Vereinte Gegensätze

Presseinformation der LMU München vom 10.10.2014

LMU-Chemiker haben erstmalig einen ferromagnetischen Supraleiter entdeckt, der chemisch modifizierbar ist und umfassende Studien dieses seltenen Phänomens ermöglicht.

Supraleitung und Ferromagnetismus – die „normale“ Form des Magnetismus, wie sie etwa in Hufeisenmagneten auftritt – schließen sich normalerweise aus: Ferromagneten sind magnetisch, weil in ihrem Inneren ein starkes Magnetfeld vorliegt. Supraleiter dagegen verdrängen Magnetfelder aus ihrem Inneren. LMU-Chemikern ist es nun gelungen, diese Gegensätze zu überwinden: „Wir haben eine neue Verbindung synthetisiert, die als ferromagnetischer Supraleiter beide Eigenschaften in sich vereint“, sagt Professor Dirk Johrendt vom Department Chemie, „dieser Erfolg ist ein wichtiger Fortschritt, der der Forschung ganz neue Möglichkeiten eröffnet“.

Dass Supraleitung und Ferromagnetismus in einem Material gemeinsam vorkommen, ist sehr selten und wurde bisher fast nur bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt – also bei etwa minus 273°C – beobachtet. „Die von uns synthetisierte schichtartige Verbindung (Li,Fe)OH(FeSe) hat den großen Vorteil, dass sie auch bei höheren Temperaturen funktioniert, die im Labor leichter handhabbar sind“, sagt Johrendt.

Die neue Verbindung besteht aus zwei unterschiedlichen Schichten, die abwechselnd aufeinander folgen: Einer supraleitenden Eisenselenid-Schicht (FeSe) und einer ferromagnetischen Lithium-Eisen-Hydroxid-Schicht (Li,Fe)OH. Wird die Verbindung auf Temperaturen unterhalb von minus 230°C abgekühlt, entsteht zunächst Supraleitung in der Eisenselenid-Schicht. Bei etwas tieferen Temperaturen erzeugen die Eisenatome in der Lithium-Eisen-Hydroxid-Schicht zusätzlich einen ferromagnetischen Effekt, ohne dass die Supraleitung verschwindet.

In Kooperation mit Physikern der Technischen Universität Dresden und des Paul-Scherrer-Instituts in Villingen (Schweiz) konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass das von der ferromagnetischen Schicht ausgehende Magnetfeld den Supraleiter durchdringt – und zwar spontan und ohne äußeren Einfluss. Dieser neue Zustand der Materie wird als spontane Vortex-Phase bezeichnet. In bestimmten Supraleitern kann zwar durch ein von außen angelegtes Magnetfeld ein ferromagnetischer Effekt erzeugt werden, aber die wenigen bisher bekannten Stoffe mit dieser Eigenschaft waren chemisch kaum modifizierbar und konnten wegen der erforderlichen extrem niedrigen Temperaturen nur mit großem Aufwand untersucht werden. „Unser neues Material bietet erstmalig gute Möglichkeiten, die Koexistenz von Supraleitung und Ferromagnetismus chemisch zu beeinflussen, sodass in Zukunft umfassendere Studien dieses faszinierenden Phänomens möglich werden“, schließt Johrendt. (göd)

Publikation:
Angewandte Chemie 2014

Externer Link: www.uni-muenchen.de

technologiewerte.de – MOOCblick Oktober 2014

Spannende Themen, herausragende Dozenten und flexible Lernmöglichkeiten tragen zum wachsenden Erfolg der Massively Open Online Courses (MOOCs) bei – offene, internetgestützte Kurse mit einer Vielzahl an Teilnehmern rund um den Globus.

Folgende drei – zu finden auf der MOOC-Plattform Coursera – sollten einen Blick wert sein:

Grow to Greatness: Smart Growth for Private Businesses, Part I
Edward D. Hess (University of Virginia)
Start: 20.10.2014 / Arbeitsaufwand: 20-30 Stunden

Financial Markets
Robert Shiller (Yale University)
Start: 20.10.2014 / Arbeitsaufwand: 48-96 Stunden

Technology Commercialization, Part 1: Setting up your Idea Filtering System
Mark Wilson (University of Rochester)
Start: 01.11.2014 / Arbeitsaufwand: 4-12 Stunden

Externer Link: www.coursera.org

Mit Alltagssprache Computer programmieren

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 06.10.2014

Informatiker des KIT arbeiten an einer Software, die in natürlicher Sprache formulierte Befehle in Programmiersprache übersetzt – und dabei automatisch die zeitliche Abfolge anpasst

Computer sprechen eine eigene Sprache: Programmieren kann sie nur, wer den passenden Code beherrscht. An einer Software, die natürliche Sprache direkt in maschinenlesbare Quelltexte übersetzt, arbeiten derzeit Informatiker des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Nutzer könnten damit in wenigen Sätzen eigene Computeranwendungen erstellen. Eine Herausforderung dabei: Menschen beschreiben Vorgänge nicht immer streng chronologisch. Ein neues Analysewerkzeug der KIT-Forscher ordnet die Anweisungen nun automatisch so hintereinander, wie sie der Computer ausführen soll.

„Wir wollen weg von komplizierten Regelwerken für Nutzer – nichts anderes sind Programmiersprachen – hin zu intelligenten Rechnern, die mit uns in Dialog treten“, sagt Mathias Landhäußer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Programmstrukturen und Datenorganisation (IPD) des KIT. Bislang ließen sich Programme nur dann mit Sprache steuern, wenn sie vom Hersteller genau darauf ausgelegt seien: so beispielsweise das Versenden von Kurznachrichten (SMS) über ein Smartphone. Die Informatiker am KIT arbeiten dagegen an einer Software, die für beliebige Programme eine Sprachschnittstelle einrichtet. Damit könnten Nutzer ihre mobilen Apps nicht nur per Sprachbefehl öffnen, sondern auch bedienen. Bei einer Anwendung, die Heizung, Beleuchtung und Fenster in intelligenten Häusern steuert, haben die Forscher eine solche Schnittstelle bereits erfolgreich eingebunden.

„Bis wir komplexe Software mit Sprache nicht nur bedienen, sondern tatsächlich programmieren können, wird es noch dauern“, schätzt Landhäußer. Ein zentrales Kommunikationsproblem zwischen Mensch und Maschine – das Problem der Reihenfolge – haben die Wissenschaftler gerade gelöst, zunächst beispielhaft für die englische Sprache. „Betrachten wir beispielsweise den Satz ‚Bevor das Auto losfährt, geht das Garagentor auf.‘ Aus unserer Alltagsperspektive ist diese Beschreibung nicht ungewöhnlich“, erklärt Landhäußer. Solle der Vorgang allerdings in einer virtuellen Welt am Computer stattfinden, ergebe sich ein Problem: Der Rechner führt Befehle nacheinander in der Reihenfolge aus, in der sie eintreffen. In dem genannten Beispiel erhält er zunächst die Information „Auto fährt los“ und erst danach die Information „Garagentor geht auf“. Das Auto würde demzufolge gegen das Garagentor fahren. „Sieht das Programm eine solche Aktionskette nicht vor, geschieht bestenfalls nichts, schlimmstenfalls stürzt der Computer ab“, so der Informatiker.

Die neue Software der KIT-Wissenschaftler analysiert nun zeitbezogene Signalwörter, die darauf hinweisen, dass ein eingesprochener Text zeitliche Abläufe nicht streng linear abbildet. Solche Signalwörter geben an, ob etwas „davor“ oder „danach“, „zuerst“ oder „zuletzt“ geschieht – und zwar unabhängig davon, an welcher Stelle die Information steht. Die Informatiker ordnen diesen sprachlichen Begriffen nun logische Formeln zu, um im Quelltext eine chronologische Abfolge herzustellen: Angewandt auf das obige Beispiel, verschiebt die Formel für das Signalwort „bevor“ den Hauptsatz automatisch um eine Position nach vorne. Das Ergebnis lautet: Das Garagentor geht auf, bevor das Auto losfährt.

Vorgaben für Nutzer zum computergerechten Sprechen stellten keine zuverlässige Alternative dar, so die Forscher: Erste Tests zeigten, dass Probanden mit und ohne Programmierkenntnisse trotz entsprechender Aufforderung nicht streng der Reihe nach erzählten, sondern stattdessen unbewusst weiterhin Signalwörter verwendeten. „Unser Ziel ist es, dass sich der Rechner an die Sprechweise der Nutzer anpasst – nicht umgekehrt“, sagt Landhäußer.

Neben dem Reihenfolgenproblem identifizierten die Wissenschaftler noch weitere Herausforderungen beim Programmieren mit natürlicher Sprache. So ersetzten die Probanden etwa einzelne Wörter mit sinnverwandten Begriffen oder Fürwörtern: Dass sich der Begriff „Auto“ auf dasselbe Objekt bezieht, wie „Wagen“ oder „dieses“ im Folgesatz, können Computer allerdings nicht ohne Weiteres ableiten. „Menschen verstehen diese Zusammenhänge, weil das Geschehen vor ihrem inneren Auge als Film abläuft. Wir arbeiten daran, langfristig auch Computern solch ein übergeordnetes Verständnis zu vermitteln“, erklärt Landhäußer. (lcp)

Literatur:
Mathias Landhäußer, Tobias Hey und Walter F. Tichy: Deriving time lines from texts. RAISE 2014 Proceedings of the 3rd International Workshop on Realizing Artificial Intelligence Synergies in Software Engineering, Pages 45-51, ACM New York 2014. Doi: 10.1145/2593801.2593809

Externer Link: www.kit.edu

Miniaturkamera verspricht weniger Unfälle

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.10.2014

Nur wenige Kubikmillimeter misst ein neuartiges Mikrokameramodul, das bald in künftige Fahrerassistenzsysteme integriert werden könnte, um Autofahrer in kritischen Situationen zu unterstützen. Der Winzling lässt sich platzsparend ins Fahrzeug einbauen. Dank einer speziellen Verkapselung arbeitet er besonders zuverlässig.

Oft sind es nur Bruchteile von Sekunden, die über Autounfälle entscheiden: Ein kurzer Moment des Abgelenktseins, Übermüdung oder Unaufmerksamkeit – es gibt viele Gründe, warum die Zahl der Unfälle in Deutschland vor allem auf Autobahnen hoch ist. Laut Angaben des Statistischen Bundesamts stieg die Zahl der Todesopfer auf deutschen Autobahnen 2013 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als acht Prozent. Fahrerassistenzsysteme könnten viele dieser Unglücke vermeiden helfen oder zumindest reduzieren. Mikrokameras sind unverzichtbare Helfer: Sie registrieren mögliche Gefahren bereits dann, wenn der Fahrer sie noch gar nicht wahrgenommen hat, und können ihn so frühzeitig warnen.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin entwickelten ein Mikrokameramodul, das dies leisten soll. Die Kamera erkennt beispielsweise Verkehrsschilder, die gerade auf der Autobahn leicht übersehen werden und so zu schwerwiegenden Unfällen führen können. Eine Besonderheit des Systems: Im Gegensatz zu auf dem Markt üblichen Fahrerassistenzsystemen erfolgt die Verarbeitung des Bildmaterials und somit die Interpretation der Verkehrsschilder direkt in der Kamera, da sie mit einem integrierten Prozessor zur Bildverarbeitung ausgestattet ist. Nachdem der eingebaute Imagesensor die Bilder aufgenommen hat, wertet der Prozessor die Frames aus. »Das Video selbst muss nicht mehr, wie bisher üblich, ausgelesen und durch ein zwischengeschaltetes System analysiert werden. Stattdessen werden nur noch die entsprechenden Signale übertragen«, sagt Andreas Ostmann, Diplomphysiker und Gruppenleiter am IZM. Der Vorteil für die Verkehrszeichenerkennung: Das zu übertragende und zu verarbeitende Datenvolumen fällt um ein Vielfaches kleiner aus. Da sich die Erkennung der Zeichen an alle landestypischen Verkehrsschilder anpassen lässt, gibt es hinsichtlich des Einsatzgebietes keinerlei Beschränkungen: Stopp-Schilder erkennt die Mikrokamera ebenso wie Geschwindigkeitsbegrenzungen, Überholverbote oder Einbahnstraßenschilder. Beispielsweise durch eine Anzeige im Armaturenbrett könnte sie den Fahrer informieren und dadurch den Fahrkomfort und die Sicherheit verbessern.

Mit einer Größe von nur 16x16x12 Kubikmillimetern inklusive Optik und 16x16x4,6 Kubikmillimetern ohne Optik ist das Mikrokameramodul kleiner als aktuell verbaute Assistenzsystemkameras mit Kantenlängen von 20x20x20 Kubikmillimetern (ohne Optik). Möglich wurde diese Miniaturisierung durch die Expertise der IZM-Forscher im Bereich der Aufbau- und Verbindungstechnik. Insgesamt 72 passive und 13 aktive Komponenten wie LEDs, Gleichspannungswandler, Speicherchip, Imagesensor und Imageprozessor mussten besonders platzsparend in dem Modul platziert werden. Dies ist den Forschern gelungen: Das Volumen der Kamera konnte auf gerade einmal 3 Kubikzentimeter mit Optik und auf 1,2 Kubikzentimeter ohne Optik reduziert werden.

Ein weiterer Vorteil des neu entwickelten Moduls: Alle Bauteile sind direkt in die Leiterplatte aus Glasfaser und Epoxidharz integriert. Experten nennen diese Aufbautechnik »Embedding«. Durch diese Verkapselung der elektronischen Komponenten ist die Mikrokamera unempfindlich gegenüber Rüttlern auf unebenen Straßen.

»Unser System lässt sich nicht nur einsetzen, um Verkehrszeichen zu detektieren. Wenn man die integrierte Software entsprechend programmiert, ist auch das Erkennen von Fahrbahnmarkierungen möglich. In dem Fall wird die Kamera mit einem Spurhalteassistenten kombiniert. Da sie auch die Bewegungserkennung beherrscht und Objekte wie Tiere, Personen und deren Position detektiert, ließe sie sich mit einem Bremsassistenten oder Fußgängerschutz koppeln«, führt Ostmann aus. Ein weiteres Szenario: Am Armaturenbrett montiert könnte das Miniatursystem den Innenraum von Fahrzeugen überwachen und vor Sekundenschlaf warnen. Stellt die Kamera fest, dass die Augen des Fahrers etwas länger als eine Sekunde geschlossen sind, wird Alarm ausgelöst. Weitere mögliche Anwendungen für die Miniaturkamera könnten Diebstahlschutz und Qualitätskontrolle sein. Hierfür müssen lediglich die Bildverarbeitungsalgorithmen entsprechend angepasst werden.

Externer Link: www.fraunhofer.de