Ende der jährlichen Auffrischung? Neueste Ergebnisse lassen auf universellen Grippeimpfstoff hoffen

Medieninformation der Universität Innsbruck vom 10.02.2022

Monica Fernández-Quintero und Klaus Liedl vom Institut für Allgemeine, Anorganische und Theoretische Chemie der Uni Innsbruck haben zusammen mit Wissenschaftler*innen der University of Chicago, des Scripps Research Institute und der Icahn School of Medicine eine neue Klasse breit neutralisierender Antikörper gegen das Influenza-Virus identifiziert und so einen wesentlichen Fortschritt bei der Suche nach einem universellen Grippeimpfstoff erzielt. Die Wissenschaftler*innen publizierten ihre Ergebnisse heute im Fachmagazin Nature.

In einem typischen Jahr erkranken allein in Österreich circa 5 -15 % der Bevölkerung an Influenza und rund 1000 Personen sterben an einer Ansteckung mit Influenzaviren. Impfstoffe gegen das Grippe-Virus bringen das Immunsystem in der Regel dazu, Antikörper zu bilden, die den Kopf des Hämagglutinins (HA) erkennen, ein Protein, das sich von der Oberfläche des Virus nach außen erstreckt. Der Kopf ist der am besten zugängliche Bereich des HA und damit ein gutes Ziel für das Immunsystem; leider ist er aber auch einer der variabelsten: Von Jahr zu Jahr mutiert der HA-Kopf häufig, so dass jährlich angepasste Impfstoffe gegen das Grippe-Virus erforderlich sind.

Neue Antikörper-Klasse identifiziert

Forscher*innen haben experimentelle Grippeimpfstoffe entwickelt, die universeller sind und den Körper dazu anregen, Antikörper gegen die weniger variable Stielregion des HA zu bilden, die sich wie ein Stiel zwischen dem Influenzavirus und dem HA-Kopf erstreckt. Einige dieser universellen Grippeimpfstoffe befinden sich derzeit in frühen klinischen Versuchen. In der Studie, die das internationale Forscher*innen-Team nun in Nature veröffentlicht hat, wurden 358 verschiedene Antikörper im Blut von Personen analysiert, die entweder einen saisonalen Grippeimpfstoff erhalten haben, an einer Phase-I-Studie für einen experimentellen universellen Grippeimpfstoff teilnahmen oder sich auf natürliche Weise mit der Grippe infiziert hatten. Bei vielen der im Blut der Teilnehmer*innen vorhandenen Antikörper handelte es sich um Antikörper, von denen bereits bekannt war, dass sie entweder den HA-Kopf oder den HA-Stiel erkennen. Eine Gruppe neuer Antikörper stach jedoch heraus: Diese Antikörper binden an den unteren Teil des Stiels, den die Wissenschaftler*innen in weiterer Folge als Anker bezeichneten. Dieser Anker befindet sich in der Nähe der Stelle, an der jedes HA-Molekül an der Membran des Grippevirus befestigt ist. Insgesamt identifizierten die Wissenschaftler*innen 50 verschiedene Antikörper gegen den HA-Anker, die von insgesamt 21 Personen stammten.

Simulation erweitert das Experiment

„Unser Beitrag im Rahmen dieser internationalen Kooperation bestand aus der Simulation und Optimierung von Modellen der Antikörper. Aufbauend auf unsere jahrelange Arbeit in diesem Bereich sind wir in der Lage, Antikörper und ihr Verhalten mithilfe von Graphics Processing Units (GPU) zu simulieren. Da wir unsere Rechnersysteme selbst zusammenbauen, können wir sie an besonders herausfordernde Problemstellungen anpassen“, erklärt Klaus Liedl.

Andrew Ward und seine Kollegen bei Scripps Research haben die Antikörper im Anschluss mittels Kryo-Elektronenmikroskopie (Kryo-EM) untersucht und es zeigte sich, dass diese im Labor erzielten Resultate die Ergebnisse der ersten Simulationen bestätigten. „Nachdem die Zuverlässigkeit unserer Simulationen bestätigt war, untersuchten wir anhand weiterer Modelle vier Antikörper und konnten so wesentliche Erkenntnisse über ihr Verhalten und ihre Bindeeigenschaften liefern“, ergänzt Monica Fernández-Quintero. „Diese Modelle bestätigten auch, dass die neu identifizierte Art der Antikörper sowohl in ihrer Struktur als auch in ihrer Funktion sehr stark konserviert ist. Das hat uns auch den Vergleich dieser Strukturen immens erleichtert, denn wenn alle relativ gleich sind, kann man die Dynamiken und Unterschiede gezielt lokalisieren und genauer untersuchen“, so die Nachwuchswissenschaftlerin.

Die Forscher*innen planen nun weitere Studien zur Entwicklung eines Impfstoffs, der möglichst direkt auf den HA-Anker verschiedener Grippestämme abzielt und so die Bildung der neu identifizierten Antikörper-Klasse auslöst. Die Antikörper selbst könnten auch als Arzneimittel mit breiter therapeutischer Anwendung entwickelt werden.

Originalpublikation:
Guthmiller, J.J., Han, J., Utset, H.A. et al. Broadly neutralizing antibodies target a hemagglutinin anchor epitope. Nature (2021).

Externer Link: www.uibk.ac.at

Wie künstliche Intelligenz beim Kampf gegen Doping helfen kann

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 10.02.2022

Künstliche Intelligenz könnte in Zukunft dazu beitragen, dass sportliche Wettkämpfe sauber und fair bleiben: Professor Wolfgang Maaß forscht mit seinem Team daran, Dopingverstöße mit selbstlernenden Computersystemen schneller und einfacher zu entlarven. In Projekten mit der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada arbeitet der Wirtschaftsinformatiker daran, Datensysteme, die er für die Industrie 4.0 entwickelt hat, mit Daten aus Doping-Kontrollen zu trainieren, um sportlichen Betrug effizient aufzudecken.

Ungleiche Chancen, unfairer Wettkampf, unsauberer Sport – wird gedopt, bleibt nicht nur die Gerechtigkeit auf der Strecke. Sportlerinnen und Sportler setzen auch ihre Gesundheit aufs Spiel. Der Kampf gegen Doping ist ein schwieriges Unterfangen. Sportbetrug zu entlarven, ist komplex und aufwändig. Künstliche Intelligenz könnte die Doping-Kontrolleure bei dieser Aufgabe unterstützen, ist Professor Wolfgang Maaß überzeugt. „Methoden künstlicher Intelligenz können die Doping-Kontrollverfahren beschleunigen und effizienter machen“, erklärt der Wirtschaftsinformatiker. Normalerweise sorgen Maaß und sein Team mit ihren intelligenten Datensystemen an der Universität des Saarlandes und am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) für Transparenz in der Industrie 4.0: Sie sagen früh und zuverlässig voraus, ob etwa Störungen an Anlagen oder in Lieferketten drohen und finden passende Lösungen. Jetzt will Maaß die smarten Computer-Algorithmen auch gegen Doping einsetzen. „Unsere Datensysteme sind auch über den Wirtschaftsbereich hinaus aufschlussreich“, erklärt er.

Die Ergebnisse von bislang drei Projekten, bei denen Maaß mit der Welt-Anti-Doping- Agentur Wada kooperiert, liefern deutliche Hinweise darauf, dass die mit Wirtschaftsdaten vortrainierten Saarbrücker KI-Systeme auch bei Doping funktionieren und Sportbetrugsfälle verschiedener Art schnell und zuverlässig erkennen können. „Unsere bisherigen Forschungsarbeiten verlaufen vielversprechend. Die KI-basierten Analysen von biochemischen und weiteren Daten aus Doping-Kontrollen liefern sehr gute Ergebnisse“, sagt Maaß. Seine Vision ist, die Arbeit der Doping-Labore in Zukunft durch Analysen im virtuellen Labor zu unterstützen.

Bei Doping-Kontrollen fallen zahlreiche Daten an. So werden in Trainings- und Wettkampfzeiten teils über längere Zeiträume Blut- und Urinproben genommen, in Laboren analysiert und auf verbotene Substanzen und Methoden hin untersucht. Auch weitere Informationen rund um die Athletinnen und Athleten kommen hinzu. Da die Kontrollen immer und überall erfolgen können, melden die Sportler zum Beispiel auch ihren aktuellen Aufenthaltsort. Mit allen solchen Daten können die angelernten KI-Datensysteme gefüttert werden, um Manipulationen auf die Spur zu kommen.

Mithilfe maschineller Lernmethoden und Deep Learning bringen die Forscherinnen und Forscher dem System bei, Doping treffsicher an typischen Mustern zu erkennen. Es lernt, winzigste, aber charakteristische Doping-Merkmale wie Puzzleteile zu identifizieren. Hierfür trainiert Maaß‘ Team das Computer-System mit den Daten aus Doping-Kontrollen vieler Athletinnen und Athleten. Das System ist in der Lage, alle möglichen Verknüpfungen in den Daten zu durchleuchten, das heißt, es begreift, wie die einzelnen Puzzleteile des mehrdimensionalen Puzzles eines Doping-Falles zusammenhängen.

Das KI-System erfasst und gewichtet etwa Blutmarker oder Steroidprofil-Daten in Urin, bezieht kausale und zeitliche Abläufe bei mehreren Proben ebenso mit ein wie die chemischen Umwandlungen der Stoffe im Körper oder auch die Wirk-Zusammenhänge des Dopingmittels. Mit etwas Training findet es in den digitalen Daten und Zahlenkolonnen Muster und kleinste Nuancen, die auf Abweichungen hindeuten und typisch für Dopingfälle sind. Auf diese Weise sagt es voraus, wie wahrscheinlich es bei einer bestimmten Puzzle-Konstellation ist, dass jemand verbotene Substanzen eingesetzt oder die Tests anderweitig verfälscht hat.

„Um komplexe Modelle trainieren zu können, brauchen wir sehr viel Datenmaterial, insbesondere zu positiven Dopingfällen. Mit sogenannten generativen maschinellen Lernverfahren – wir sprechen abgekürzt von ‘GAN‘ – können wir unseren Datenpool anreichern. Erst ein tiefes Verständnis der Daten und der zugrundeliegenden, biologischen Zusammenhänge erlaubt es uns, derartige KI-Modelle zu entwickeln und zu testen“, erklärt Wolfgang Maaß.

2015 testete Maaß in Kooperation mit der Wada erstmals, ob seine Datensysteme generell in der Lage sind, anhand einer anonymisierten Auswahl biochemischer Analyse-Daten Doping mit dem Mittel Erythropoetin, kurz „EPO“, aufzuspüren. Bei dieser Methode des Blutdopings wird die Zahl an roten Blutkörperchen erhöht, um mehr Sauerstoff zu transportieren und so die Leistung zu steigern. „Wir verwendeten als Datensatz für das Training mehrere Blutindikatoren und eine Reihe von Fragebögen über Aktivitäten der Sportlerinnen und Sportler“, erläutert Maaß. Beim Vergleich mit den tatsächlichen Ergebnissen der Dopingkontrollen zeigte das Datensystem bereits in diesem ersten, noch nicht spezifisch weiterentwickelten Stadium eine sehr gute Trefferquote.

Ein weiteres Projekt mit der Wada bestätigte die sehr gute Vorhersage-Qualität: Diesmal arbeiteten Maaß und sein Forschungsteam mit dem Fachbereich für Ernährung, Bewegung und Sport der Universität Kopenhagen im Rahmen einer Studie ebenfalls zu EPO-Doping zusammen. Ohne weitere Hintergrundinformationen werteten die Saarbrücker Forscherinnen und Forscher mithilfe ihres Datensystems bestimmte Blutmarker und Blutwerte aus verschiedenen Trainingsgruppen mit insgesamt 50 Probandinnen und Probanden aus: Die Computer-Algorithmen erkannten die EPO-Doping-Gruppe und filterten diese aus den Vergleichsgruppen heraus – darunter auch eine Gruppe Sportler, deren Blutkörperchen-Zahl wegen Trainings in großer Höhe natürlich erhöht war.

Im jüngsten Projekt mit der Wada und dem Institut für Biochemie der Sporthochschule Köln, dessen Ergebnisse das Team im Dezember vorgelegt hat, erkannten die Computer-Algorithmen durch spezielle Trainings auch anderweitige Manipulation über die klassischen Dopinganalysen hinaus: „Unser System kommt auch dem Austausch von Urinproben auf die Spur“, sagt Maaß. Diese Art des Betrugs, bei dem die Urinprobe eines gedopten Sportlers mit einer „sauberen“ Urinprobe vertauscht wird, ist für Doping-Kontrolleure extrem schwer nachzuweisen und mit höchst aufwändigen Analysen verbunden. Mit Deep-Learning-Trainings erkennt das Saarbrücker Datensystem auch die typischen Muster solcher Manipulationen. „Die Sensitivität und Spezifität unserer Methoden erreicht bereits jetzt hohes Niveau; wir können dies aber auch noch weiter verbessern. Dies lässt darauf schließen, dass der Einsatz von KI-Methoden im Doping die Kontrollen effektiv unterstützen kann“, sagt Maaß, der jetzt die Zusammenarbeit mit der Wada und der Sporthochschule Köln weiter intensivieren will.

Aktuell arbeitet Wolfgang Maaß daran, die Forschungsaktivitäten gegen Doping grenzüberschreitend auszuweiten: Er leitet den Aufbau eines deutsch-französischen Netzwerks, das den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Kampf gegen Doping intensivieren soll: Beteiligt hieran sind das französische Anti-Doping Labor in Paris (Laboratoire AntiDopage Français, LADF, Université Paris-Saclay), das französische Nationale Forschungsinstitut für Informatik und Automatisierung INRIA (Institut national de recherche en informatique et en automatique), die Sporthochschule Köln sowie Maaß‘ Lehrstuhl an der Saar-Universität und seine Forschungsgruppe „Smart Service Engineering“ am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, DFKI.

Externer Link: www.uni-saarland.de

Perowskit-Solarmodule in Marmoroptik

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 09.02.2022

Forschende des KIT demonstrieren farbige Perowskit-Solarmodule für Häuserfassaden

Ab 2022 gilt für alle Neubauten in Baden-Württemberg die Photovoltaik-Pflicht. Betroffen sind davon ab Mai auch private Haushalte, bei denen der Anteil an Solarinstallationen noch sehr gering ist. Studien zufolge könnte neben den hohen Anschaffungskosten die mangelnde Ästhetik der Anlagen ein Grund dafür sein. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben farbige Solarzellen aus günstigem Perowskit-Halbleitermaterial entwickelt, die auf lange Sicht in Gebäudefassaden oder Dächern integriert werden können und dabei die Optik bekannter Baumaterialien imitieren. Darüber berichten sie in der Zeitschrift Solar RRL.

Perowskit-Solarzellen zeigen schon jetzt im Labor Wirkungsgrade von über 25 Prozent – und das bei kostengünstigeren Ausgangsstoffen und einfacheren Herstellungsmethoden als die ähnlich effizienten Silizium-Solarzellen. Noch gilt das allerdings nur im Kleinen: „Eine zentrale Hürde für den Markteintritt der Technologie ist es, neben der Stabilität, den auf kleinen Flächen erzielten hohen Wirkungsgrad auf große Flächen zu übertragen“, so Tenure-Track-Professor Ulrich W. Paetzold vom Institut für Mikrostrukturtechnik (IMT) des KIT. Nur so könne die Technologie jedoch zur Entwicklung von kosteneffizienten Solarmodulen führen. Die Perspektive sei attraktiv, denn eben solche könnten massenhaft in noch ungenutzte Gebäudeteile wie zum Beispiel Fassaden integriert werden. Weil für eine solche Nutzung neben Kosten und Wirkungsgrad insbesondere auch die Ästhetik eine wichtige Rolle spielt, untersuchte das Forschungsteam um Paetzold zusammen mit dem Industriepartner SUNOVATION eine Tintenstrahldruck-Methode, mit der die Perowskit-Solarmodule eingefärbt werden kann. Ihr Vorteil: Die Färbung der Module per Tintenstrahldruck ist kostengünstig und auch für größere Flächen geeignet.

Farbeindruck ist unabhängig vom Lichteinfall

Der gewählte Ansatz hat einen weiteren erheblichen Vorteil: „Bisher war bei der Herstellung von farbigen Perowskit-Solarzellen der farbliche Eindruck der Solarzelle für den Betrachter stark vom Winkel des einfallenden Lichts abhängig“, erklärt Projektkoordinator Helge Eggers vom IMT. „Bei unserer Methode ist die verwendete Farbe dagegen fast gar nicht vom Einfallwinkel des Sonnenlichts abhängig, sondern sieht immer gleich aus“, so Eggers. In einer groß angelegten Experimentreihe konnten die Forschenden belegen, dass diese ursprünglich für Solarmodule aus Silizium entwickelte Methode auch bei Perowskit-Solarmodulen effizient anwendbar ist. Die lebhaft in den Basisfarben Cyan, Magenta und Gelb kolorierten Solarzellen zeigten bis zu 60 Prozent der ursprünglichen Effizienz beim Umwandeln von Solarenergie in Strom.

Solarmodule in Marmoroptik dank Farbmischung

Die Methode hat außerdem einen weiteren Vorteil: Durch die Tintenstrahldrucktechnik können diese Farben gemischt werden. Damit ist nicht nur ein weites Farbspektrum möglich, sondern auch der Druck komplexer Farbmuster. Die Forschenden nutzten dies, um Solarmodule in der Optik von verschiedenen Baumaterialien herzustellen. Besonders effizient zeigten sich Perowskit-Solarmodule in weißer Marmoroptik. Hier konnte das Team Wirkungsgrade von bis zu 14 Prozent erreichen. „Das Ziel von gebäudeintegrierter Photovoltaik ist es, photovoltaische System nicht auf Dächer oder Fassaden zu montieren, sondern diese durch Module zu ersetzen und damit zusätzliche Kosten zu vermeiden“, sagt Eggers. „Für in gebäudeintegrierte Photovoltaik gilt: Eine integrierte Solarzelle mit geringer Effizienz ist besser als eine Wand, die gar keinen Strom liefert. Ein Wirkungsgrad von 14 Prozent ist da enorm.“ (rli)

Originalpublikation:
Eggers, H., Gharibzadeh, S., Koch, S., Schackmar, F., Ritzer, D.B., Abzieher, T., Richards, B.S., Erban, C., Paetzold, U.W.: Perovskite Solar Cells with Vivid, Angle-Invariant, and Customizable Inkjet-Printed Colorization for Building-Integrated Photovoltaics. Solar RRL, 2022. DOI: 10.1002/solr.202100897

Externer Link: www.kit.edu

technologiewerte.de – MOOCblick Februar 2022

Spannende Themen, herausragende Dozenten und flexible Lernmöglichkeiten tragen zum wachsenden Erfolg der Massively Open Online Courses (MOOCs) bei – offene, internetgestützte Kurse mit einer Vielzahl an Teilnehmern rund um den Globus.

Folgender Kurs – zu finden auf der MOOC-Plattform edX – sollte einen Blick wert sein:

GIS Foundations
Santosh Panda (University of Alaska Fairbanks) et al.
Start: flexibel / Arbeitsaufwand: 12-20 Stunden

Externer Link: www.edx.org

Lotuseffekte lasern

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.02.2022

In Oberflächen lassen sich jetzt im Handumdrehen Nano- und Mikrostrukturen per Laser einarbeiten. Die Technologie wird von der jungen Dresdner Firma Fusion Bionic entwickelt und vertrieben – einer Ausgründung aus dem Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS. Bei der Laserstrukturierung sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Ihr Vorteil: Sie ist schnell und deutlich vielseitiger als Beschichtungen.

Oberflächen von Produkten lassen sich durch viele verschiedene Effekte veredeln. Beim Lotuseffekt zum Beispiel sorgt eine Mikrostruktur dafür, dass Schmutz nicht anhaftet, sondern beim nächsten Regen einfach abgewaschen wird. Die feinen Rippeln der Haifischhaut wiederum verbessern die Strömung an der Außenseite von Flugzeugen und Schiffen, was Treibstoff spart. Bislang werden viele solcher naturinspirierter Effekte erzeugt, indem man die Oberfläche beschichtet oder mit Folien beklebt, in die Mikrostrukturen eingeprägt sind. Doch Beschichtungen und Folien können sich abnutzen, sodass der gewünschte Effekt mit der Zeit nachlässt. Forscher am Fraunhofer IWS und an der Technischen Universität Dresden haben in den vergangenen Jahren eine alternative Methode zur Marktreife gebracht, mit der man Oberflächen dauerhaft mit Nano- und Mikrostrukturen versehen kann: die Direkte Laserinterferenz-Strukturierung (Direct Laser Interference Patterning, DLIP). Bei diesem Verfahren wird die Nano- oder Mikrostruktur per Laser direkt in die Oberfläche eingeschrieben, um biomimetische Effekte zu erzeugen. Bemerkenswert ist die hohe Geschwindigkeit des Verfahrens, das aktuell pro Minute eine Fläche von bis zu einem Quadratmeter bearbeiten kann. Die neue Technologie ist so vielversprechend, dass in diesem Jahr die Firma Fusion Bionic aus dem Fraunhofer IWS ausgegründet wurde. Fusion Bionic entwickelt und vertreibt DLIP-Systemlösungen für die biomimetische Oberflächenveredelung, führt im Auftrag von Kunden aber auch selbst Oberflächenfunktionalisierungen durch.

Schnell genug für große Flächen

»Im Vergleich zum Beschichten oder Bekleben galt der Laser lange Zeit als viel zu langsam, um große Oberflächen zu veredeln«, sagt Fusion-Bionic-Geschäftsführer Dr. Tim Kunze, der das Unternehmen zusammen mit drei Partnern gegründet hat. »Mit dem DLIP-Verfahren aber haben wir den Schritt zur schnellen Bearbeitung großer Flächen geschafft.« Klassischerweise stellt man sich einen Laserstrahl als einen einzelnen feinen Strahl vor. Wollte man damit wie mit einer Nadel ein Muster in eine Oberfläche einarbeiten, verlöre man viel zu viel Zeit. Das DLIP-Verfahren funktioniert anders. Dabei wird zunächst ein Laserstrahl in mehrere Strahlenbündel aufgeteilt. Um ein Muster in die Oberfläche einzubringen, werden die vielen Laserstrahlen kontrolliert überlagert, sodass ein sogenanntes Interferenzmuster entsteht. Dieses Muster lässt sich dabei auf einer größeren Fläche verteilen, was eine großflächige und schnelle Bearbeitung möglich macht.

Das Prinzip der Interferenz ist schnell erklärt: Licht breitet sich wellenförmig aus. Überlagert man zwei Lichtstrahlen, können sich ihre Wellentäler und Wellenberge gegenseitig auslöschen oder verstärken. Dort, wo Licht auf die Oberfläche trifft, wird durch die Laserenergie Material abgetragen beziehungsweise verändert. Die dunklen Bereiche bleiben unberührt. »Wir können damit nahezu alle erdenklichen Strukturen herstellen«, sagt Tim Kunze. »Lotuseffekt, Haifischhaut, Mottenauge und vieles mehr.«

Noch zu seiner Zeit am Fraunhofer IWS entwickelte sein Team in enger Zusammenarbeit mit Prof. Andrés Lasagni von der Technischen Universität Dresden mit Airbus eine Mikrostruktur, die während des Flugs verhindert, dass sich Eis auf den Tragflächen anlagert. Bei herkömmlichen Jets wird das verhindert, indem warme Abluft aus den Triebwerken in die Tragflächen geleitet wird. Damit geht den Triebwerken allerdings Energie verloren. Das Projekt hat ergeben, dass sich der Energiebedarf eines Eisschutzsystems um 80 Prozent verringert, wenn die Tragfläche zusätzlich über eine DLIP-Mikrostruktur verfügt. »Vor allem auch für künftige elektrisch betriebene Flugzeuge wäre das eine Lösung, weil bei diesen keine Abwärme aus den Triebwerken zur Verfügung steht«, sagt Tim Kunze. In anderen Projekten wurden Implantate wie etwa Hüftgelenkprothesen und Zahnimplantate bearbeitet, sodass ihre Oberflächen besonders biokompatibel sind oder antibakteriell wirken.

Förderung durch Fraunhofer-AHEAD-Programm

Den Anstoß zur DLIP-Entwicklung gab vor gut zehn Jahren der Laserexperte Prof. Andrés Fabián Lasagni, als er von der Universität Saarbrücken ans Fraunhofer IWS wechselte und die Technik in den Fokus nahm. DLIP war damals ein eher akademisches Grundlagenthema. Lasagni, der heute die Professur für die Laserstrukturierung großer Oberflächen an der TU Dresden inne hat, war aber klar, dass darin ein großes Potenzial steckte. Er baute am Fraunhofer IWS ein leistungsstarkes Team auf, das unter seinem Nachfolger Tim Kunze ab 2017 weiter anwuchs. Aufbauend auf Lasagnis wegweisenden Vorarbeiten entwickelten beide zusammen industrietaugliche DLIP-Optiken, die mittlerweile weltweit bei zahlreichen Pilotkunden installiert wurden. Ab 2020 wurde deutlich, dass die Kommerzialisierung der DLIP-Technologie auf eine neue Stufe gehoben werden muss. »Unsere Lösungen bieten einen völlig neuen Freiheitsgrad bei der Oberflächengestaltung mit einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit, was neuartige Produkte und Prozesse ermöglicht«, erläutert Tim Kunze.

Durch Förderung im Rahmen des AHEAD-Programms, mit dem die Fraunhofer-Gesellschaft Spin-offs ermöglicht, wurde jetzt Fusion Bionic gegründet. »Es gibt einen großen Bedarf für die Funktionalisierung von Oberflächen«, resümiert Lasagni. »Jede Branche hat da ihre eigenen Herausforderungen, sei es die Haftung von Eiscreme an Behälterwänden oder die Verringerung von Reibung. Insofern wird uns die Arbeit so schnell nicht ausgehen.«

Um die Entwicklung von innovativen Oberflächen zu beschleunigen, arbeitet Fusion Bionic mit Unterstützung seines Investors Avantgarde Labs Ventures an einer Vorhersageplattform auf der Grundlage Künstlicher Intelligenz. Mit dieser sollen fortschrittliche Laserfunktionalitäten realisiert werden. Parallel wird am Fraunhofer IWS eine »AI Test Bench« aufgebaut, ein Multisensor-Teststand zur Laserbearbeitung, auf dem sich mithilfe von Künstlicher Intelligenz die optimale Oberflächenstruktur für jedes Problem schnell vorhersagen und erzeugen lässt.

Zu den Gründungsmitgliedern von Fusion Bionic gehören Dr. Sabri Alamri, Laura Kunze, Dr. Tim Kunze und Benjamin Krupop.

Externer Link: www.fraunhofer.de