Alternative zum Fischfang: Zellbasierter Fisch aus dem Bioreaktor

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 02.08.2021

Schon heute gelten rund 90 Prozent aller Fischbestände als maximal befischt oder überfischt, so die Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen. Doch angesichts der wachsenden Weltbevölkerung sind immer mehr Menschen auf Fisch als Proteinquelle angewiesen. Eine Lösung für das Problem hat die Bluu GmbH – eine Ausgründung des Fraunhofer-Entwicklungszentrums für Marine und Zelluläre Biotechnologie EMB, die als assoziiertes Zentrum der Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik IMTE angehört. Das Unternehmen hat sich auf die Produktion von zellbasiertem Fisch spezialisiert. Er wird aus echten Fischzellen hergestellt und im Bioreaktor gezüchtet. Im Gegensatz zu wild gefangenem Fisch geht dies nicht zu Lasten des Tierwohls.

Bluu Biosciences ist das erste Unternehmen Europas, das sich auf die Entwicklung und Herstellung von zellbasiertem Fisch spezialisiert hat. Auch weltweit gibt es aktuell nur eine Handvoll Unternehmen, die in diesem Bereich aktiv sind. Bluu Biosciences schließt damit eine Marktlücke: Fast überall werden heute mehr Fische gefangen, als natürlich nachwachsen können. Das gefährdet die Ernährungsgrundlage von hunderten Millionen von Menschen. Mit Hilfe von moderner Biotechnologie erzeugter, zellbasierter Fisch kann künftig einen entscheidenden Beitrag zur globalen Versorgungssicherheit bei tierischem Protein leisten.

»Wir sehen hier einen stark wachsenden Markt. In Kreislaufwirtschaft hergestellten Produkten gehört die Zukunft«, sagt Dr. Sebastian Rakers, Gründer und Geschäftsführer der Bluu GmbH. Im Mai 2020 startete er mit Simon Fabich das Unternehmen. Ziel ist es, die Produkte im ersten Schritt über Restaurants auf den Markt zu bringen. Später sollen auch Supermärkte beliefert werden. Ende 2023 nennt Rakers als realistischen Termin für die Markteinführung. Zum Portfolio gehören zunächst hybride Produkte wie Fischbällchen, Fischstäbchen und Fischtartar, die sich aus einem Mix aus Zellkomponenten und pflanzlichen Proteinen zusammensetzen. Fischfilet wird erst zu einem späteren Zeitpunkt marktreif sein. Hier bedarf es noch weiterer Forschungsarbeit. Die Herausforderung besteht darin, die porösen Gerüststrukturen derart aufzubauen, dass ausreichend Nährstoffe und Sauerstoff an die Zellen gelangen. »Nur wenn dies gewährleistet ist, können die auf den Gerüststrukturen wachsenden Zellen sich so strukturieren und ausbilden, wie sie es im natürlichen Fischgewebe auch tun würden«, erläutert der Biologe, der auf zwölf Jahre Forschungsarbeit mit Fischzellen am Fraunhofer EMB zurückblicken kann.

Zelllinien aus adulten Stammzellen

Dr. Rakers und sein Team isolieren die Zellen aus einer Biopsie, also aus einem Stück adultem Fischgewebe. Die isolierten Zellen, ähnlich Vorläuferzellen oder adulten Stammzellen, werden im Labor in einer In-vitro-Kultur vermehrt. Da sie nicht altern, können sie sich unendlich häufig teilen. Anschließend werden die Zellen im Bioreaktor mit einem Nährmedium ernährt. Der Reaktor umfasst derzeit maximal fünf Liter. Um ein marktfähiges Produkt zu erhalten, ist jedoch ein größerer Reaktor erforderlich. »So weit sind wir noch nicht, da zunächst die Prozessschritte verfeinert werden müssen, die die Zellen zum Wachsen benötigen. Die Herausforderung für uns ist aktuell noch der Schritt in die industrielle Produktion«.

Frei von Gentechnik, Antibiotika und Umweltgiften

Die Vorteile der zellbasierten Fischproduktion sind vielfältig. »Die Schlachtung von Fischen entfällt und idealerweise ist eine Biopsie nur einmalig erforderlich«, führt der Forscher einen der vielen Pluspunkte auf. 30 Prozent aller Fischbestände sind überfischt, 60 Prozent sind maximal befischt. Die nicht landbasierte Aquakultur wiederum, die vor allem im vorigen Jahrzehnt stark gewachsen ist und mit Massentierhaltung einhergeht, führt zu einer Verschmutzung der Meere und zur Eutrophierung der Gewässer, insbesondere in Bereichen mit wenig Strömung. Weitere Vorteile des kultivierten Fisches sind sein hoher Nährwert sowie die Verfügbarkeit und die damit verbundenen kurzen Lieferketten. Fischprodukte aus Fischzellen sind frei von Gentechnik, Antibiotika und Umweltgiften. Sie können bedarfsgerecht dezentral produziert werden. Anders als Aquakultur kann eine zellbasierte Fabrik weltweit überall aufgebaut werden.

Verzicht auf Fötales Kälberserum

Aktuell konzentrieren sich die Forschenden auf die Optimierung der Medien, um eine kostengünstige Produktion der Fischzellen sicherzustellen und Zellcharakteristika wie Geschmack und Textur zu verfeinern. Dies gelingt, indem man beispielsweise den Anteil an Omega-3-Fettsäuren als wichtigen Geschmacksträger erhöht. Die dafür erforderliche Technologie wurde aus dem Fraunhofer EMB auslizensiert. Darüber hinaus arbeiten die Forscher daran, Fötales Kälberserum (FKS) durch andere, pflanzenbasierte Wachstumsfaktoren zu ersetzen und eine FKS-freie Produktion zu erzielen. »FKS wird aus dem Blut von Kuhfeten gewonnen und ist ein Hauptbestandteil vieler Nährmedien, die zur Aufzucht und Kultivierung von Zellen in der Zellkultur benötigt werden«, erklärt Rakers. »Unser erster Prototyp wird komplett FKS-frei sein.« Bei ihren Forschungsarbeiten kooperert die Bluu GmbH nach wie vor eng mit dem Fraunhofer EMB.

Externer Link: www.fraunhofer.de

technologiewerte.de – MOOCblick August 2021

Spannende Themen, herausragende Dozenten und flexible Lernmöglichkeiten tragen zum wachsenden Erfolg der Massively Open Online Courses (MOOCs) bei – offene, internetgestützte Kurse mit einer Vielzahl an Teilnehmern rund um den Globus.

Folgender Kurs – zu finden auf der MOOC-Plattform edX – sollte einen Blick wert sein:

Energy Within Environmental Constraints
David Keith (Harvard University) et al.
Start: flexibel / Arbeitsaufwand: 30-50 Stunden

Externer Link: www.edx.org

Student, Erfinder, 3D-Druck-Gründer

Pressemitteilung der Hochschule Coburg vom 27.07.2021

Adrian Beetz störte, dass er mit seinem 3D-Drucker nur ein Material verarbeiten konnte. In seiner Masterarbeit an der Hochschule Coburg löste er das Problem und entwickelte Ideen für zusätzliche Funktionen. Er wurde zum Unternehmensgründer und seine Erfindung ist mittlerweile serienreif.

Die Technik funktioniert ähnlich wie die Spritztülle einer Bäckerei: Schicht für Schicht wird Material aufgetragen und dabei verschmolzen. Ein dreidimensionales Objekt wird „gedruckt“. Fachleute sprechen von additiver Fertigung und bei der weit verbreiteten Variante mit thermoplastischem Material meist von „Fused Layer Modeling“. Allgemein hat sich längst der Begriff 3D-Druck durchgesetzt und immer mehr Menschen nutzen es.

Auch Adrian Beetz hatte als Student so einen 3D-Drucker zu Hause, aber zufrieden war er damit nicht. „Weil ich in einem Druckauftrag nur ein Material drucken konnte. Ich wollte aber mehr Flexibilität.“ Nach seinem Mechatronik-Bachelor in Aschaffenburg hatte sich der Unterfranke für einen Master im Fach Entwicklung und Management im Maschinen- und Automobilbau an der Hochschule Coburg entschieden. Er nahm sich vor, in seiner Masterarbeit einen 3D-Drucker zu entwickeln, der Objekte aus mehreren Werkstoffen drucken kann und dabei noch weitere Funktionen im Produktionsprozess übernimmt. Mit der Idee wandte er sich an Prof. Dr. Markus Stark, der unter anderem auch das Labor für Prototypen- und Modelltechnik an der Hochschule leitet – und gleich von dem Projekt angetan war. „Ich habe das sehr gerne unterstützt!“

Die Hochschule half fachlich und stellte das Material zur Verfügung. Beetz suchte eine Lösung für die verschiedenen Düsenarten, -durchmesser und Schmelzpunkte der unterschiedlichen Materialien. Er erfand einen automatischen Werkzeugwechsler und entwickelte ihn weiter, außerdem plant er beispielsweise, dass die Teile automatisch eingelegt werden und eine Zwischen- und Nachbearbeitung der Oberfläche erfolgen kann.

Start in einer gemieteten Werkstatt

Mit der ersten Variante des Geräts können vier Werkstoffe gleichzeitig verarbeitet werden „Es hat jetzt Serienreife erreicht“, sagt Beetz. Das erste Exemplar bekam die Hochschule Coburg. Bei der Übergabe erzählt der Absolvent vom Nachfolgemodell, an dem er gerade arbeitet. Es soll fünf Materialien gleichzeitig drucken. „An manchen Stellen wird sehr festes Material benötigt, woanders ist etwas elastisches sinnvoll und wiederum an anderer Stelle ist vielleicht eher ein möglichst geringer Verschleiß entscheidend“, erklärt der Ingenieur. Das Filament, also den Kunststoffdraht, der verschmolzen wird, gibt es aus allen möglichen Materialien. „Es kann auch leitfähig sein, wenn elektrische Funktionen im Bauteil integriert werden sollen.“

Das Patent hat Beetz bereits im Februar 2020 angemeldet, im Februar 2021 gründete er seine Firma AB-3D in der Nähe von Würzburg. Hauptberuflich arbeitet er bei einem Maschinenbauer. Seine 3D-Drucker baut der 28-Jährige nebenbei in einer gemieteten Werkstatt. „Aber ich bin dabei, das Geschäft auszubauen. Vor allem suche ich Teammitglieder für den Vertrieb.“ Zielgruppe sind besonders kleine und mittelständische Unternehmen. (Natalie Schalk)

Externer Link: www.hs-coburg.de

Quantensimulator überflügelt Computer

Presseaussendung der Universität Innsbruck vom 16.07.2021

In der Fachzeitschrift Nature haben Innsbrucker Physiker um Andreas Läuchli gemeinsam mit Kollegen in Frankreich einen Quantensimulator für große Vielteilchensysteme präsentiert. Die Wissenschaftler konnten mit dem Simulator antiferromagnetische Materiezustände mit bis zu 200 Atomen erzeugen. Mit klassischen Simulationen lassen sich solche Festkörperphänomene kaum mehr untersuchen.

Quanteneigenschaften in Festkörpern lassen sich nur sehr schwer analysieren. Quantensimulatoren bieten hier neue Möglichkeiten: Mit ihnen können die Wechselwirkungen einzelner Teilchen in einem Vielteilchensystem unter sehr gut kontrollierten Bedingungen studiert werden. Gemeinsam mit Experimentalphysikern am Laboratoire Charles Fabry der Universität Paris-Saclay hat das Team um Andreas Läuchli vom Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck nun einen Quantensimulator mit bis zu 200 Atomen präsentiert. „Im Vergleich zu bisher verfügbaren Systemen stellt dies einen Meilenstein dar“, freut sich Andreas Läuchli. „Wir kommen hier in eine Größenordnung, in der klassische Computersimulationen an ihre Grenzen stoßen.“

Materialproben von beliebigem Zuschnitt

Das Experiment der französischen Physiker kann bis zu 200 Rubidium-Atome mit optischen Pinzetten einfangen und miteinander zur Wechselwirkung bringen. Mit Hilfe der Pinzetten lassen sich dabei beliebige Anordnungen erzeugen. Die Atome werden zunächst in den Grundzustand gekühlt und dann mit Hilfe von Laserlicht einzeln angeregt. Die Anregung in den sogenannten Rydberg-Zustand, bei dem die Elektronenwolke um den Atomkern eine riesige Ausdehnung erreicht, führt zur Wechselwirkung zwischen benachbarten Atomen. Auf diese Weise lässt sich zum Beispiel antiferromagnetische Materie nachbilden. Im Experiment wurden Antiferromagneten auf Quadratgittern und Dreiecksgittern erzeugt. „Die Dreiecksgitter sind unsere Spezialität“, betont Michael Schuler, der zur Zeit der Entstehung der Studie Post-Doc an der TU Wien war. „Hier konnten wir sogar zwei unterschiedliche antiferromagnetische Zustände erzeugen.“

Quantensimulator überlegen?

An der Universität Innsbruck haben die Theoretiker um Andreas Läuchli die untersuchten Materiezustände mit Hilfe von Computersimulationen auf Hochleistungsrechnern überprüft. „Die Ergebnisse zeigen eine hohe Übereinstimmung mit dem Experiment“, sagt Alexander Eberharter. Diese Überprüfung am Computer kommt freilich an ihre Grenzen: Während die Simulation für 100 Teilchen auf dem Hochleistungsrechner LEO der Universität Innsbruck bereits mehrere Wochen gedauert hat, liefert der Quantensimulator Ergebnisse für 200 Teilchen in weniger als einem Tag. Mit der Größe der erzeugten Gitter und der damit steigenden Anzahl von Teilchen, wächst der Aufwand für die Computersimulation exponentiell an. „Die nächste Generation von Experimenten mit einigen Hundert Atomen wird somit in einen Bereich vorstoßen, in dem Computersimulationen mit einem vertretbaren Aufwand keine exakten Ergebnisse mehr liefern können.“ Unabhängig davon bleiben die Simulationen der Theoretischen Physiker für die Beschreibung und Validierung der Experimente wichtig. Auch liefern sie Hinweise, in welchen Bereichen der Quantensimulator weiter verbessert werden kann.

Optimierungsprobleme lösen

Der auf Rydberg-Atomen basierende Quantensimulator bietet nicht nur die Möglichkeit, Phänomene der Festkörperphysik im Detail zu studieren. „Es gibt zahlreiche Vorschläge, auch von Kollegen an unserem Institut, solche Systeme für die Lösung von Optimierungsproblemen einzusetzen“, sagt Andreas Läuchli. Ob dies tatsächlich möglich ist, bleibt vorerst noch offen. „Mit der aktuellen Arbeit haben wir jedenfalls einen wichtigen Schritt in diese Richtung gemacht.“

Die Arbeit wurde unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und der Europäischen Union finanziell unterstützt.

Externer Link: www.uibk.ac.at