Bessere Farben und Lacke schneller entwickeln

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.06.2016

Wandfarben und -lacke zu entwickeln, ist für Hersteller eine große Herausforderung: Sie können mit Hilfe von Proben lediglich abschätzen, wie sich die Dispersion im Reaktionsbehälter verhält. Durch eine Kooperation von Fraunhofer-Forschern mit der PDW Analytics GmbH ist es nun erstmals möglich, die Produktion von Farben, Lacken und Klebstoffen kontinuierlich und in Echtzeit zu überwachen – und die Prozesse effizienter zu gestalten.

Wandfarbe ist nicht gleich Wandfarbe – das weiß jeder, der schon mal mit Schnäppchen-Farbe eine bunte Wand weißen wollte. Während qualitativ hochwertige, teure Farben bestens decken, schimmert bei Billigprodukten der alte, bunte Anstrich hindurch. Beim Auftragen, beim Trocknen und beim Glanz sind die Unterschiede groß. Die Eigenschaften einer Wandfarbe hängen stark davon ab, wie groß die darin enthaltenen Partikel sind – beispielsweise Füllstoffe, Bindemittel, Pigmente oder Zusatzstoffe. Bei der Entwicklung neuer Farben wollen Hersteller daher genau wissen, was in den Reaktionsbehältern vor sich geht und wie sich die Partikelgrößen im Laufe des Prozesses verändern. Die Hersteller nehmen eine Probe der Farbe, verdünnen und prüfen diese. Das ist zeitintensiv. Währendessen kann sich die hergestellte Dispersion verändern. Zudem beeinflusst das Verdünnen die Probe. So können die Teilchen beispielsweise zu größeren Partikeln verklumpen. Man kann daher nicht sicher davon ausgehen, dass die Partikelgröße in der Probe mit der im Reaktionsbehälter übereinstimmt.

Jederzeit wissen, was im Reaktionsbehälter geschieht

Künftig geht das einfacher, schneller und präziser: Dann können die Hersteller Wandfarben, Lacke oder auch Klebstoffe erstmals inline analysieren. Sie brauchen also keine Probe zu ziehen, sondern können ihr Produkt direkt beim Herstellungsprozess fortlaufend in Echtzeit untersuchen. Möglich macht dies ein neuer Sensor, den die Mitarbeiter des Potsdamer Unternehmens PDW Analytics GmbH entwickelten, und den Forscher vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP in ihr bestehendes Prozessentwicklungssystem integriert haben. »Dies ist eine weltweit einzigartige prozessanalytische Detektionsmethode, mit der wesentliche Parameter bei der Herstellung von Farben, Lacken und Klebstoffen direkt inline und kontinuierlich erfasst werden können«, sagt Dr. Antje Lieske, Abteilungsleiterin am IAP. »Somit können wir die Prozesse weitaus besser verstehen, sie effizienter gestalten und Fehlproduktionen vermeiden.«

Hardware trifft auf Know-how

Das Herzstück der Technologie, der Sensor, basiert auf der Photonendichtewellen-Spektroskopie – einem Verfahren von PDW Analytics. Das Prinzip: Über optische Fasern strahlt der Sensor Laserlicht in die flüssige Wandfarbe ein. Die Intensität des Lichts wird bis in den Gigahertz-Bereich moduliert. Nun analysiert die Methode wie sich das Licht – abhängig von der Frequenz – in der Flüssigkeit ausbreitet. Aus diesen Daten wird ermittelt, wie groß die einzelnen Partikel sind. Referenzsysteme haben die Forscher am IAP erstellt: Verschiedene Proben, deren Partikel eine fest vorgegebene Größe hatten, wurden erfolgreich mit der Photonendichtewellen-Spektroskopie vermessen.

Mit dem Sensor stellen die Forscher des IAP für Kunden Produktionsprozesse nach und analysieren sie. »Wir koppeln den neuartigen Sensor sowohl mit unserem bestehenden System als auch mit unserem Know-how«, erläutert Lieske. Für Suspensionen, deren Partikel zwischen einem Mikrometer und einem Millimeter groß sind, konnten die Wissenschaftler bereits seit Längerem neben Viskosität und Wärmefluss auch die Partikelgrößen im Prozess bestimmen. Ein Infrarotsensor detektierte zudem die chemischen Veränderungen und gab Aufschluss darüber, wie weit die chemischen Reaktionen bereits fortgeschritten sind. »Mit dem neuen Sensor sind wir nun auch in der Lage, Teilchengrößen über den gesamten relevanten Größenbereich von Nanometer bis Mikrometer im Prozess zu messen«, ergänzt Lieske.

Kunden können ihre Prozesse entweder im IAP untersuchen lassen, etwa bei Fragestellungen, die das Unternehmen nicht alleine lösen kann. Oder aber, da das ganze System transportabel ist, auch vor Ort im Unternehmen nutzen. Typische Fragestellungen sind: Lässt sich die Zeit für die Polymerisation verkürzen? Wie kann man Unsicherheiten im Prozess beseitigen und wie Materialeigenschaften verbessern – etwa dafür sorgen, dass der Klebstoff besser klebt oder die Wandfarbe besser deckt?

Externer Link: www.fraunhofer.de

technologiewerte.de – MOOCblick Juni 2016

Spannende Themen, herausragende Dozenten und flexible Lernmöglichkeiten tragen zum wachsenden Erfolg der Massively Open Online Courses (MOOCs) bei – offene, internetgestützte Kurse mit einer Vielzahl an Teilnehmern rund um den Globus.

Folgender Kurs – zu finden auf der MOOC-Plattform edX – sollte einen Blick wert sein:

Energy Within Environmental Constraints
David Keith (Harvard University) et al.
Start: 08.06.2016 / Arbeitsaufwand: 30-50 Stunden

Externer Link: www.edx.org

Weltrekord in der terrestrischen Funkübertragung

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 18.05.2016

Multi-Gigabit-Funk über höchste Distanzen

Den Inhalt einer handelsüblichen DVD in zehn Sekunden per Funk zu übermitteln, ist unvorstellbar schnell – und ein neuer Weltrekord der Datenübertragung. Mit einer Datenrate von 6 Gigabit pro Sekunde (Gbit/s) über eine Entfernung von 37 Kilometern hat ein Forschungsverbund unter Beteiligung von Forschenden der Universität Stuttgart und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) den Stand der Technik um den Faktor 10 übertroffen.

Durchgeführt wurde das Verbundprojekt ACCESS (Advanced E-Band Satellite Link Studies) von einer Forschungsgruppe um Prof. Ingmar Kallfass vom Institut für Robuste Leistungshalbleitersysteme (ILH) der Universität Stuttgart, dem Institut für Hochfrequenztechnik und Elektrotechnik (IHE) des KIT, der Radiometer Physics GmbH und dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF.

Dem Team gelang die Rekord-Datenübertragung auf einer Strecke zwischen Köln und dem 36,7 km entfernten Wachtberg. Die Stationen standen auf dem 45-stöckigen Uni-Center in Köln und dem Gelände des Weltraumbeobachtungsradar TIRA am Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik (FHR) in Wachtberg.

Rekord durch Einsatz neuester Technologie

Die extrem hohe Datenrate von 6 Gbit/s erzielte die Gruppe durch leistungsfähige Sender und Empfänger bei einer Radiofrequenz von 71–76 Gigahertz (GHz) im für den terrestrischen und Satellitenfunk freigegebenen „E-Band“. Nur in diesem Frequenzbereich mit Millimeterwellen stehen die erforderlichen hohen Nutzbandbreiten zur Verfügung. Nur hier lassen sich die enormen Datenraten verwirklichen.

Eine weitere Schwierigkeit ist die Abschwächung der Signale über größere Entfernungen. Entsprechend stark muss gesendet werden, entsprechend leistungsfähig muss am Ende der Verstärker sein. Schlüssel zu der einzigartigen Kombination aus Gigabit-Datenrate und Höchstdistanz bilden die leistungsfähigen Sender und Empfänger in Form voll monolithisch integrierter Millimeterwellen-Schaltungen (MMICs).

Den Schaltungen liegen zwei innovative Transistortechnologien zugrunde, die der Projektpartner Fraunhofer IAF entwickelt und hergestellt hat. Im Sender werden die breitbandigen Signale mit Hilfe von Leistungsverstärkern auf Basis des neuartigen Verbindungshalbleiters Galliumnitrid auf eine vergleichsweise hohe Sendeleistung von bis zu 1 W gebracht. Eine hoch gerichtete Parabolantenne strahlt die Signale ab. Im Empfänger sind rauscharme Empfangsverstärker auf Basis von Höchstgeschwindigkeitstransistoren, unter Verwendung von Indium-Gallium-Arsenid-Halbleiterschichten mit sehr hoher Elektronenbeweglichkeit, eingebaut. Sie sorgen für die Detektion der über die Entfernung äußerst stark abgeschwächten Signale.

Vielzahl an Anwendungsgebieten

Die Übertragung hoher Datenmengen per Funk über große Distanzen dient einer Vielzahl wichtiger Anwendungsgebiete: Die nächste Generation der Satellitenkommunikation erfordert einen immer größeren Datenfluss von Erdbeobachtungssatelliten zur Erde. Die Versorgung des ländlichen Raumes und entlegener Gebiete mit schnellem Internet ist bei einer Datenrate wie bei dem Versuch möglich. 250 Internetanschlüsse könnten mit 24 Mbit/s ADSL versorgt werden. Terrestrische Funkübertragung im E-Band eignet sich als kosteneffizienter Ersatz für das Verlegen von Glasfaser oder als Ad-hoc-Netz im Krisen- und Katastrophenfall, bis hin zur Verbindung von Basisstationen im Backhaul der Mobilkommunikation.

Bedarf ungebremst steigend

Dem ungebremst ansteigenden Bedarf an immer höheren Datenraten in fasergebundenen und drahtlosen Kommunikationsnetzen kann nur mit technologischen Innovationen bei der Netzinfrastruktur begegnet werden. Moderne Entwicklungen wie das Internet der Dinge und Industrie 4.0 stehen darüber hinaus erst an ihrem Anfang. Sie verlangen nach bisher nie dagewesenen aggregierten Datenmengen. Deren Verarbeitung und Übertragung in cloud-basierten Diensten bringt die Kommunikationsinfrastruktur bereits heute an ihre Grenzen. Auch in der Satellitenkommunikation führen die Fortschritte in der Erdbeobachtung und Weltraumforschung sowie Pläne eines weltumspannenden Satellitennetzes zu bisher ungelösten Herausforderungen in der Kommunikationsinfrastruktur.

Das Projekt im Überblick

ACCESS wurde zum 30. April beendet und findet seine Fortsetzung im Nachfolgeprojekt ELIPSE (E-Band Link Platform and Test for Satellite Communication). Ziel war die nächste Generation von Kommunikationssystemen für die schnelle Anbindung von Satelliten. Eine weitere Anwendung liegt aber auch im terrestrischen Richtfunk.

Neben der Universität Stuttgart, dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist der Industriepartner Radiometer Physics GmbH (A Rohde & Schwarz Company) beteiligt. Das Projekt wurde gefördert durch das Bundeministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Unterstützung leisteten das Fraunhofer FHR, das Uni-Center Köln und der Südwest-Rundfunk, die den Zugang zu ihren Gebäuden gewährten. (lg/le)

Externer Link: www.kit.edu

Wie Laserpulse Protone dirigieren

Presseinformation der LMU München vom 13.05.2016

Mit ultrakurzen Lichtblitzen ist es Forschern von LMU und MPQ gelungen, die Anordnung der Atome in Kohlenwasserstoffmolekülen zu manipulieren.

Forscher der LMU und des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik (MPQ) haben mit Licht Kohlenwasserstoffe umgebaut. Dazu lösten sie mit ultrakurzen Laserpulsen eines der äußeren Wasserstoffatome an einem Kohlenwasserstoffmolekül und dirigierten es anschließend auf die gegenüberliegende Seite. Dort dockte das Proton wieder an. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler aktuell in der Fachzeitschrift Physical Review Letters.

Die experimentellen Beobachtungen und ihr grundlegender Mechanismus wurden mittels quantenmechanischer Simulationen der Arbeitsgruppe von Professor Regina de Vivie-Riedle vom Department Chemie der LMU erklärt. Mit einem nur wenige Femtosekunden langen Laserpuls beeinflussten die Physiker um Professor Matthias Kling, Leiter der Arbeitsgruppe Ultraschnelle Nanophotonik an der Fakultät für Physik der LMU, die Schwingungen eines Acetylen-Moleküls: Noch mit dem gleichen Lichtpuls konnten sie das Ablösen eines bestimmten – des linken oder des rechten – Wasserstoffatoms erzwingen. Die Wanderung des Wasserstoffatoms auf die andere Seite fand dann im ionischen Zustand des Moleküls von alleine statt. Es bildet sich Vinyliden. Neben Acetylen haben die Forscher auch Allen, das ebenfalls zur Gruppe der Kohlenwasserstoffe gehört, auf diese Weise umgebaut. Sie konnten damit zeigen, dass ihre Methode auch für längerkettige Kohlenwasserstoffe funktioniert.

Bewegungen von Elektronen und Atomen sind elementare Vorgänge bei chemischen Prozessen in der Natur. Mit Lasertechnologie ist der Mensch heute schon bedingt in der Lage, auf diese Bewegungen Einfluss zu nehmen. „Unsere Experimente haben gezeigt, dass wir nicht nur Elektronen im Mikrokosmos dirigieren können, sondern auch die rund 2000 Mal schwereren Wasserstoffatome“, erklärt Matthias Kling. „Für den zugrunde liegende Mechanismus ist in beiden Fällen die Wellennatur der kontrollierten Teilchen verantwortlich“ erläutert Regina de Vivie-Riedle.

Die Forscher haben es mit ihrem Versuch geschafft, mit Licht Materie neu zu definieren. „Wir hoffen, mit unserer Methode künftig die verschiedensten Arten von Stoffen zerlegen und neu zusammensetzen zu können“, sagt Kling. Eine solche, lichtgesteuerte Synthese von Materie könnte es künftig ermöglichen, ganz neue Stoffe zu erschaffen. Gerade in der Medizin und dem damit verbundenen Design neuer Medikamente ist diese Perspektive reizvoll.

Publikation:
Physical Review Letters 2016

Externer Link: www.uni-muenchen.de