Forscher beschreiben wichtigen Mechanismus für die Energieversorgung des Körpers

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 06.09.2022

Im Körper ist es wie in der Wirtschaft: Schwächelt die Energieversorgung, hat das gesamte System ein Problem. Im Körper spielt eine Proteinstruktur namens MICOS eine wichtige Rolle. Funktioniert sie nicht richtig, können schwere degenerative und metabolische Krankheiten die Folge sein. Die Funktionsweise von MICOS haben Forscher der Universität des Saarlandes und des Max-Delbrück-Zentrums für Molekulare Medizin nun in einer gemeinsamen Veröffentlichung in Science Advances beschrieben.

Das aktuelle Thema Energieversorgung betrifft nicht nur unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft. Deren komplexes Zusammenspiel gerät in Gefahr, wenn einzelne zentrale Unternehmen oder wichtige Branchen, die Schwierigkeiten bei der Energieversorgung haben, auszufallen drohen. Wenn der Gasversorger schwächelt, kann auch der Bäcker kein Brot backen, vereinfacht ausgedrückt. Ganz ähnlich geht es auch im menschlichen Körper zu.

Den Energieversorgern in unserer Wirtschaft entsprechen im Körper die Mitochondrien, weshalb sie auch gemeinhin als „Kraftwerke der Zellen“ bekannt sind. Innerhalb der Mitochondrien spielen sich komplexe biochemische Prozesse ab, in deren Verlauf die über die Nahrung zugeführte Energie in den körpereigenen Energieträger Adenosintriphosphat (ATP) umgewandelt wird. Dieses ATP dient dann als „Treibstoff“, mit dem alle Lebensprozesse befeuert werden. Gerät die ATP-Herstellung nun an einer Stelle ins Stocken, kann das gravierende Auswirkungen auf den menschlichen Körper haben, bis hin zu schwerer Krankheit und Tod.

Die Bereiche in den Mitochondrien, an welchen die ATP-Synthese vonstattengeht, sind die so genannten Cristae, Ausstülpungen an der Innenmembran von Mitochondrien. „In den Cristae befinden sich molekulare Maschinen, die wie Turbinen wirken und den kontrollierten Strom von Wasserstoff-Ionen als Triebkraft für die ATP-Synthese nutzen“ erklärt Martin van der Laan, Professor für Medizinische Biochemie an der Universität des Saarlandes. „Dieser elegante Mechanismus kann nur dann funktionieren, wenn die interne Feinstruktur von Mitochondrien und die Ausbildung von Cristae kontinuierlich aufrecht erhalten werden“, führt der Wissenschaftler weiter aus. Er hat nun mit seinem Team sowie Kolleginnen und Kollegen des Max-Delbrück-Zentrums für Molekulare Medizin in Berlin-Buch in einer gemeinsamen Veröffentlichung in der international angesehenen Fachzeitschrift Science Advances erste Einblicke in den molekulare Aufbau einer großen und kompliziert gebauten Gerüstprotein-Struktur der Cristae gewinnen können.

Diese Struktur, das Mitochondrial Contact Site and Cristae Organizing System (MICOS), ist quasi das Eingangstor in die Cristae-Kompartimente. Bestimmte Proteine des MICOS, Mic60 und Mic19, können Membranen verformen, und sie lassen nur ausgewählte Moleküle ein- und austreten, ein „mitochondrialer Türsteher“ sozusagen. Die Forscher können nun erklären, wie die MICOS-Komponenten Mic60 und Mic19 faserartige Bündel bilden, die sich zu einer molekularen Gewölbestruktur über dem Eingang in die Cristae zusammen lagern. „Dieses Gewölbe ist an der Membran der Mitochondrien elastisch aufgehängt“, erläutert Professor van der Laan. „Das Konstruktionsprinzip gibt wichtige Hinweise darauf, wie MICOS als flexibel regulierbare Schleuse den Zugang zu Cristae und damit den mitochondrialen Energiestoffwechsel kontrollieren könnte.“

Möglich machte diesen Durchbruch erst die erfolgreiche Kombination von Erkenntnissen aus der Strukturaufklärung gereinigter und kristallisierter Fragmente von MICOS und der gezielten funktionellen Analyse von gentechnisch veränderten MICOS-Varianten in lebenden Zellen, die in Zusammenarbeit der beteiligten Arbeitsgruppen entstanden sind.

Die bahnbrechenden neuen Erkenntnisse bereiten den Boden für interdisziplinäre Folgestudien, die nun die Bedeutung der hier gezeigten Gewölbestruktur für die Struktur und Funktion der Cristae und für den mitochondrialen Energiestoffwechsel überprüfen und genauer analysieren werden. „Voraussichtlich führen unsere Untersuchungen zu weiteren wichtigen Beiträgen, die für ein besseres Verständnis von Erkrankungen mit mitochondrialer Fehlfunktion sorgen werden“, blickt Martin van der Laan in die Zukunft.

Originalpublikation:
Bock-Bierbaum, T., Funck, K., Wollweber, F., Lisicki, E., von der Malsburg, K., von der Malsburg, A., Laborenz, J., Noel, J.K., Hessenberger, M., Jungbluth, S., Bernert, C., Kunz, S., Riedel, D., Lilie, H., Jakobs, S., van der Laan, M., and Daumke, O. (2022). Structural insights into crista junctions formation by the Mic60-Mic19 complex. Science Advances 8: eabo4946.

Externer Link: www.uni-saarland.de

Hochreflektierende Spiegel aus dem Tintenstrahldrucker

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 07.09.2022

Forschende des KIT entwickeln ein Verfahren, mit dem erstmals Spiegel mit einer Reflektion von mehr als 99 Prozent in variabler Größe gedruckt werden können

Dielektrische Spiegel, auch Bragg-Spiegel genannt, können Licht fast vollständig reflektieren. Damit eignen sie sich für zahllose Anwendungen, etwa in Kamerasystemen, in der Mikroskopie, in der Medizintechnik oder in Sensorsystemen. Bisher mussten diese Spiegel aufwendig in teuren Vakuumapparaturen hergestellt werden. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben nun erstmalig Bragg-Spiegel in hoher Qualität mit Tintenstrahldruckern gedruckt. Das Verfahren könnte den Weg zu einer digitalen Fertigung von maßgeschneiderten Spiegeln eröffnen. Die Ergebnisse erschienen in Advanced Materials.

Für Bragg-Spiegel werden mehrere Materialschichten dünn auf einen Träger aufgebracht. Diese Spiegel, die aus einer Vielzahl von dünnen Schichten bestehen, bilden einen optischen Spiegel, der dafür sorgt, dass Licht bestimmter Wellenlänge gezielt reflektiert wird. Wie stark Bragg-Spiegel reflektieren, hängt von den Materialien ab, aber auch davon, wie viele Schichten man aufbringt und wie dick diese sind. Bisher mussten Bragg-Spiegel mit kostspieligen Vakuum-Produktionsanlagen hergestellt werden. Dem Karlsruher Team ist es erstmals gelungen, sie auf verschiedene Träger zu drucken. Damit lässt sich die Produktion erheblich vereinfachen.

Tinten aus Nanopartikeln

„Es war eine große Herausforderung, geeignete Tinten zu entwickeln und ein zuverlässiges Verfahren zur Herstellung mehrerer Schichten zu etablieren“, so Professor Uli Lemmer vom Lichttechnischen Institut (LTI) des KIT, der das Projekt im Rahmen des Exzellenzclusters „3D Matter Made to Order“ leitet. Die Bestandteile der Tinten müssen passende optische Eigenschaften haben und außerdem löslich sein. Darüber hinaus sollte jede Schicht so gleichmäßig wie möglich sein, um einen einheitlichen Stapel an Schichten zu gewährleisten. Außerdem muss sich der Druck genau steuern lassen und die Ergebnisse müssen reproduzierbar sein, um verlässlich hervorragende optische Eigenschaften, das heißt ein hohes Reflektionsvermögen der Bragg-Spiegel, zu garantieren. Das Forschungsteam setzte dabei auf Nanopartikel: „Aufgrund der rasanten Entwicklung in der Nanochemie werden Nanopartikel immer preiswerter und vielfältiger“, so Lemmer. Sein Team verwendete als optisch wirksame Bestandteile der Tinten einen Mix zweier unterschiedlicher Materialien, Titandioxid und Polymethylmethacrylat. Mit diesen Tinten gelang es ihnen, die optischen Eigenschaften und die Dicke einer einzelnen Schicht mit extremer Präzision im Tintenstrahldruck zu erzeugen. „Wir haben einen ultrahohen Reflektionsgrad von 99 Prozent mit nur zehn Doppelschichten erreicht“, sagt Lemmer.

Drucken auf großen und kleinen Flächen

Die von den Forschenden am LTI entwickelte Herstellungsmethode kann einerseits auf sehr kleine Flächen bis hinab in Bereiche von einigen Mikrometern angewendet werden, sodass zum Beispiel optische Komponenten für die Mikrosystemtechnik oder für Kamerasysteme einfach hergestellt werden können. Andererseits können auch große Flächen wie Solarmodule, Fassadenelemente oder Werbedisplays von einigen Quadratmetern bedruckt werden. Sogar auf flexible Kunststofffolien konnten die Spiegel bereits gedruckt werden. „Das komplett digitale Herstellungsverfahren erlaubt die Herstellung von Spiegelschichten exakt angepasst auf die Anwendung. Dies ist gegenüber den bisherigen Fertigungsverfahren ein immenser Vorteil“, so Lemmer. (rli)

Originalpublikation:
Q. Zhang, Q. Jin, Q. A. Mertens, C. Rainer, R. Huber, J. Fessler, G. Hernandez-Sosa, U.Lemmer, “Fabrication of Bragg Mirrors by Multilayer Inkjet Printing”. Advanced Materials 34, 2201348 (2022). DOI: 10.1002/adma.202201348

Externer Link: www.kit.edu

Grüne Klebstoffe aus Molke

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.09.2022

Fraunhofer-Forschende haben gemeinsam mit der TU Dresden ein Verfahren entwickelt, bei dem aus Molke wertvolles Ethylacetat in hoher Reinheit gewonnen wird. Dieses kann beispielsweise für die Herstellung umweltfreundlicher Klebstoffe verwendet werden und ersetzt damit das herkömmliche Ethylacetat aus fossilen Rohstoffen. Auch die aufwendige Entsorgung der bei der Molke-Verarbeitung entstehenden Melasse wird damit überflüssig.

In der Milchindustrie fallen täglich große Mengen Molke als Nebenprodukt an. Allein in Deutschland sind das Jahr für Jahr 12,6 Millionen Tonnen. So entstehen bei der Herstellung eines Kilogramms Käse beispielsweise neun Kilogramm Molke. Sie wird teilweise weiterverarbeitet, etwa zu Trinkmolke mit Fruchtzusatz oder anderen Mischgetränken. Trennt man die in der Molke enthaltene Laktose sowie die Proteine ab, lassen sich diese ebenfalls nutzen, etwa als Rohstoff in der Pharmazie oder auch in Babynahrung. Doch nach Abtrennung von Proteinen und Laktose bleibt eine Melasse zurück. Deren Entsorgung ist aufgrund des relativ hohen Salzgehalts äußerst aufwendig und teuer.

Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme IKTS in Hermsdorf haben nun gemeinsam mit der Technischen Universität Dresden ein Verfahren entwickelt, bei dem aus der Melasse wertvolles Ethylacetat (Essigsäureethylester) – ein farbloses Lösungsmittel – gewonnen wird. Dieses kommt vielfach bei der Herstellung von Klebstoffen, Druckfarben oder Lacken zum Einsatz und kann auch zur Reinigung von Oberflächen eingesetzt werden.

Bisher wird Ethylacetat aus Erdgas und Erdölderivaten erzeugt. Das Ethylacetat aus der Molke ist dagegen ein Produkt, das wegen seiner leichten mikrobiellen Abbaubarkeit den umweltschädlichen Lösungsmitteln deutlich überlegen und zudem unabhängig von den Preisschwankungen bei Erdgas und Erdöl ist. Ein weiterer Vorteil: Das von der TU Dresden und dem Fraunhofer IKTS entwickelte Verfahren macht die aufwendige Entsorgung der Melasse überflüssig. Das abgeschiedene Ethylacetat bietet einen hohen Reinheitsgrad von 97,5 Prozent und lässt sich damit ohne weitere Bearbeitungsschritte sofort als Rohstoff nutzen.

Fermentieren der Melasse und Trennung in der Membran

Der Trennungsprozess ist grundsätzlich nicht kompliziert. Im ersten Schritt wird die Melasse im Bioreaktor fermentiert. Der Reaktor wird dabei belüftet, um aerobe Bedingungen einzustellen. Es entsteht ein Gas-Dampf-Gemisch, das als Bestandteil Ethylacetat enthält. Dieses wird dann durch spezielle Kompositmembranen abgetrennt. »Als Abfallprodukt bleibt ein Gas-Wasserdampf-Gemisch zurück, das problemlos in die Umwelt abgegeben werden kann«, sagt Dr. Marcus Weyd, Leiter der Gruppe Membranverfahrenstechnik und Modellierung.

Bei der Entwicklung der Membran konnten die Forschenden des Fraunhofer IKTS ihre jahrzehntelange Expertise im Bereich Materialien, insbesondere der Membrantechnologien einbringen. Bei der für das Verfahren neu entwickelten Kompositmembran werden Polymere mit anorganischen Partikeln auf Basis von Zeolith (Silikalith-1) kombiniert. »Als Polymer verwenden wir flüssigen Siliconkautschuk, der mit Zeolith vermischt und anschließend auf ein stützendes Polyestervlies aufgebracht und ausgehärtet wird. Die Membran ist insgesamt nur 10 µm dick, die Porengröße liegt bei 0,5 nm«, erläutert Dr. Thomas Hoyer, Spezialist für den Bereich Zeolithmembranen und Nanokomposite.

Auch wenn die Membran mit Poren ausgestattet ist, verläuft der eigentliche Trennvorgang nicht wie bei einem Sieb. Die Trennwirkung entsteht vielmehr durch eine chemische Wechselwirkung zwischen Zeolith und Ethylacetat. »Die Moleküle werden durch den Zeolith adsorbiert, gleiten an den Porenoberflächen entlang und diffundieren so durch die Kompositmembran«, erklärt Hoyer. Es ist auch nicht nötig, hohen Druck anzulegen, um das Ethylacetat gewissermaßen durch die Membran zu pressen. »Es genügt eine gewisse Partialdruckdifferenz, um die chemische Wechselwirkung und die anschließende Diffusion zu initiieren.«

Verwertungsmöglichkeiten für Melasse gesucht

Entstanden ist die Idee aus einer Initiative der Technischen Universität Dresden, die nach Verwertungsmöglichkeiten für die Melasse suchte und sich dabei an das Fraunhofer IKTS wandte. Das Team der TU beschäftigte sich mit dem Fermentationsprozess, das Fraunhofer-Team kümmerte sich um die Entwicklung und Optimierung der Membrantechnik. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat das Vorhaben im Rahmen Projektes AIF 20311 BR unterstützt.

»Uns ist es gelungen, mit einem relativ einfachen und kostengünstigen Verfahren eine hochentwickelte Membran mit extrem kleinen Poren herzustellen«, fasst Weyd zusammen. Ein praktischer Vorteil für Industrieunternehmen liegt in dem nur einstufigen Abtrennprozess, für den dementsprechend nur wenige Membran- und Steuerungsmodule benötigt werden. Wenn die Prozessparameter bei Fermentation und Trennung richtig eingestellt sind, läuft der Trennvorgang von allein und stabil.

Im nächsten Schritt wollen die Forschenden die Größe der Membranmodule skalieren, um so die Technologie für den industriellen Einsatz zur Verfügung stellen zu können. Die Technologie ist nicht nur für die Gewinnung von Ethylacetat aus Melasse geeignet. Sie könnte überall da zum Einsatz kommen, wo es darum geht, Gasgemische zu separieren oder leichtflüchtige Komponenten wie Kohlenwasserstoffe abzutrennen.

Externer Link: www.fraunhofer.de

technologiewerte.de – MOOCblick September 2022

Spannende Themen, herausragende Dozenten und flexible Lernmöglichkeiten tragen zum wachsenden Erfolg der Massively Open Online Courses (MOOCs) bei – offene, internetgestützte Kurse mit einer Vielzahl an Teilnehmern rund um den Globus.

Folgender Kurs – zu finden auf der MOOC-Plattform edX – sollte einen Blick wert sein:

Technology Entrepreneurship: Lab to Market
Karim Lakhani (Harvard University) et al.
Start: flexibel / Arbeitsaufwand: 10-20 Stunden

Externer Link: www.edx.org