Cholera-Erreger machtlos gegen eigenes Immunsystem

Pressemitteilung der Universität Tübingen vom 19.01.2024

Molekulares Abwehrsystem schützt Bakterien vor Viren und macht sie gleichzeitig anfällig für Antibiotika

Auch Bakterien haben ein eigenes Immunsystem, dass sie gegen spezielle Viren – sogenannte Bakteriophagen – schützt. Ein Forschungsteam der Universitäten Tübingen und Würzburg zeigt nun, wie das Immunsystem die Wirkung von bestimmten Antibiotika gegen den Cholera-Erreger Vibrio cholerae verstärkt. Das Immunsystem ist der Grund, warum dieses Bakterium besonders empfindlich auf eine der ältesten bekannten Antibiotikaklassen – die Antifolate – reagiert. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Microbiology veröffentlicht.

Vibrio cholerae ist weltweit für schwere Cholera-Ausbrüche verantwortlich und in vielen Entwicklungsländern endemisch. Das Immunsystem von Vibrio cholerae besteht aus mehreren molekularen Abwehrsystemen, die das Bakterium gegen Angriffe verschiedener Bakteriophagen schützen. Eines dieser Abwehrsysteme heißt CBASS (cyclic-oligonucleotide-based antiphage signaling system). Wird das Bakterium von Bakteriophagen angegriffen, wird CBASS aktiviert. CBASS bringt das infizierte Bakterium dazu, sich selbst zu zerstören und verhindert so eine weitere Infektion der Bakterienpopulation. Das Forschungsteam von Professor Dr. Ana Brochado konnte zeigen, dass Antifolat-Antibiotika das Abwehrsystem CBASS auch in Abwesenheit von Bakteriophagen aktivieren. Das aktivierte CBASS verstärkte somit zusätzlich die Wirkung des Antibiotikums und führte zum Zelltod von Vibrio cholerae. „Wie bei einer Autoimmunerkrankung schadete die eigene Immunantwort dem Bakterium,“ sagt Dr. Susanne Brenzinger, die Erstautorin der Studie.

Das Forschungsteam von Professor Dr. Ana Brochado untersucht die Wirkung von Antibiotika mithilfe von Hochdurchsatz-Screenings und Computeranalysen. Beim Hochdurchsatz-Screening handelt es sich um eine automatisierte Methode, bei der die Wirkung von Tausenden von Substanzen auf Bakterien getestet wird. Diese Methode ermöglichte die Entdeckung der Wechselwirkungen zwischen CBASS und Antibiotika. „Antifolate gehörten zu den ersten Antibiotika auf dem Markt. Sie hemmen die Synthese von Folaten, die Bausteine der DNA sind. Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir mehr als neunzig Jahre nach der Einführung der Antifolate immer noch nicht alles über sie wissen. Überraschenderweise ändert das bakterielle Immunsystem ihre Wirkung,“ sagt Professor Brochado, die im Tübinger Exzellenzcluster „Controlling Microbes to Fight Infections“ (CMFI) zur Systembiologie von Antibiotika forscht.

Professor Brochado ergänzt: „Wir können Antibiotika zielgerichteter einsetzen, je mehr wir über ihre Wirkweise wissen. Dies kann uns zukünftig bei der Entscheidung helfen, ob wir sie allein, in Kombination mit anderen Antibiotika oder sogar parallel zu einer Phagen-Therapie einsetzen. Nicht nur bei Cholera, sondern auch bei anderen bakteriellen Infektionen. Der angemessene und effektive Einsatz von Antibiotika hilft dabei, die Entstehung weiterer Antibiotikaresistenzen zu verhindern.“

Originalpublikation:
Brenzinger S, Airoldi M, Ogunleye AJ, Jugovic K, Amstalden MK, Brochado AR. The Vibrio cholerae CBASS phage defence system modulates resistance and killing by antifolate antibiotics. Nat Microbiol 2024 Jan;9(1):251-262.

Externer Link: www.uni-tuebingen.de

Forschende der TU Graz perfektionieren 3D-Druck optisch aktiver Nanostrukturen

Presseaussendung der TU Graz vom 17.01.2024

Form, Größe und optische Eigenschaften von 3-dimensionalen Nanostrukturen lassen sich nun vorab simulieren, bevor diese hochpräzise auf verschiedensten Oberflächen direkt hergestellt werden können.

Seit etwa 20 Jahren ist es möglich, Oberflächen so mit Nanopartikeln zu versehen, dass sie auf eine gewünschte Weise Licht konzentrieren, manipulieren oder eine Reaktion auslösen. Zu finden sind solche optisch aktiven Nanostrukturen etwa in Solarzellen und biologischen oder chemischen Sensoren. Um deren Einsatzbereich zu erweitern, arbeiten Forschende am Institut für Elektronenmikroskopie und Nanoanalytik der TU Graz und am Zentrum für Elektronenmikroskopie (ZFE) seit über zehn Jahren daran, nicht nur flache Nanostrukturen, sondern auch komplexe, freistehende 3D-Architekturen herzustellen. Dem Team um Harald Plank, Verena Reisecker und David Kuhness sind nun zwei Durchbrüche gelungen. So können sie die gewünschten optischen Eigenschaften sowie die dazu nötige Form und Größe der Nanostrukturen vorab exakt simulieren und diese auf Basis der Simulation präzise herstellen. Außerdem sind sie in der Lage, chemische Verunreinigungen zu beseitigen, die bei der Herstellung entstehen, ohne dabei die 3D-Nanoarchitekturen zu beeinträchtigen.

Trial-and-Error-Verfahren wird überflüssig

Bislang war bei dreidimensionalen Nanostrukturen ein langwieriges Trial-and-Error-Verfahren nötig, bis das Produkt die gewünschten optischen Eigenschaften hatte. Dieser Aufwand fällt nun endlich weg. „Die Übereinstimmung unserer Simulationen mit den realen plasmonischen Resonanzen unterschiedlichster Nanoarchitekturen ist sehr hoch“, erläutert Harald Plank. „Das bedeutet einen Riesenschritt nach vorn. Die harte Arbeit der letzten Jahre hat sich bezahlt gemacht.“ Die Technologie ist gegenwärtig die weltweit einzige, durch die komplexe 3-dimensionale Strukturen mit Form-Elementen kleiner als zehn Nanometer direkt und kontrolliert auf nahezu jeder Oberfläche hergestellt werden können. Zum Vergleich: Die kleinsten Viren sind 20 Nanometer groß. „Die größte Herausforderung der letzten Jahre war die Überführung der 3D-Architekturen in hochreine Materialien, ohne die Morphologie zu zerstören“, beschreibt Harald Plank. „Dieser Entwicklungssprung ermöglicht durch den 3D-Aspekt neue optische Effekte und Anwendungskonzepte.“ Sonden oder optische Pinzetten mit Größen im Nanometerbereich rücken dadurch in greifbare Nähe.

Präzise gesteuerter Elektronenstrahl

Zur Herstellung der Nanostrukturen nutzen die Forschenden die fokussierte Elektronenstrahlabscheidung (Focused Electron Beam Induced Deposition). Dabei wird die relevante Oberfläche unter Vakuumbedingungen mit speziellen Gasen belegt. Ein fein fokussierter Elektronenstrahl spaltet die Gasmoleküle, woraufhin Teile dieser in einen festen Zustand übergehen und an gewünschter Stelle haften bleiben. „Durch präzise Steuerung von Strahlverschiebung und Belichtungszeit gelingt es uns in einem einzigen Schritt, komplexe Nanostrukturen mit gitter- oder flächenartigen Strukturelementen herzustellen“, erläutert Harald Plank. Durch Aufeinanderschichten dieser Nanovolumen lassen sich daraus schließlich dreidimensionale Strukturen konstruieren. (Philipp Jarke)

Externer Link: www.tugraz.at

Dunkelheit macht Makro-Quanteneffekte sichtbar

Medieninformation der Universität Innsbruck vom 10.01.2024

Wie man eine winzige Glasperle dazu bringt, makroskopische Quanteneffekte zu zeigen

Schnell sein, Licht vermeiden und über eine kurvenreiche Rampe rollen: Das ist das Rezept für ein bahnbrechendes Experiment, das Innsbrucker Physiker in einem kürzlich in Physical Review Letters veröffentlichten Artikel vorschlagen. Damit soll ein Nanoteilchen, das sich in einem durch elektrostatische oder magnetische Kräfte erzeugten Potenzial bewegt, rasch und zuverlässig in einen makroskopischen Überlagerungszustand gebracht werden.

Die Grenze zwischen der Alltagswelt und der Quantenwelt ist noch immer unklar. Wird ein Teilchen durch Abkühlung auf den absoluten Nullpunkt zu einem Quantenobjekt, ist es umso stärker lokalisiert, je massiver es ist. Forscher unter der Leitung von Oriol Romero-Isart vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und dem Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck schlagen ein Experiment vor, bei dem sich ein mit Laserlicht im Schweben gehaltenes Nanoteilchen, das auf seinen Grundzustand abgekühlt ist, einem nicht-optischen („dunklen“) Potenzial ausgesetzt wird, das durch elektrostatische oder magnetische Kräfte erzeugt wird. Die Forscher erwarten, dass dieses dunkle Potential rasch und zuverlässig einen makroskopischen Quantenüberlagerungszustand erzeugen wird.

Die Bewegung eines winzigen Glaskügelchen kann mittels Laserlicht auf seinen Grundzustand abgekühlt werden. Allein gelassen, von Luftmolekülen und einfallendem Licht bombardiert, heizen sich solche Glasperlen rasch auf und verlassen das Quantenregime, was jede Quantenkontrolle stark beschränkt. Um dies zu vermeiden, schlagen die Forscher um Oriol Romero-Isart vor, das Glaskügelchen im Dunkeln, bei ausgeschaltetem Licht, mit einem durch ungleichmäßige elektrostatische oder magnetische Kräfte gesteuerten Potential zu kontrollieren. Diese Methode ist nicht nur schnell genug, um eine Erwärmung durch streunende Gasmoleküle zu verhindern, sondern hebt auch die extreme Lokalisierung auf und sollte die Quanteneigenschaften eindeutig sichtbar machen.

In dem kürzlich in Physical Review Letters erschienenen Artikel wird auch diskutiert, wie dieser Vorschlag die praktischen Herausforderungen dieser Art von Experimenten umgeht. Zu diesen Herausforderungen gehören die Notwendigkeit schneller Versuchsdurchläufe, der minimale Einsatz von Laserlicht zur Vermeidung von Dekohärenz und die Möglichkeit, Versuchsdurchläufe mit demselben Teilchen rasch zu wiederholen. Diese Überlegungen sind entscheidend, um die Auswirkungen von niederfrequentem Rauschen und anderen systematischen Fehlern abzuschwächen.

Dieser Vorschlag wurde ausführlich mit den experimentellen Partnern von Q-Xtreme, einem von der Europäischen Union finanzierten ERC-Synergy-Grant-Projekt, diskutiert. „Die vorgeschlagene Methode orientiert sich an den aktuellen Entwicklungen in ihren Labors und sie sollten bald in der Lage sein, unser Protokoll mit ungekühlten Teilchen im klassischen Bereich zu testen, was sehr nützlich sein wird, um Rauschquellen zu messen und zu minimieren, wenn die Laser ausgeschaltet sind“, sagt das Theorie-Team um Oriol Romero-Isart. „Dieses Quantenexperiment stellt zwar eine sehr große Herausforderung dar. Wir glauben aber, dass es machbar sein sollte, da unser Vorschlag alle notwendigen Kriterien für die Erzeugung dieser makroskopischen Quantenüberlagerungszustände erfüllt.“

Originalpublikation:
Macroscopic Quantum Superpositions via Dynamics in a Wide Double-Well Potential. M. Roda-Llordes, A. Riera-Campeny, D. Candoli, P. T. Grochowski, and O. Romero-Isart. Phys. Rev. Lett. 132, 023601

Externer Link: www.uibk.ac.at

ETH-Spin-offs – so viele gab es noch nie in einem Jahr

Medienmitteilung der ETH Zürich vom 08.01.2024

Im vergangenen Jahr wurden an der ETH Zürich 43 Spin-​offs gegründet, ein neuer Rekord. Dabei entstanden besonders viele Jungfirmen im Bereich der Künstlichen Intelligenz und Biotechnologie. Zudem werden immer mehr ETH-​Spin-offs von Frauen ins Leben gerufen.

43 neue Gründungen ist eine ausserordentlich hohe Zahl – mit der die ETH Zürich im europäischen Vergleich besonders gut abschneidet. Ein Forschungsbereich, den die ETH intensiv ausbaut, spiegelt sich auch in den Firmengründungen wider: die Künstliche Intelligenz. Von den 43 gegründeten Spin-​offs weisen zwölf einen klaren Bezug zur KI auf. Beispielsweise Quazel, eine App, die KI für das Sprachenlernen einsetzt. Mithilfe eines KI-​Agenten können Lernende Gespräche zu beliebigen Themen führen, während die KI dynamisch auf alles reagiert, was gesagt wird. Auch das junge Team von BreezeLabs setzt eine KI-​Software ein. Diese misst über das eingebaute Mikrofon in Standard-​Kopfhörern die Atemfrequenz. Dadurch können während körperlicher Aktivität personalisierte und zielgerichtete Trainingsempfehlungen gegeben werden.

Neben KI ist die ETH traditionell sehr stark in der Biotechnologie und Pharmazie. Dieser Bereich macht den grössten Anteil der neugegründeten Spin-​offs im Jahr 2023 aus. Ein Beispiel ist das Biotech-​Spin-off ATLyphe. Ihr Ziel ist es, die Chemotherapie durch antikörperbasierte Therapien zu ersetzen, um die hämatopoetische Stammzellentransplantation potenziell sicherer und effektiver zu gestalten.

Immer mehr Gründerinnen

Der Anteil von Gründerinnen bei den ETH-​Spin-offs ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. In konkreten Zahlen bedeutet das – 2023 wurden elf Firmen an der ETH von Frauen mitgegründet. Dies freut Vanessa Wood, Vizepräsidentin für Wissenstransfer und Wirtschaftsbeziehung an der ETH Zürich: «Dass wir immer mehr Frauen dazu begeistern können, Unternehmerinnen zu werden, erfüllt mich nicht nur persönlich mit Freude, sondern ist auch für die Schweizer Wirtschaft und die Gesellschaft wichtig.» Ein konkretes Beispiel dafür ist der Spin-​off apheros. CEO Julia Carpenter und ihr Team haben neuartige Metallschwämme erfunden, die Kühleigenschaften besitzen. Da die Kühlung von elektronischen Geräten oft energieintensiv ist, bieten die Schwämme von apheros mit ihrer grossen Oberfläche und hohen Leitfähigkeit eine effiziente Kühllösung.

Viele Investitionen

Ein besonderes Jahr war es auch in Bezug auf Grants, welche ETH-​Spin-offs erhielten. 2023 flossen 47 Millionen Schweizer Franken in ETH-​Spin-offs, ohne dass dabei die bestehenden Anteile der aktuellen Eigentümer verwässert wurden. Zudem gab es einige beträchtliche Investitionsrunden. Zum Beispiel schloss das Spin-​off GetYourGuide, eine Online-​Plattform für Reiseaktivitäten, eine neue Finanzierungsrunde von über 70 Millionen Franken ab. Das Spin-​off ANYbotics, das autonome Roboter für Inspektionen anbietet, erhielt 50 Millionen Franken. Ebenso profitierten die beiden Drohnen-​Technologie-Firmen Verity und Wingtra von Fördergeldern. Verity erhielt 40 Millionen für ihre selbstfliegenden Inventurdrohnen, während Wingtra 20 Millionen Franken für ihre Drohnen erhielt, die für kartografische und geodätische Anwendungen eingesetzt werden. Mit Memo Therapeutics hat ein Biotechnologie-​Unternehmen eine Finanzierungsrunde von 25 Millionen Schweizer Franken abschliessen können, für die Forschung an therapeutischen Antikörpern zur Behandlung von Infektionskrankheiten.

Externer Link: www.ethz.ch

Wohin mit all dem Kohlendioxid?

Medienmitteilung der ETH Zürich vom 06.12.2023

CO2 aus der Atmosphäre abzuscheiden und in recycliertem Beton oder in Gestein in Island zu speichern, ist machbar und weist eine positive Klimabilanz auf. Dies zeigen die Ergebnisse eines Pilotprojekts unter Leitung der ETH Zürich im Auftrag des Bundes.

Die Schweiz hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Bis 2050 will sie ihre Treibhausgasemissionen auf null reduzieren. Mit einem massiven Ausbau erneuerbarer Energien und Einsparungen allein ist es allerdings nicht getan. Der Bund geht davon aus, dass jährlich 12 Millionen Tonnen CO2 anfallen, die schwierig zu vermeiden sind – so zum Beispiel Emissionen von Kehrichtverbrennungsanlagen. Ein Teil des ausgestossenen CO2 muss also wieder aus der Atmosphäre entfernt werden. Nur wie? Und wohin damit?

Zwei unterschiedliche Speichermöglichkeiten erprobt

Diesen Fragen ist ein Konsortium aus Wissenschaft und Industrie unter der Leitung der ETH Zürich im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE) und des Bundesamts für Umwelt (BAFU) nachgegangen. Die Forschenden haben zwei Wege untersucht, wie CO2 dauerhaft gespeichert werden kann: 1. Mineralisierung in rezykliertem Abbruchbeton, der in der Schweiz hergestellt wird und 2. Mineralisierung in einem geologischen Reservoir in Island.

Durchgespielt wurde das Ganze mit Emissionen aus einer Biogasaufbereitungsanlage in Bern. Dabei untersuchten die Forschenden anhand einer Lebenszyklusanalyse die gesamte Kette – von der Abscheidung und Verflüssigung des CO2 am Ort des Entstehens, über den Transport bis hin zur Speicherung. Sie berechneten auch, wie viel neues CO2 entlang der Kette anfällt. Für eine Kehrichtverbrennungsanlage und eine Zementanlage wurden zudem unterschiedliche Lösungen für Abscheidungsverfahren und -​anlagen geprüft.

Schon heute eine positive Klimabilanz

Es zeigte sich: Beide Wege sind technisch umsetzbar und weisen eine positive Klimabilanz aus. So überstieg in allen untersuchten Beispielen die Menge des CO2, das gespeichert werden konnte, die Menge an entlang der Transportkette ausgestossenem CO2. Beim Speichern in rezykliertem Abbruchbeton liegt der Wirkungsgrad und damit das Verhältnis zwischen gespeicherten und dadurch neu anfallenden Emissionen bei 90 Prozent; beim Transport von Schweizer CO2 und der anschliessenden Speicherung in isländischem Gestein bei etwa 80 Prozent. Diese Bilanz dürfte sich zukünftig weiter verbessern, entfällt der grösste Teil der neuangefallenen Emissionen auf den Transport der Container per Bahn und Schiff, die heute zum Teil noch mit Energie aus Kohlekraft und fossilen Brennstoffen betrieben werden. Wird zukünftig in grossem Massstab CO2 exportiert, wäre auch der Transport von CO2 in einer Pipeline eine Möglichkeit.

Überrascht wurden die Forschenden hingegen von den regulatorischen Schwierigkeiten, die ihnen beim Transport von CO2 durch mehrere Länder bis nach Island begegneten. Es war das erste Mal, dass grenzüberschreitend CO2 zur Speicherung transportiert wurde. «In der Nahrungsmittelindustrie wird viel CO2 benötigt und kann gelabelt als Chemikalie ohne Probleme transnational transportiert werden. Ist es aber ‘Abfall’ wie in unserem Fall, fehlt es an den entsprechenden Regulierungen», erläutert Marco Mazzotti, Projektkoordinator und ETH-​Professor. Das Projektteam kommt daher zum Schluss: Will die Schweiz CO2 im grösseren Massstab speichern und Anreize für Unternehmen schaffen, müssen gemeinsam mit den europäischen Nachbarn klare Regulierungen geschaffen werden.

Zahlreiche Forschungsfragen noch offen

Auch wenn die im Projekt erprobten Technologien funktionieren, ist der Forschungsbedarf im Bereich CO2-​Management noch gross; zudem muss sichergestellt werden, dass die Technologien auch ihren Weg in die Wirtschaft finden. In der 2023 gemeinsam mit Partnern aus Politik, Wissenschaft und Industrie lancierten «Coalition for Green Energy and Storage», will die ETH Zürich unter anderem bestehende Technologien zur CO2-​Abscheidung, zur Produktion von kohlenstoffneutralen Gasen und Treibstoffen, und zur CO2-​Speicherung rasch implementieren und industriell einsetzbar machen.

Eine weitere Frage, die ETH-​Forschende umtreibt, ist, ob sich CO2 auch im hiesigen Boden speichern liesse. Ein allfälliger Injektionstest in einem von der nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) nicht mehr benötigten Bohrloch in Trüllikon könnte erste Antworten liefern.

Externer Link: www.ethz.ch