Gummi aus Löwenzahn

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom September 2009

Naturkautschuk stammt vorwiegend aus Gummibäumen in Südost-Asien. Ein Pilz bedroht diese Kautschukquelle jedoch. Forscher haben russischen Löwenzahn nun so optimiert, dass er sich ebenfalls für die großangelegte Kautschukproduktion eignet.

Wer als Kind Löwenzahnblüten gepflückt hat, kennt die weiße Flüssigkeit, die beim Pflücken aus den Stengeln austritt. Zäh, klebrig – und ein begehrtes Material: Naturkautschuk. Etwa 30 000 Produkte des täglichen Lebens enthalten dieses natürliche Gummi. Autoreifen, Katheterschläuche, Latexhandschuhe, Verschlusskappen von Getränkeflaschen sind einige Beispiele. Autoreifen beispielsweise wären ohne den Naturkautschuk nicht elastisch genug. Der Großteil dieses Materials stammt aus Gummibäumen in Südostasien. Der so gewonnene Kautschuk kann jedoch allergische Reaktionen hervorrufen, was besonders bei Klinikartikeln problematisch ist. Zudem erschwert ein Pilz den Anbau: In Südamerika hat er die Pflanzen in solchem Ausmaß befallen, dass sie kaum großflächig kultiviert werden konnten. Die Krankheit scheint nun auch den Kautschukgürtel in Südostasien erreicht zu haben. Noch lässt sich der Pilz mit Fungiziden eindämmen. Würde er sich jedoch flächendeckend ausbreiten, hätten auch die Chemikalien keine Chance mehr – Experten befürchten, dass die Naturkautschukindustrie in diesem Fall zusammenbricht.

Forscher versuchen daher, andere Quellen zu nutzen – etwa russischen Löwenzahn. Aus ihm gewannen Deutsche, Russen und US Amerikaner bereits im zweiten Weltkrieg Kautschuk. Wird die Pflanze verwundet, tropft er aus der Pflanze heraus. Er ist jedoch schwer zu nutzen, weil er sofort polymerisiert. Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME in Aachen sind der großangelegten Kautschukproduktion aus Löwenzahn einen Schritt näher gekommen. »Wir haben das Enzym gefunden, das für die schnelle Polymerisation verantwortlich ist und haben dieses ausgeschaltet«, sagt Prof. Dr. Dirk Prüfer, Abteilungsleiter am IME. »Wird die Pflanze beschädigt, fließt das Latex heraus statt zu polymerisieren. Wir erhalten etwa die vier- bis fünffache Menge wie üblich. Würden die Pflanzen großtechnisch angebaut, ließen sich so auf einem Hektar 500 bis 1000 Kilogramm Latex pro Vegetationsperiode produzieren.« Der Löwenzahn-Kautschuk ruft bisher keine Allergien hervor und wäre daher besonders geeignet für den Einsatz in Kliniken.

Im Labor haben die Forscher den Löwenzahn gentechnisch verändert. In einem weiteren Schritt arbeiten sie daran, die optimierten Pflanzen auf klassischem Weg zu züchten. In etwa fünf Jahren, schätzt Prüfer, könnten sie ihr Ziel erreicht haben. Übrigens eignet sich der Löwenzahn nicht nur für die Kautschukproduktion: Die Pflanze stellt zudem sehr große Mengen des Süßstoffs Indulin her.

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Doppelt simuliert hält besser

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom September 2009

Crashtests bringen oft überraschende Ergebnisse. Mit einem Simulationsverfahren, das die Deformationen während der Fertigung und Vorschädigungen berücksichtigt, lassen sich die Ergebnisse eines Crashtests genauer als bisher vorhersagen.

Es gibt Bauteile, die Leben retten: Überschlägt sich ein Auto bei einem Unfall, spielt die »B-Säule« eine tragende Rolle. Sie ist eine der Verbindungen zwischen Fahrzeugboden und Fahrzeugdach, die verhindern soll, dass sich die Fahrgastzelle zu stark verformt. Die Werkstoffe, aus denen die B-Säule gefertigt ist, müssen daher sehr hohen Ansprüchen genügen: Um Sprit zu sparen, sollen sie besonders leicht sein, gleichzeitig benötigen sie eine enorme Festigkeit und dürfen nicht brechen. Doch wie sieht das optimale Bauteil aus? Mit Hilfe von unzähligen Versuchen, Simulationen und Crashtests hat sich die Automobilindustrie immer mehr an die Antwort auf diese Frage herangetastet. Nun geben Fraunhofer-Forscher der Entwicklung einen weiteren Impuls.

Für gewöhnlich führen Ingenieure eine Reihe von virtuellen Tests durch. Dabei dienen bekannte Werkstoffeigenschaften als Wissensgrundlage. »Die physikalischen und mechanischen Charakteristika der Materialien in ihrem Ausgangszustand kennen wir sehr gut«, sagt Dr. Dong-Zhi Sun, Leistungsbereichsleiter am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM. Doch im Laufe der Fertigungsprozedur verändern sich die Teile: Bei einer B-Säule etwa durchläuft der Werkstoff eine komplizierte Fertigungskette. Dabei verformt und dehnt er sich, kleine Schädigungen wie Porenbildung können entstehen. »Sollen solche Teile in Fahrzeugen verbaut werden, muss man ihre Deformationsgeschichte bei der Herstellung berücksichtigen«, erklärt Sun. Deshalb haben die Forscher eine besondere Methode entwickelt: »Mit unserem Versagensmodell können wir Fertigungsprozesse besser simulieren«, sagt Sun. »Um die Herstellungsverfahren genau zu kennen, arbeiten wir mit Automobilbauern und Werkstoffproduzenten eng zusammen.« Dank der Simulation können die Forscher die Deformation des Bauteils während der Fertigung genau berechnen und analysieren. Somit wissen sie, welchen Einfluss der Prozess auf die Eigenschaften des Endproduktes hat, und ob durch das Herstellungsverfahren mögliche Vorschädigungen wie Porenbildung und Mikrorisse entstehen. Das Ergebnis der Prozesssimulation koppeln die Ingenieure mit einer Crash-Simulation, die mit einem neu entwickelten Werkstoffmodell durchgeführt wird.

Mit der neuen Methode lassen sich Bauteile mit optimalen Eigenschaften und einem verbesserten Crashverhalten entwickeln. »Wir können im Gegensatz zu herkömmlichen Crashsimulationen wesentlich präziser voraussagen, wie stark sich das Bauteil beim Crash verformen lässt, bevor es versagt«, sagt Sun.

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Reife Ananas und leckeres Schweinefleisch

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom August 2009

Kunden wünschen frische Lebensmittel, die weder unreif noch verdorben sind. Ein neues System könnte die Sicherheit und die Qualität von Nahrungsmitteln zuverlässig, schnell und kostengünstig überprüfen. Ein Beispiel: der Reifegrad von Ananas.

Beim Kauf einer Ananas steht der Kunde oft ratlos vor dem Supermarkt-Regal: Welche ist schon reif? Isst man die Frucht sofort, ist sie oft noch nicht süß genug, liegt sie zu lange, bekommt sie faulige Stellen. Laboruntersuchungen sind für solche Fragestellungen zu langsam und zu kostenintensiv.

Künftig könnten Großlieferanten Abhilfe schaffen: Ein neuartiges System erkennt anhand von flüchtigen Komponenten, wann die Ananas reif ist und an den Supermarkt ausgeliefert werden kann. Forscher der Fraunhofer-Institute für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME in Schmallenberg und für Physikalische Messtechnik IPM in Freiburg haben es entwickelt. Das System überprüft die Gasabsonderungen online – also etwa direkt im Lagerhaus. »Dazu haben wir verschiedene Technologien zusammengeführt: Basis sind Metalloxidsensoren, wie sie auch in Autos verbaut werden, um etwa im Tunnel die Lüftungsklappen zu schließen. Diese Sensoren haben die Forscher am IPM weiterentwickelt. Strömt ein Gas über den 300 bis 400 Grad Celsius heißen Sensor, verbrennt es dort und Elektronen werden ausgetauscht – die elektrische Leitfähigkeit ändert sich daher«, sagt Dr. Mark Bücking, Abteilungsleiter am IME. »Bevor das Gas diese Sensoren erreicht, muss es durch eine Trennsäule mit Polymeren. Be-stimmte Substanzen werden hier bereits herausgefiltert.« Ein Prototyp des Analysegeräts existiert bereits. Erste Versuche waren vielversprechend: Das Gerät misst die flüchtigen Substanzen ebenso sensitiv wie gängige Geräte in den Lebensmittellaboren. In einem weiteren Schritt wollen die Forscher das System optimieren und an spezifische Fragestellungen anpassen. Für einen Preis im vierstelligen Eurobereich könnte das Gerät dann auf den Markt kommen, schätzt Bücking.

Weiterhin überprüfen die Forscher, ob das Gerät auch bei der Unter-suchung von Schweinefleisch gute Dienste leisten kann. Das männliche Schwein produziert zur Fortpflanzung Hormone und bestimmte Geruchsstoffe. Was das weibliche Schwein anziehend findet, riecht für menschliche Nasen jedoch alles andere als angenehm. Zwar werden die meisten Schweine bereits vor der Geschlechtsreife geschlachtet – in einer Zeit, in der sich bei einem Großteil der Schweine noch keine Geruchsstoffe gebildet haben. Da jedoch die Gefahr besteht, dass einzelne Eber in ihrer Entwicklung voraus sind und die Geruchsstoffe in diesem Alter bereits gebildet haben, werden alle Eber im Ferkelalter kastriert. Künftig könnte man auf die Kastration verzichten und stattdessen das Schweinefleisch vor dem Verpacken online testen.

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Selbstheilende Oberflächen

Mediendienst der Fraunhofer-Gesellschaft vom August 2009

Der Traum der Ingenieure von selbstheilenden Oberflächen rückt ein Stück näher in die Realität: Forscher haben eine galvanische Schicht hergestellt, in der nanometerkleine Kapseln stecken. Wird die Schicht verletzt, geben die Kapseln Flüssigkeit frei und reparieren den Kratzer.

Die menschliche Haut ist ein Phänomen: Kleine Kratzer und Schnitte heilen schnell ab, schon nach wenigen Tagen ist nichts mehr von der Schramme zu erkennen. Anders bei Werkstoffen, etwa Metallen: Hat die galvanische Schicht, die Metalle vor Korrosion schützt, einen Kratzer, ist der Rostschutz dahin. Ingenieure arbeiten daran, den Selbstheilungseffekt der Haut auf Werkstoffe zu übertragen. Die Idee, die dahinter steckt: In die galvanische Schicht sollen flüssigkeitsgefüllte Kügelchen mit eingebracht werden – gleichmäßig verteilt wie Rosinen in einem Kuchen. Wird die Oberfläche beschädigt, platzen die an dieser Stelle liegenden Kügelchen auf, die Flüssigkeit läuft heraus und »repariert« den Kratzer. Bisher scheiterten solche Vorhaben an der Größe der Kügelchen: Sie waren mit 10 bis 15 Mikrometern zu groß für die etwa 20 Mikrometer dicken galvanischen Schichten – die Kapseln veränderten die mechanischen Eigenschaften der Schicht.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart haben mit ihren Kollegen der Universität Duisburg-Essen ein Verfahren entwickelt, galvanische Schichten mit Nano-Kapseln herzustellen. Die Volkswagen-Stiftung finanziert das Projekt. Der Durchmesser der Kapseln beträgt nur einige hundert Nanometer, also fast eine Größenordnung kleiner als bisher. »Die Herausforderung liegt darin, die Kapseln beim Herstellen der galvanischen Schicht nicht zu beschädigen«, sagt Dr. Martin Metzner, Abteilungsleiter beim IPA. »Denn je kleiner die Kapseln, desto dünner und empfindlicher wird auch ihre Hülle. Die Elektrolyte, die man für diese galvanotechnischen Prozesse verwendet, sind chemisch recht aggressiv und können die Kapseln leicht zerstören.« Die Forscher mussten daher das Material der Kapselhülle und die verwendeten Elektrolyte aufeinander abstimmen.

In etwas anderer Art könnten die Schichten in mechanischen Lagern eingesetzt werden: Die Lagermaterialien sind üblicherweise galvanisch beschichtet. In diese Schicht lassen sich die Kapseln einlagern. Reicht der Schmierstoff im Lager kurzfristig nicht aus, wird ein Teil der Beschichtung abgetragen, die oben liegenden Kapseln platzen auf und geben Schmierstoff frei. Das Lager wird nicht beschädigt, wenn es kurzzeitig trocken läuft. Für Kupfer-, Nickel- und Zinkschichten haben die Forscher erste Schichten im Zentimetermaßstab hergestellt. Bis ganze Bauteile beschichtet werden können, dauert es nach Einschätzung des Experten noch eineinhalb bis zwei Jahre. Komplexere Systeme sollen folgen – etwa verschieden gefüllte Kapseln, deren Flüssigkeiten miteinander reagieren wie ein Zwei-Komponenten-Kleber.

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Ein Schalter für die Müllabfuhr

Presseinformation der Max-Planck-Gesellschaft vom 10.08.2009

Max-Planck-Forscher klären auf, wie eine gezielte Formänderung die Stabilität von Proteinen und Tumorsuppressoren beeinflusst

Das Ubiquitin-Proteasom-System (UPS) ist in höheren Organismen für den Abbau von zellulären Proteinen verantwortlich. Überflüssige oder deformierte Proteine werden in diesem Abbauweg zunächst durch eine Markierung mit dem kleinen Protein Ubiquitin gekennzeichnet, bevor sie anschließend im Proteasom, dem „Protein-Schredder“ der Zelle, abgebaut werden. Ausschlaggebend für den effizienten Abbau ist die Anzahl der angehängten Ubiquitin-Moleküle: werden viele Ubiquitin-Moleküle – häufig in Form einer Ubiquitin-Ubiquitin-Kette – angeheftet, so werden die so markierten Proteine dem Abbau zugeführt; werden jedoch nur ein oder wenige Ubiquitin-Moleküle angeknüpft, dann bleiben die Proteine der Zelle erhalten, sind aber in ihrer Funktion verändert. Fehler in diesem wichtigen Abbausystem können beim Menschen zu zahlreichen Krankheiten führen, u. a. zur Parkinson-Krankheit oder Krebs. In der neuesten Ausgabe von Nature Cell Biology (Vol 11 No 8, August 2009) berichten Dirk Siepe und Stefan Jentsch vom Max-Planck-Institut für Biochemie (Martinsried/München), dass Pin1, eine sogenannte cis/trans Prolyl-Isomerase, den Abbau von Proteinen, wie z.B. Tumorsuppressoren, reguliert.

Pin1 gehört zu einer Klasse von Proteinen, die aktiv die Faltung anderer Proteine beeinflussen können. Das Besondere an Pin1 ist, dass die Zielproteine wie bei einem Schalter in zwei Stellungen überführt werden können: „cis“ und „trans“ genannt. Dieser schalter-ähnliche Mechanismus wird in der Zell gezielt benutzt, um komplexe Prozesse zu steuern. Da Pin1 an Krankheitsbildern wie Alzheimer und Krebs beteiligt ist und auch direkt an das bekannte tumor-relevante Protein „p53“ bindet, sind Forschungen zu Pin1 hochaktuell und versprechen neue therapeutische Ansätze. Der genaue Mechanismus, wie Pin1 in diesen Prozessen wirkt, war bisher aber weitgehend unklar.

Dem Zellbiologen Stefan Jentsch und seinem Mitarbeiter Dirk Siepe ist es nun gelungen, die Arbeitsweise des „Pin1 Schalters“ aufzuklären: Pin1 entscheidet wie viele Ubiquitin-Moleküle an Pin1-Zielproteine angeheftet werden indem es die Konformität des Zielproteins in „cis“ oder „trans“ abändert. Ist Pin1 in der Zelle aktiv, so werden Pin1-Zielproteine nur mit einem oder wenigen Ubiquitinen markiert; ist Pin1 jedoch inaktiv, so werden viele Ubiquitin-Proteine in der Form einer Ubiquitin-Ubiquitin-Kette angeknüft. Damit entscheidet Pin1 schalterartig über die Lebensdauer einzelner Proteine.

Ausgehend von ihren Studien an dem Modellorganismus Hefe, bei der Pin1 lebensnotwendig ist, zeigte die Arbeitsgruppe vom Max-Planck-Institut auch, dass Pin1 von höchster Relevanz für die Tumorforschung ist. So fanden sie, dass bei hoher Pin1-Aktivität das Protein „p53“, das die Entstehung von Tumoren bei Menschen unterdrückt („Tumorsuppressor“), stabil ist und so schützend wirkt. Bei niedriger Pin1-Aktivität wird „p53“ jedoch mit vielen Ubiquitin-Molekülen verknüpft und damit vom Proteasom abgebaut. Somit erscheint es denkbar, dass eine gezielte pharmakologische Aktivierung von Pin1 die Entstehung von Tumoren unterdrücken könnte. [AK]

Originalveröffentlichung:
Dirk Siepe, Stefan Jentsch
Prolyl isomerase Pin1 acts as a switch to control the degree of substrate ubiquitylation
Nature Cell Biology (2009), 11: 967-972, doi: 10.1038/ncb1908

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