Mit Behinderung arbeiten: Universität Passau entwickelt neues Assistenzsystem

Pressemeldung der Universität Passau vom 21.07.2015

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Passau beteiligen sich an der Entwicklung eines Assistenzsystems, das die emotionale Verfassung von Menschen mit Behinderung erkennen und ihnen helfen kann, trotz ihrer Behinderung einer Arbeit nachzugehen. Das Projekt „Emotionssensitives Assistenzsystem zur Unterstützung von Menschen mit Einschränkungen: EmotAsS (Emotionsensitive Assistance System)“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Um Menschen mit Behinderung eine berufliche Perspektive zu geben, gibt es speziell ausgestattete Werkstätten für behinderte Menschen, die dazu dienen, sie in das Arbeitsleben einzugliedern und ihnen somit ermöglichen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. In den meisten Fällen ist eine Eingliederung nicht möglich, so dass diese Personengruppe ihren Fähigkeiten entsprechend in den Werkstätten beschäftigt wird. Insbesondere bei Menschen mit Erkrankungen oder Behinderungen, die in speziell ausgestatteten Werkstätten arbeiten, haben die emotionalen Schwankungen eine große Auswirkung auf ihre Konzentrationsfähigkeit und weitere kognitive Prozesse. Emotionen und deren zuverlässige Erkennung in der gesprochenen Sprache sind für die erfolgreiche Mensch-Maschine-Interaktion von großer Bedeutung.

Innerhalb dieses Projektes soll ein Assistenzsystem entwickelt werden, welches sicher die Erkennung der Emotionen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Behinderungen einsetzt, um ihren Arbeitsprozess in individuell handhabbare, kleine Arbeitsschritte aufzuteilen und entsprechend des Kontextes und der emotional-kognitiven Verfassung adaptiert. Die Erkenntnisse sollen auf ein weiteres Anwendungsgebiet übertragen und in der Kommunikation mit Demenzerkrankten erprobt werden.

Beteiligt sind neben dem Lehrstuhl für Complex und Intelligent Systems der Universität Passau, die Universität Bremen, die vacances Mobiler Sozial- und Pflegedienst GmbH, der Martinshof (Werkstatt Bremen), die Meier & Schütte GmbH und Co. KG, die REHAVISTA GmbH sowie die EGS Vertriebs GmbH.

Die Projektpartner arbeiten kontinuierlich mit der Zielgruppe zusammen und beteiligen sie an der Entwicklung. Bestandteil des Projektes sind unter anderem fortlaufende Tests, sowohl bei der Gestaltung als auch bei der Nutzung des Systems im Arbeitsprozess. (Katrina Jordan)

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In zwei Dimensionen leuchten Elektronen schneller

Pressemitteilung der Universität Regensburg vom 13.07.2015

Forscher weisen erstaunliches Verhalten einzelner Atomlagen nach

Physiker der Universitäten Regensburg und Münster konnten erstmals beobachten, wie sich Elektronen in einer ultradünnen Festkörperschicht zu atomähnlichen Teilchen binden und dabei Licht in Rekordgeschwindigkeit emittieren. Die Ergebnisse wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Materials“ veröffentlicht (DOI 10.1038/nmat4356).

Seit kurzem kann die Wissenschaft Materialien herstellen, die aus einer einzigen Atomlage bestehen. Neben Graphen – einer Monolage aus Graphit – funktioniert dies inzwischen auch mit sogenannten Übergangsmetall-Dichalkogeniden wie Wolframdiselenid. In Monolagen können sich Elektronen nur zweidimensional in der Ebene bewegen. Das verleiht den ultradünnen Materialien einzigartige Eigenschaften, die künftig die Elektronik und Optoelektronik revolutionieren könnten. Wird bspw. ein Photon in einer Monolage von Wolframdiselenid absorbiert, so kann es ein Exziton – ein gebundenes Elektron-Loch-Paar – erzeugen. Dabei umkreist ein negativ geladenes Elektron ein positiv geladenes Loch, ähnlich wie ein Elektron im Wasserstoffatom den Kern umkreist. Theoretisch wurde vorhergesagt, dass Exzitonen in einer Monolage wegen der starken Bindung zwischen Elektronen und Löchern auch bei Raumtemperatur existieren und daher alle optischen Eigenschaften dominieren sollten – denn nur sie emittieren Licht in einer Monolage. Für die Entwicklung von Bauelementen wie Solarzellen oder lichtemittierenden Dioden ist es daher wichtig, die Eigenschaften von Exzitonen besser zu verstehen.

Ein Team um Prof. Dr. Rupert Huber, PD Dr. Tobias Korn und Prof. Dr. Christian Schüller vom Institut für Experimentelle und Angewandte Physik der Universität Regensburg konnte nun in Kooperation mit Prof. Dr. Rudolf Bratschitsch von der Universität Münster Licht ins Dunkel bringen. Im Rahmen eines Experiments regten die Forscher eine Monolage von Wolframdiselenid zunächst mit einem sichtbaren Lichtblitz an, so dass Exzitonen entstanden. Um diese direkt nachzuweisen, beleuchteten die Physiker die Exzitonen mit ultrakurzen infraroten Lichtimpulsen, die interne Anregungen in den Exzitonen auslösten. Durch Aneinanderfügen mehrerer Momentaufnahmen entstand schließlich ein Zeitlupenfilm mit der unvorstellbar hohen Zeitauflösung von wenigen Femtosekunden. Eine Femtosekunde ist der millionste Teil einer Milliardstel Sekunde. Dies ist gerade schnell genug, um die Entstehung, Struktur, Dichte und Wechselwirkung der Exzitonen untereinander scharf aufzulösen.

Die Messdaten der Forscher förderten weitere Überraschungen zutage: Sie zeigten, dass bestimmte Exzitonen überraschend effizient zerstrahlen. Dabei stürzt das Elektron in das Loch, das es umkreist, und gibt seine Energie als Lichtquant (Photon) ab. In atomar dünnem Wolframdiselenid läuft dieser Prozess tausend Mal schneller ab als in gewöhnlichen dreidimensionalen Festkörpern. Die Untersuchungen der Forscher aus Regensburg und Münster bieten deshalb spannende Perspektiven für die Entwicklung neuer Lichtquellen auf Basis der denkbar dünnsten Materialien. (Alexander Schlaak)

Titel der Originalpublikation:
C. Pöllmann, P. Steinleitner, U. Leierseder, P. Nagler, G. Plechinger, M. Porer, R. Bratschitsch, C. Schüller, T. Korn and R. Huber, „Resonant internal quantum transitions and femtosecond radiative decay of excitons in monolayer WSe2“, in Nature Materials (published online) (2015)

Externer Link: www.uni-regensburg.de

Lichtschranke für die Zellteilung

Presseinformation der LMU München vom 10.07.2015

LMU-Forschern ist es gelungen, einen Wirkstoff, der die Zellteilung hemmen kann, mit Lichtreizen steuerbar zu machen. Dies ist ein vielversprechender Ansatz für zielgerichtete und nebenwirkungsfreie Tumortherapien.

Zellen höherer Organismen sind von einem ausgeklügelten System röhrenförmiger Strukturen – sogenannter Mikrotubuli – durchzogen, die als Teil des Zellskeletts an vielen lebenswichtigen Prozessen beteiligt sind. Unter anderem sind die Mikrotubuli im zellulären Spindelapparat enthalten, der bei der Zellteilung die Chromosomen auf die Tochterzellen verteilt. Wirkstoffe, die an den Mikrotubuli ansetzen, spielen daher sowohl für die Erforschung von Zellteilung und Embryonalentwicklung als auch als zellwachstum-hemmende Krebsmedikamente eine wichtige Rolle – verursachen aber oft starke Nebenwirkungen. Wissenschaftler um Professor Dirk Trauner und Dr. Oliver Thorn-Seshold vom Department Chemie der LMU haben nun einen entscheidenden Durchbruch geschafft, der zukünftig einen präziseren und schonenderen Einsatz derartiger Präparate ermöglichen soll: „Wir haben in einen bekannten Mikrotubuli-Hemmer einen lichtsensitiven molekularen Schalter eingefügt, sodass der Wirkstoff nur nach Bestrahlung mit blauem Licht aktiv ist. Dadurch kann er erstmals gezielt nur am gewünschten Ort aktiviert – und auch wieder abgeschaltet werden, da die Reaktion reversibel ist“, sagt Thorn-Seshold. Trauner ergänzt: „Damit haben wir die Photopharmakologie auf eine weiteres hochdynamisches System angewandt, das allen Vielzellern gemeinsam ist: das Zytoskelett.“

In der Medizin gehören Wirkstoffe, die an den Mikrotubuli ansetzen, zu den wirkungsvollsten Chemotherapeutika. Allerdings entfalten diese Wirkstoffe ihre zellschädigende Wirkung im ganzen Körper, weshalb sie zu schweren Nebenwirkungen führen. „Unser Ziel war, einen Mikrotubuli-Hemmer so zu optimieren, dass er nur am gewünschten Einsatzort wirkt“, sagt Thorn-Seshold. „Das haben wir erreicht, indem wir einen molekularen optischen Schalter für verschiedene chemische Abkömmlinge von Colchicin entwickelt haben“. Colchicin ist eine toxische chemische Verbindung, die aus der Herbstzeitlose stammt. Die mit optischem Schalter ausgestatteten Colchicin-Derivate bezeichnen die Wissenschaftler als Photostatine. Sie sind nur aktiv, wenn sie mit blauem Licht bestrahlt wurden, und können daher sehr präzise gesteuert werden – die Voraussetzung, um Tumorzellen gezielt und nebenwirkungsfrei zu bekämpfen.

Tumorzellen mit Licht stoppen

Im Zellversuch hat der Photoschalter seine Funktion bereits bewiesen: In mit blauem Licht bestrahlten Zellen hemmten Photostatine die Zellteilung 250-mal stärker als in Zellen, die im Dunkeln gehalten wurden. „Diese drastische licht-induzierte Aktivierung übersteigt alles, was bisher in der Photopharmakologie beobachtet wurde“, sagt Trauner. „Möglich wurde sie, weil wir den optischen Schalter mit einer neuen Methode eingebaut haben, die eine besonders große Aktivitätssteigerung erlaubt“. Die Arbeit, an der neben Kollegen der Universität Lyon an der LMU auch die Arbeitsgruppen von Professor Angelika Vollmar und Professor Stefan Zahler sowie die Gruppe von PD Markus Rehberg beteiligt waren, ist in dem führenden Wissenschaftsjournal „Cell“ veröffentlicht worden.

Als mögliches zukünftiges Einsatzgebiet für Photostatine sehen die Wissenschaftler insbesondere örtlich begrenzte Tumore, die leicht mit einer Lichtquelle erreicht werden können, etwa Retinoblastome – die häufigsten Augentumore bei Kindern – oder Hautkrebs. „Lichtquellen werden heute schon in der Medizin häufig eingesetzt, etwa für Untersuchungen im Magen-Darm-Bereich. Da die LED-Technik derzeit eine rasante Entwicklung durchmacht, können wir uns auch vorstellen, dass es in Zukunft noch kleinere und hellere LEDs geben wird, die im Körper implantiert werden, etwa wie ein Herzschrittmacher“, sagt Thorn-Seshold. „Wir hoffen, dass sie sich dabei als vielversprechender Ansatz für die Entwicklung neuer Therapien bestätigen. Allerdings ist dies ein langwieriger Prozess, die Entwicklung und Durchführung der notwendigen Studien wird noch Jahre benötigen“.

Zellentwicklung im Sekundentakt schaltbar

Bereits jetzt sind die Photostatine aber auch ein vielversprechendes Werkzeug für die Zellbiologie: Mikrotubuli spielen als Bestandteil des Zellskeletts unter anderem bei der Zellteilung, dem intrazellulären Stofftransport und der Embryonalentwicklung eine essenzielle Rolle. Mit den Photostatinen können die Mikrotubuli erstmals räumlich und zeitlich sehr präzise gesteuert und wiederholt ein- und ausgeschaltet werden – und zwar innerhalb weniger als einer Sekunde. Das schafft ganz neue Möglichkeiten, um die Funktion und räumliche Anordnung der Mikrotubuli zu erforschen. Gerade die Reversibilität der Hemmung ist in der Zellforschung ein besonderer Vorteil. „Wir konnten zum Beispiel die Entwicklung einer Zelle zu einem bestimmten Zeitpunkt anhalten und dann die Hemmung wieder ausschalten, um die Weiterentwicklung der Zelle zu beobachten. Dies könnte helfen, die Rolle bestimmter Vorläuferzellen während der Entwicklung aufzuklären“, erklärt Trauner.

Photopharmakologie ist noch ein relativ junges Forschungsgebiet, das zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. In der Zukunft planen die Wissenschaftler, auch andere Moleküle, die an der Zellteilung und -dynamik beteiligt sind, mit Lichtschaltern auszustatten – die Mikrotubuli sind erst der Anfang. (göd)

Publikation:
Cell 2015

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Mobile Brennstoffzelle lädt Smartphones und Tablets über USB-Anschluss auf

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 08.07.2015

„Kraftwerk“ heißt die mobile Brennstoffzelle, mit der kleine Geräte über USB wieder aufgeladen werden können. Der Wasserstoff stammt aus normalem Feuerzeuggas (Butan), das in den Tank des Geräts gefüllt wird. Wie bei einem Feuerzeug dauert das nur wenige Sekunden, die Brennstoffzelle liefert dann Strom für mehrere Tage. Die Technologie hat der promovierte Werkstoffwissenschaftler Sascha Kühn an der Universität des Saarlandes entwickelt. Bereits 2003 meldete die Universität dafür ein Patent an, die Patentverwertungsagentur unterstützte den Erfinder bei der Vermarktung. Jetzt will Sascha Kühn diese Technologie über seine Firma eZelleron in Dresden in großem Stil auf den Markt bringen.

Wie langwierig der Weg von der patentgeschützten Erfindung bis hin zum fertigen Produkt sein kann, zeigt das Beispiel der mobilen Brennstoffzelle von Sascha Kühn. Der Materialforscher hatte sich im Rahmen seiner Doktorarbeit bei Rolf Clasen, Professor für Pulvertechnologie der Saar-Uni, mit Brennstoffzellen beschäftigt. Im Januar 2003 meldete die Universität ein Patent an und bereits ein Jahr später konnte die Patentverwertungsagentur der saarländischen Hochschulen (PVA) einen Lizenzvertrag mit einer österreichischen Firma vermitteln. Bei dieser stieg Sascha Kühn als Entwicklungsleiter ein und tüftelte weiter an der mobilen Brennstoffzelle. Die Firma ging jedoch 2007 in die Insolvenz, so dass die Rechte am Patent wieder an die Universität des Saarlandes zurückfielen.

Sascha Kühn gründete 2008 die eZelleron GmbH mit Sitz in Dresden. Über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter suchte Kühn im Januar diesen Jahres Unterstützer für sein Projekt und wurde vom eigenen Erfolg fast überrollt: Innerhalb weniger Monate waren über 1,5 Millionen US-Dollar Startkapital zusammen. Der ursprüngliche Plan war es 500.000 US-Dollar einzuwerben. Jetzt kann das Start-Unternehmen bis Ende des Jahres sein „Kraftwerk“ für die 2016 geplante Markteinführung in Position bringen.

Das Gerät soll Smartphones und mobile Endgeräte mit 5-Volt-Anschluss unterwegs ohne Strom mit Power versorgen. Das System ist mittlerweile durch 27 Patente geschützt. Bei einer erfolgreichen Vermarktung kann auch die Universität des Saarlandes durch Lizenzeinnahmen profitieren.

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Verblichene Malereien sichtbar machen

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.07.2015

Im Kreuzgang des Brandenburgischen Doms sind viele Details der Wand- und Deckenmalereien verblichen: Wo einmal Pferde »galoppierten«, blickt man nun auf mehr oder weniger blanken Putz. Eine Hyperspektralkamera jedoch sieht Motive, die dem menschlichen Auge verborgen bleiben. Damit ist sie Kunsthistorikern eine große Hilfe.

Der Zahn der Zeit hat den Decken- und Wandmalereien im oberen Kreuzgang des Brandenburger Doms (Brandenburg an der Havel) stark zugesetzt – vieles lässt sich mit bloßem Auge nicht mehr ausmachen. Wo ehemals Frauen mit kunstvollen Kleidern und Hauben beisammen standen, sieht man heute oftmals nur noch Fragmente. Farbreste, aus denen auch bei noch so langer Betrachtung kein Motiv zu erkennen ist. Ein ganz anderes Bild jedoch fängt eine Hyperspektralkamera mit einer Software ein, die Forscher am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg entwickelt haben: Sie schafft es, dass viele der verblichenen Malereien wieder zum Vorschein kommen.

Über 50 Farbkanäle erkennen »Unsichtbares«

Die Kamera »schaut« nicht nur das sichtbare Licht an, das die Malereien zurückwerfen – wie das Auge oder eine herkömmliche Kamera es tut – sondern auch die Wellenlängen, die jenseits dieses Bereichs im Infraroten liegen. Außerdem ist die Auflösung deutlich feiner. »Während der Mensch alle wahrgenommenen Farbtöne aus den Farben Rot, Grün und Blau zusammensetzt, verfügt die Kamera über 51 Farbkanäle«, erläutert Dr. Andreas Herzog, Wissenschaftler am IFF. »Sie kann daher Farbtöne voneinander unterscheiden, die für das menschliche Auge gleich wirken.« Dort, wo es beispielsweise nur Blau sieht, teilt das System das zurückgeworfene Licht in die minimal verschiedenen Farbtöne auf. Es erkennt somit Strukturen, die eigentlich nicht mehr zu sehen sind. Zudem lässt sich mithilfe dieser neuen Technologie feststellen, ob Bilder in mehreren Etappen gemalt oder bereits einmal restauriert wurden. Denn auch wenn die Farben für den Künstler gleich ausgesehen haben mögen: Es konnte kaum gelingen, sie gänzlich gleich zu mischen; die Kamera entdeckt die Unterschiede.

Zwar gab es auch bislang die Möglichkeit, die Kunstwerke teilweise wieder aufzuspüren: Strahlt man sie mit einer UV-Lampe an, regt man einige Substanzen in der Farbe, oft das Bindemittel, zum Fluoreszieren an. Hält man diese Fluoreszenz mit einer herkömmlichen Kamera fest, zeigen sich ebenfalls verborgene Strukturen. Das Manko: Das Verfahren ist sehr aufwändig und – das UV-Licht zieht die Gemälde in Mitleidenschaft. Nicht so bei der Hyperspektralkamera. Sie arbeitet mit einer normalen Lichtquelle, die die Kunstwerke weniger beeinflusst. Darüber hinaus lassen sich beide Verfahren kombinieren: So kann die Hyperspektralkamera auch aus dem Fluoreszenzlicht mehr herausholen. Denn sie sieht nicht nur das Licht an sich, sondern ermittelt vielmehr, wie sich die fluoreszierenden Farbstoffe zusammensetzen.

Das Kernstück der Entwicklung ist jedoch nicht die Kamera, sondern die speziell entwickelte Software. Sie erstellt aus den Daten, die bei einem Hyperspektralbild anfallen, rund hundert Bilder – auf denen zum Teil Strukturen wie gemalte Frauengestalten oder Pferde zum Vorschein kommen. Diese Bilder sehen die Kunstexperten durch und können sie interpretieren. Welche Farbmischung kommt auf dem gewählten Ausschnitt am häufigsten vor? Dies errechnet der Algorithmus mit Hilfe von Statistiken und Normierungen. Den Anteil exakt dieser Farbkomponenten stellt er in einem separaten Bild dar. In einem zweiten Bild verfährt der Software-Algorithmus ebenso mit der Farbkomponente, die am zweithäufigsten vorkommt und so weiter. Um auch großflächige Malereien auf gekrümmten Wänden in einer hohen Auflösung abzubilden, arbeiten die Forscher mit den Vermessungstechnikern der bgis Kreative Ingenieure GmbH zusammen. Deren Software fügt die einzelnen errechneten Bilder zu einem Gesamtpanorama zusammen und gibt den Kunsthistorikern des Dom-Museums und des Landesamts für Denkmalpflege Brandenburg einen Überblick über größere Bildzusammenhänge.

Erster Testlauf im Brandenburger Dom

Im Brandenburger Dom, der dieses Jahr sein 850-jähriges Jubiläum feiert, haben die Wissenschaftler des IFF ihre Technologie bereits erfolgreich getestet – im oberen Kreuzgang: Die Wandmalereien, die dort zu finden sind, wurden im 15. Jahrhundert von Hartmut Schedel detailliert beschrieben. Aber lange galten sie als verschollen. Vor einigen Jahren wurden diese kunsthistorisch bedeutenden Malereien wiederentdeckt und dann aufwändig restauriert. So gab der Kreuzgang sein Geheimnis preis. Und mit der Hyperspektralkamera Schritt für Schritt auch noch viele weitere Details.

Externer Link: www.fraunhofer.de