstliche Nerven für schnellere Heilung

Presseaussendung der JKU Linz vom 19.05.2017

Gemeinsam mit oberösterreichischen Forschungseinrichtungen haben WissenschaftlerInnen der Johannes Kepler Universität ein Verfahren entwickelt, bei dem durch künstliche Nervenzellen die Regeneration verletzten Gewebes beschleunigt werden soll. Der revolutionäre Ansatz wurde nun bei einem internationalen Wettbewerb als beste Life-Science-Geschäftsidee ausgezeichnet.

Theoretische Erkenntnisse praktisch umzusetzen ist eine Stärke der Kepler Universität. Daher gründete Dr. Klaus Schröder gemeinsam mit den JKU-Professoren Oliver Brüggemann und Ian Teasdale (beide Institut für Chemie der Polymere) 2016 das Unternehmen NP Life Science Technologies KG. Die Wissenschaftler entwickeln ein bioabbaubares Implantat, das die Regeneration geschädigter, getrennter peripherer Nerven unterstützen wird. Es hat eine Länge von einigen Millimetern und besteht aus zahlreichen parallel ausgerichteten Mikrokanälen.

„Es bildet damit sozusagen die Struktur eines Nervs nach. Den mikrometer-großen regenerierenden echten Nervenzellen und deren Ausläufern bietet es eine unmittelbare Wachstumsrichtung zwischen den Nervenenden. Die schnellere Regeneration ist vorteilhaft für PatientInnen, da sie mit einer schnelleren Ausheilung und einer dauerhaften Wiederherstellung der Lebensqualität einhergeht“, erklärt Univ.-Prof. Brüggemann.

Patent erteilt

Das Patent für dieses Verfahren  wurde in Österreich bereits erteilt. „Der Erfolg beruht darauf, dass wir auf Basis des bioanorganischen Kunststoffs Polyphosphazen organähnliche Strukturen nachbilden lassen, die in die Zellen des Körpers einwandern und geschädigte und zerstörte Gewebe regenerieren. Polyphosphazene bieten den Vorteil, dass man sie chemisch sehr gut modifizieren und sie somit den biologischen Bedürfnissen eines Gewebes anpassen kann“, erklärt Univ.-Prof. Teasdale.

Auszeichnung als beste Idee

Bereits jetzt kann das Start-up-Unternehmen einen großen Erfolg verbuchen: Am 27. April wurde die NP Life Science Technologies KG mit dem Best of Biotech Award Phase 1 ausgezeichnet. 31 Einreichungen aus drei Ländern wurden von der Fachjury eingehend geprüft. „Wir freuen uns, dass unser Projekt so erfolgreich ist“, erklärt NP-Life-Science-Technologies-CEO Dr. Klaus Schröder. „Nun hoffen wir, dass wir bald unseren ersten Prototypen für Nerven präsentieren können.“

High Tech aus Oberösterreich soll somit Menschen auf aller Welt helfen. „Schade, dass wir der einzige Wettbewerbsteilnehmer aus Oberösterreich waren“, bedauert Schröder, und hofft, dass die Vision eines „Medical Valley“ im Bundesland Wirklichkeit wird.

NP Life Science Technologies KG ist ein Unternehmen, das sich der Erforschung und Entwicklung von funktionalisierten Polymerstrukturen widmet. Das umfasst u.a. die Entwicklung von Medizinprodukten, die den menschlichen Organismus bei der Regeneration traumatisierter Gewebe unterstützten und die Funktionalität wiederherstellen. (Christian Savoy)

Externer Link: www.jku.at

Smarte Displays aus dem Drucker

Pressemitteilung der HAW Landshut vom 08.05.2017

Ein Shirt, das mit der Umwelt kommuniziert: Elektrolumineszenz-Displays könnten das bald möglich machen. Die Folien lassen sich in Kleidung integrieren. Maximilian Wurzer hat in seiner Bachelorarbeit solche Displays entwickelt.

Smarte Fitnessuhren, die den Puls messen und Schritte zählen, sind längst nichts Neues mehr. Die Minicomputer, die man bisher am Handgelenk oder in der Tasche trägt, werden jetzt in die Kleidung integriert. Auf dem Display eines smarten Shirts steht jeden Tag eine neue Botschaft, die der Träger nach Stimmung programmieren und darstellen kann – zum Beispiel über Elektrolumineszenz-Displays, kurz ELDs. Der Clou dieser Technologie: „Die Elektronik wird einfach auf einen flexiblen Träger gedruckt, zum Beispiel auf eine Folie“, erklärt Prof. Dr. Artem Ivanov von der Fakultät Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule Landshut. Bisher kommen ELDs hauptsächlich als Anzeigefeld unter schwierigen Bedingungen in der Industrie zum Einsatz, zum Beispiel bei hoher Luftfeuchtigkeit oder mechanischen Belastungen und sind entsprechend teuer.

„Die Auflösung kann zwar noch lange nicht mit Smartphones oder Tablets mithalten“, so Ivanov. „Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass die ELDs in smarter Kleidung zum Einsatz kommen könnten, denn sie sind biegsam, robust und günstig zu produzieren.“ Wie das aussehen könnte, hat Maximilian Wurzer in seiner Bachelorarbeit untersucht: „Es ging darum herauszufinden, wie man ELDs mit dem aktuellen Stand der Technik sinnvoll, sicher und schick in Kleidung integrieren kann“, so Wurzer, der Wirtschaftsingenieurwesen studiert hat.

ELDs: biegsam, robust und günstig

Dafür hat er zunächst das rund fünf Zentimeter lange Display entworfen und aufgebaut, das später Caps und T-Shirts zieren sollte. Es besteht aus fünf Schichten, die er nacheinander im Labor auf die Trägerfolie aufgedruckt hat. „Man muss sich das wie Siebdruck vorstellen. Für jede Schicht wird eine Siebschablone hergestellt. Darauf gibt man die Paste und zieht den Überschuss wieder ab“, erklärt Wurzer. „Ohne die Hilfe der Labormeister wäre das gar nicht möglich gewesen. Sie wissen genau, welche Pasten sich eignen, wie schnell man sie auftragen oder wie man die Parameter an der Maschine einstellen muss.“

Schicht für Schicht sind die Displays entstanden. Das Kernstück sind die zwei Elektrodenschichten: Legt man dort Wechselstrom an, entsteht ein elektrisches Feld. Das bewirkt, dass die dazwischenliegende Phosphorschicht, die aus verbundenen Pixeln besteht, leuchtet und sich als blaue Formen oder Schriftzüge auf dem Display zeigt. Um Kurzschlüsse zu vermeiden, hat Wurzer zwei weitere Schichten aus isolierendem Material aufgebracht. „Auf manche Displays haben wir noch einen blauen Farbfilter appliziert. Das erhöht den Kontrast des blauen Leuchtstoffs“, so Wurzer.

Spannung bringt Display zum Leuchten

Spannung an den Elektroden bringt das Display zum Leuchten. Der Student hat dafür eine eigene Treiberschaltung gebaut. Darin kann er programmieren, wann welches Pixel leuchten soll. „Das ist auch das Besondere an der Arbeit. Bisher gab es keine kompakten Treiberschaltungen für pixelbasierte ELDs, auf denen man unterschiedliche Inhalte zeigen kann. Das ist etwas ganz Neues“, so der betreuende Professor Ivanov. Daher musste Wurzer sich auch mit den Sicherheitsvorgaben befassen: „Je höher die Spannung desto heller leuchtet das ELD. Doch ist sie zu hoch, halten die Bauteile das nicht aus oder es ist zu gefährlich, das Display am Körper zu tragen. Ist sie zu niedrig, leuchtet das Display nicht mehr“, fasst Wurzer zusammen. Er hat daher Widerstände und einzelne Bauteile der Schaltung so eingestellt, dass man sie sicher berühren kann: „Leider hat das Display dadurch etwas an Helligkeit eingebüßt.“ Die Folge: Im Dunkeln und in künstlich beleuchteten Räumen kann man gut erkennen, welcher Schriftzug über die Displays läuft. Für einen Sonnenplatz reicht die Leuchtkraft der Phosphorschicht nicht ganz.

Wurzer hat seine ELDs auf einen Rucksack, Shirts und Caps integriert. „Die Technologie lässt sich weiterentwickeln und mit anderer Steuerungselektronik koppeln“, meint er. Zum Beispiel in Sachen E-Health: „Wenn ein Diabetespatient zu weit in den Unterzucker fällt und bewusstlos wird, könnte das Zuckermessgerät über einen Funksender das Display aktivieren, das im Shirt integriert ist.“ Darauf würde dann erscheinen: „Diabetespatient im Unterzucker, bitte rufen Sie einen Notarzt.“ Wie die kleinen Bildschirme die Medizintechnik voranbringen könnten, könnten weitere Themen für Abschlussarbeiten an der Hochschule Landshut sein.

Externer Link: www.haw-landshut.de