High-Tech Schmierstoff bildet sich bei Bedarf von selbst

Presseaussendung der TU Wien vom 14.06.2023

Genau dort, wo die Reibung hoch ist, entstehen Schmierstoffe, die für geringere Reibung sorgen: An der TU Wien gelang das mit speziellen 2D-Materialien. Wichtig ist das für die Weltraumtechnik.

Unser Körper hat mit Maschinen einiges gemeinsam: Wir haben bewegliche Gelenke, es kommt zu Reibung und Verschleiß, man braucht daher geeignete Schmierstoffe. Der Körper produziert sie auf natürliche Weise ganz von selbst – etwas Ähnliches ist nun auch bei Maschinen möglich.

Durch die Wahl passender Materialien kann man erreichen, dass sich bei mechanischer Beanspruchung spezielle 2D-Materialien bilden, die höchst effektiv die Reibung verringern – hohe Reibung führt also ganz von selbst zu einer Verringerung der Reibung, das System reguliert sich selbst. Speziell für Anwendungen im Weltraum, wo flüssige Schmierstoffe versagen und keine Wartung möglich ist, birgt diese neue Technik große Vorteile.

Dünne Schichten, die übereinander gleiten

Die Tribologie, die Wissenschaft von Reibung und Verschleiß, befasst sich seit Jahren intensiv mit sogenannten 2D-Materialien – mit Partikeln, die nur aus einer oder aus wenigen Atomschichten bestehen. Zu dieser Materialklasse zählen etwa Molybdändisulfid oder Molybdändiselenid – in der Mitte befindet sich eine Schicht aus Molybdän-Atomen, darüber und darunter sind Schwefel- oder Selen-Atome angekoppelt.

„Solche ultradünnen Plättchen können mit sehr wenig Widerstand übereinander gleiten“, sagt Dr. Philipp Grützmacher vom Institut für Konstruktionswissenschaften und Produktentwicklung der TU Wien. „Daher sind diese Materialien ein hervorragender Schmierstoff.“ Philipp Grützmacher forscht im Team von Prof. Carsten Gachot, der den Forschungsbereich für Tribologie an der TU Wien leitet.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Schmierstoffen wie Öl, die in flüssigem Zustand verwendet werden, können 2D-Materialien in Pulverform verwendet werden. Das ist besonders dann ein großer Vorteil, wenn eine Maschine bei hohen Temperaturen oder im Vakuum funktionieren soll, wo Flüssigkeiten rasch verdampfen würden. „Deshalb spielen solche Schmierstoffe ganz besonders in der Weltraumtechnik eine wichtige Rolle, sie wurden etwa beim James-Webb-Weltraumteleskop verwendet“, sagt Carsten Gachot.

Bei gewöhnlichen Bedingungen auf der Erde sind solche Materialien aber schwer zu handhaben. Durch Kontakt mit Sauerstoff oder Luftfeuchtigkeit können sie nämlich oxidieren und werden damit unbrauchbar. „Optimal ist also ein 2D-Material, das genau dort erst entsteht, wo es gebraucht wird“, sagt Philipp Grützmacher. „Und genau das haben wir nun entwickelt.“

Reibung erzeugt Schmierstoff

Man nimmt dazu einfach ein mechanisches Bauteil aus Stahl und überzieht es mit einer wenige Mikrometer dünnen Schicht aus Molybdän. In Pulverform wird dann Selen hinzugefügt. „Bei mechanischer Beanspruchung, etwa wenn zwei solche Bauteile aneinander reiben, kommt es zu einer tribochemischen Reaktion, Selen und Molybdän verbinden sich zu Molybdändiselenid-Flakes, die dann als Schmierstoff wirken“, erklärt Grützmacher. „Unsere Messungen zeigen: Sobald starke Reibung auftritt, wird der Schmierstoff produziert, die Reibung nimmt sofort drastisch ab und sinkt im Verlauf des Experiments weiter.“ Mit speziellen bildgebenden Verfahren konnte man nachweisen, dass dieser Effekt tatsächlich durch die Entstehung von ultradünnen Molybdänselenid-Schichten zustande kommt.

Im Gegensatz zu Beschichtungen aus vorab synthetisierten 2D Materialien (z.B. MoS2) zersetzen sich die Ausgangsmaterialien (Molybdän und Selenpulver) für den Prozess in Kontakt mit Sauerstoff oder Luftfeuchtigkeit nicht. Dadurch erweitert sich der Einsatzbereich dieses Schmierstoffsystems deutlich. Interessant ist diese Technologie nicht nur für Weltraum-Anwendungen, sondern für viele Einsatzbereiche, in denen flüssige Schmierstoffe Probleme verursachen – etwa, weil hohe Temperaturen auftreten, weil der Prozess im Vakuum stattfinden soll, oder weil es bei der Verwendung von Ölen zu Kontaminationen kommen könnte.

Ein weiterer wichtiger Vorteil: Der Schmierstoff wird immer genau dort gebildet, wo er benötigt wird, was durch einfaches Zuführen von Pulver auch jederzeit wiederholt werden kann. Somit wurde ein deutlich effizienteres Schmierstoffsystem mit längerer Lebensdauer geschaffen. (Florian Aigner)

Originalpublikation:
P. Grützmacher et al., Se Nano-Powder Conversion into Lubricious 2D Selenide Layers by Tribochemical Reactions, Advanced Materials (2023).

Externer Link: www.tuwien.at

Nanomaterialien: Glas sinterfrei in 3D gedruckt

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 07.06.2023

Am KIT entwickeltes Verfahren kommt mit relativ niedrigen Temperaturen aus und ermöglicht hohe Auflösungen für Anwendungen in Optik und Halbleitertechnik – Publikation in Science

Nanometerfeine Strukturen aus Quarzglas, die sich direkt auf Halbleiterchips drucken lassen, erzeugt ein am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickeltes Verfahren. Ein hybrides organisch-anorganisches Polymerharz dient als Ausgangsmaterial für den 3D-Druck von Siliziumdioxid. Da das Verfahren ohne Sintern auskommt, sind die dazu erforderlichen Temperaturen deutlich niedriger. Zugleich ermöglicht eine höhere Auflösung Nanophotonik mit sichtbarem Licht. Das Forschungsteam berichtet in der Zeitschrift Science.

Das Drucken von aus reinem Siliziumdioxid bestehendem Quarzglas in mikro- und nanometerfeinen Strukturen eröffnet neue Möglichkeiten für viele Anwendungen in Optik, Photonik und Halbleitertechnik. Doch bis jetzt dominieren dabei Techniken, die auf dem traditionellen Sintern basieren. Die für das Sintern von Siliziumdioxid-Nanopartikeln erforderlichen Temperaturen liegen über 1 100 Grad Celsius – viel zu heiß für das direkte Abscheiden auf Halbleiterchips. Ein Forschungsteam unter Leitung von Dr. Jens Bauer vom Institut für Nanotechnologie (INT) des KIT hat nun ein neues Verfahren entwickelt, transparentes Quarzglas mit hoher Auflösung und hervorragenden mechanischen Eigenschaften bei deutlich niedrigeren Temperaturen herzustellen.

Hybrides organisch-anorganisches Polymerharz dient als Ausgangsmaterial

Bauer, der am KIT die Emmy Noether-Nachwuchsgruppe „Nanoarchitected Metamaterials“ leitet, und seine Kolleginnen und Kollegen von der University of California Irvine und dem Medizintechnikunternehmen Edwards Lifesciences in Irvine stellen das Verfahren in der Zeitschrift Science vor. Als Ausgangsmaterial dient ein eigens entwickeltes hybrides organisch-anorganisches Polymerharz. Dieses flüssige Harz besteht aus sogenannten polyedrischen oligomeren Silsesquioxan-Molekülen (POSS): Winzige käfigartige Siliziumdioxidmoleküle sind mit organischen funktionellen Gruppen versehen.

Sobald die vollständig in 3D gedruckte und vernetzte Nanostruktur geformt ist, wird sie an der Luft auf eine Temperatur von 650 Grad Celsius erhitzt. Dabei werden die organischen Komponenten ausgetrieben, und gleichzeitig verbinden sich die anorganischen POSS-Käfige, sodass eine durchgehende Mikro- oder Nanostruktur aus Quarzglas entsteht. Die erforderliche Temperatur ist nur halb so hoch wie bei Verfahren, die auf dem Sintern von Nanopartikeln beruhen.

Strukturen halten auch schwierigen chemischen und thermischen Bedingungen stand

„Die niedrigere Temperatur erlaubt es, robuste, transparente und frei geformte optische Glasstrukturen direkt auf Halbleiterchips zu drucken, und zwar mit der für die Nanophotonik mit sichtbarem Licht erforderlichen Auflösung“, erklärt Bauer. Neben der ausgezeichneten optischen Qualität weist das so hergestellte Quarzglas hervorragende mechanische Eigenschaften auf und lässt sich leicht verarbeiten.

Das Team aus Karlsruhe und Irvine druckte mit dem POSS-Harz viele verschiedene Strukturen im Nanomaßstab, darunter photonische Kristalle aus freistehenden, 97 Nanometer starken Balken, parabolische Mikrolinsen und ein mehrlinsiges Mikroobjektiv mit nanostrukturierten Elementen. „Unser Verfahren ermöglicht Strukturen, die auch schwierigen chemischen oder thermischen Bedingungen standhalten“, erläutert Bauer.

„Die von Jens Bauer geleitete Gruppe am INT gehört zum Exzellenzcluster 3DMM2O“, sagt Professor Oliver Kraft, Vizepräsident Forschung des KIT. „Die nun in Science publizierten Forschungsergebnisse sind nur ein Beispiel dafür, wie hervorragend die konsequente Nachwuchsförderung innerhalb des Clusters funktioniert.“ Das Exzellenzcluster „3D Matter Made to Order“, kurz 3DMM2O, ein gemeinsames Cluster des KIT und der Universität Heidelberg, verfolgt in der Verbindung von Natur- und Ingenieurwissenschaften einen stark interdisziplinären Ansatz. Sein Ziel ist, additive 3D-Fertigungsverfahren auf die nächste Stufe zu bringen – von der Ebene der Moleküle bis hin zu makroskopischen Abmessungen. (or)

Originalpublikation:
J. Bauer, C. Crook, and T. Baldacchini: A sinterless, low-temperature route to 3D print nanoscale optical-grade glass. Science, 2023. DOI: 10.1126/science.abq3037

Externer Link: www.kit.edu

technologiewerte.de – MOOCblick Juni 2023

Spannende Themen, herausragende Dozenten und flexible Lernmöglichkeiten tragen zum wachsenden Erfolg der Massively Open Online Courses (MOOCs) bei – offene, internetgestützte Kurse mit einer Vielzahl an Teilnehmern rund um den Globus.

Folgender Kurs – zu finden auf der MOOC-Plattform edX – sollte einen Blick wert sein:

Machine Learning Fundamentals
Sanjoy Dasgupta (UC San Diego)
Start: flexibel / Arbeitsaufwand: 80-100 Stunden

Externer Link: www.edx.org

Erstklassiger Klang für jedes Ohr

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.06.2023

Ein Audio-Device zu entwickeln, das allen Menschen ein optimales Klangerlebnis bietet, ist nicht einfach. Die große Herausforderung liegt darin, dass jeder Mensch individuelle Hörpräferenzen hat. Daher hat der Institutsteil Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie IDMT adaptive Algorithmen sowie intuitive Verfahren zur Einstellung des persönlichen Klangs entwickelt. Mit einem Kunden konnte die Technologie nun auch in Kopfhörer integriert werden.

Jeder Mensch nimmt Klang anders wahr und hat seine eigenen, individuellen Hörvorlieben – auch unabhängig von Alter und Hörvermögen. Die Werkseinstellungen von Audiolösungen können dementsprechend nicht für jeden Hörenden gleichermaßen ansprechend sein. Auch die gängigen Einstellmöglichkeiten stoßen hier an ihre Grenzen. Der Oldenburger Institutsteil HSA des Fraunhofer IDMT hat ein Verfahren und Algorithmen entwickelt, um eine einfache und intuitive Einstellung der Klangvorlieben, abseits von komplexen und starren Equalizern, zu ermöglichen. Nutzerinnen und Nutzer wählen auf einer intuitiv bedienbaren Oberfläche entlang der Instrumentierung eines Beispielmusikstücks spielerisch den favorisierten Sound. Dazu fragt ein virtueller Assistent in wenigen Schritten nach Klangvorlieben für normale und leise Wiedergabelautstärken unterschiedlicher Instrumente. Einmal eingestellt, wirkt sich das Soundprofil positiv auf den Gesamtklang aus. Die Technologie kann sowohl in Geräte mit Audiowiedergabe wie Fernseher, Smartphones, Soundbars oder Infotainment-Systeme im Auto integriert werden, als auch auf Streaming- oder Medienplattformen.

Mehr als technisch perfekter Klang

Bei der Entwicklung der Klangpersonalisierung haben die Fraunhofer-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler insbesondere auf eine nutzerfreundliche Anwendung der Technologie geachtet. »Jeder Mensch hat eine persönliche Klangpräferenz. Gängige Einstellmöglichkeiten für Sound berücksichtigen nicht, wie sich das eigene Lautheitsempfinden auf diese Präferenzen auswirkt – oder sie wirken aufgrund ihrer Komplexität eher abschreckend auf Nutzerinnen und Nutzer und werden daher nicht genutzt. Diese Hürden haben wir reduziert, da unsere Technologie auch ohne Kenntnisse über Pegel und Frequenzen bedient werden kann und darauf abzielt, den individuell besten Klang bei jeder Wiedergabelautstärke herzustellen«, stellt Dr. Jan Rennies-Hochmuth, Gruppenleiter Persönliche Hörsysteme am Fraunhofer IDMT fest.

»Wir sind froh, die von uns auch als YourSound bezeichnete Technologie in der Produktkategorie Kopfhörer umgesetzt zu haben und damit einer breiteren Nutzerschaft zugänglich zu machen. Das technologische Konzept für die schnelle und individuelle Klanganpassung konnten wir zuvor erfolgreich für Multimedia-Systeme von Pkw adaptieren«, resümiert Dr. Jens-E. Appell, Institutsteilleitung Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA.

Die Technologie zur Personalisierung des Klangs konnte mit der Sonova Holding AG nun erfolgreich in Consumer-Kopfhörer der Marke Sennheiser implementiert werden.

Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA am Fraunhofer IDMT in Oldenburg

Der im Jahr 2008 unter der Leitung von Prof. Birger Kollmeier und Dr. Jens-E. Appell gegründete Institutsteil Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie IDMT steht für marktnahe Forschung und Entwicklung mit Schwerpunkten auf Sprach- und Ereigniserkennung, Klangqualität und Sprachverständlichkeit sowie mobile Neurotechnologie und Systeme für eine vernetzte Gesundheitsversorgung. Mit eigener Kompetenz in der Entwicklung von Hard- und Softwaresystemen für Audiosystemtechnologie und Signalverbesserung setzen die Mitarbeitenden am Standort Oldenburg wissenschaftliche Erkenntnisse in kundengerechte, praxisnahe Lösungen um. Über wissenschaftliche Kooperationen ist der Institutsteil eng mit der Carl von Ossietzky Universität, der Jade Hochschule und der Hochschule Emden/Leer verbunden. Das Fraunhofer IDMT ist Partner im Exzellenzcluster Hearing4all.

Externer Link: www.fraunhofer.de