Raum-Zeit-Kristall: Wichtiges Puzzleteil auf dem Weg zu neuen optischen Materialien

Pressemitteilung des Karlsruher Institut für Technologie vom 12.11.2024

Forschende des KIT konstruieren maßgeschneiderte Materialien für die optische Informationsverarbeitung. Photonische Raum-Zeit-Kristalle sind Materialien, die drahtlose Kommunikation oder Lasertechnologien leistungsfähiger und effizienter machen könnten. Sie zeichnen sich durch die periodische Anordnung spezieller Materialien aus, in drei Raumrichtungen wie auch in der Zeit, und ermöglichen so eine präzise Kontrolle der Lichteigenschaften. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben nun zusammen mit Partnern der Aalto University, der University of Eastern Finland und der Harbin Engineering University in China gezeigt, wie sich solche vierdimensionalen Materialien für die praktische Anwendung nutzen lassen. Über ihre Arbeit berichten sie im Fachmagazin Nature Photonics. (DOI: 10.1038/s41566-024-01563-3).

Photonische Zeitkristalle bestehen aus Materialien, die im Raum überall gleich beschaffen sind, deren Eigenschaften sich aber zeitlich periodisch ändern. Durch diese zeitliche periodische Änderung lässt sich die spektrale Zusammensetzung von Licht gezielt verändern und verstärken, beides sind entscheidende Faktoren für die optische Informationsverarbeitung. „Dies eröffnet neue Freiheitsgrade, birgt aber auch viele Herausforderungen“, sagt Professor Carsten Rockstuhl vom Institut für Theoretische Festkörperphysik und Institut für Nanotechnologie des KIT. „Die vorliegende Studie ebnet den Weg, diese Materialien für informationsverarbeitende Systeme einzusetzen, in denen alle Lichtfrequenzen genutzt und verstärkt werden sollen.“

Vierdimensionalen photonischen Kristallen ein Stück näher

Die zentrale Kenngröße eines photonischen Zeitkristalls ist seine Bandlücke im Impulsraum. Zur Erläuterung: Der Impuls ist ein Maß dafür, in welche Richtung sich das Licht ausbreitet. Eine Bandlücke beschreibt, in welche Richtungen sich das Licht ausbreiten muss, damit es verstärkt wird: Je breiter die Bandlücke, desto größer ist die Verstärkung. „Bisher müssen wir in photonischen Zeitkristallen für eine große Bandlücke die zeitlich periodische Änderung der Materialeigenschaften, etwa den Brechungsindex, intensivieren. Nur dann wird Licht überhaupt verstärkt“, erklärt Puneet Garg, einer der beiden Erstautoren der Studie. „Da die Möglichkeiten hierfür bei den meisten Materialien begrenzt sind, ist dies eine große Herausforderung.“

Als Lösung kombinierte das Forschungsteam die photonischen Zeitkristalle mit einer zusätzlichen räumlichen Struktur und konstruierte somit „photonische Raum-Zeit-Kristalle“: Es baute photonische Zeitkristalle aus Silizium-Kugeln ein, die das Licht „einfangen“ und etwas länger halten als bisher möglich. So reagiert das Licht wesentlich besser auf die zeitlich periodische Änderung der Materialeigenschaften. „Wir sprechen hier von Resonanzen, die die Wechselwirkung von Licht und Materie verstärken“, sagt Xuchen Wang, ebenfalls Erstautor. „In so optimal abgestimmten Systemen erstreckt sich die Bandlücke fast über den gesamten Impulsraum, das heißt: Das Licht wird unabhängig von seiner Ausbreitungsrichtung verstärkt. Dies könnte das fehlende Puzzleteil auf dem Weg zur praktischen Nutzung solcher neuen optischen Materialien sein.“

„Wir freuen uns sehr über diesen Durchbruch bei den photonischen Materialien und sind gespannt auf die langfristigen Auswirkungen unserer Forschung“, sagt Rockstuhl. „So kann das enorme Potenzial der modernen optischen Materialforschung ausgeschöpft werden. Die Idee ist nicht auf Optik und Photonik beschränkt, sondern kann für viele Systeme in der Physik angewandt werden und potenziell neue Forschungen in verschiedenen Bereichen anregen.“

Das Forschungsprojekt wurde in dem Sonderforschungsbereich „Waves: Analysis and Numerics“ durchgeführt, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), und ist eingebettet in den Helmholtz-Forschungsbereich Information.

externer Link: https://www.kit.edu/

Neue Entdeckung: Wie Kieselalgen CO₂ so effektiv binden können

Pressemitteilung der Universität Basel vom 17. Oktober 2024

Winzige Kieselalgen im Ozean sind Meister darin, Kohlendioxid (CO₂) aus der Umwelt zu binden. Sie speichern bis zu 20 Prozent des CO₂ auf der Erde. Ein Team der Universität Basel hat nun in genau diesen Algen eine Proteinhülle entdeckt, die für eine effiziente CO₂-Fixierung sorgen. Diese grundlegende Entdeckung kann neue Ideen für biotechnische Ansätze liefern, um so das CO₂ in der Atmosphäre zu reduzieren.

Kieselalgen sind so klein, dass man sie mit dem blossen Auge nicht sehen kann. Und doch sind sie eine der produktivsten Algenarten im Ozean und spielen eine wichtige Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf. Durch Fotosynthese absorbieren sie grosse Mengen aus der Umwelt und wandeln es in Nährstoffe um, mit denen sie einen Grossteil des Lebens im Ozean ernähren. Trotz ihrer Bedeutung ist wenig darüber bekannt, wie sie diesen Prozess so effizient durchführen.

Forschende um Prof. Dr. Ben Engel am Biozentrum der Universität Basel haben nun gemeinsam mit Forschenden der University of York, Grossbritannien, und der Kwansei-Gakuin University, Japan, eine Proteinhülle entdeckt, die bei der CO₂-Fixierung der Kieselalgen eine Schlüsselrolle spielt. Mithilfe modernster bildgebender Technologien wie der Kryoelektronenmikroskopie (Kryo-EM) konnten die Forschenden die molekulare Architektur der sogenannte PyShell-Proteinhülle aufklären und ihre genaue Funktionsweise entschlüsseln. Die Ergebnisse sind in zwei Studien in «Cell» veröffentlicht.

Effektive CO2-Fixierung durch PyShell

Fotosynthese findet in Pflanzen und Algen statt, genauer gesagt in ihren Chloroplasten, wo die Energie der Sonne von den sogenannten Thylakoidmembranen gesammelt wird. Die Energie wird dann verwendet, um dem Enzym Rubisco bei der Fixierung von CO₂ zu helfen.

Algen haben dabei einen Vorteil: Sie packen ihr gesamtes Rubisco in kleine Kompartimente, sogenannte Pyrenoide, in denen das CO₂ effizienter gebunden werden kann: «Wir haben jetzt herausgefunden, dass die Pyrenoide der Kieselalgen von einer gitterartigen Proteinhülle umgeben sind», sagt Dr. Manon Demulder, Mitautorin beider Studien. «Diese PyShell verleiht dem Pyrenoid nicht nur seine Form, sondern sorgt auch für eine hohe CO₂-Konzentration in diesen Kompartimenten. Dadurch können die Rubiscoproteine effizient CO₂ aus dem Ozean binden und in Nährstoffe umwandeln.»

Berührungsfreie Diagnose soll Krankheiten am Geruch erkennen

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 19.11.2024

Krankheiten wie Mukoviszidose oder Covid am Geruch zu erkennen, ohne Blut abzunehmen, ohne Abstrich und ohne jede Art von Berührung: Hieran forschen Dr. Sybelle Goedicke-Fritz und ihr Team in der Arbeitsgruppe von Professor Michael Zemlin an der Kinderklinik der Universität des Saarlandes. Ziel ist, Infektionen anhand von Geruchs-Mustern aufzuspüren, die individuell sind wie Fingerabdrücke. Die Forscherinnen und Forscher trainieren Gassensorik-Messgeräte darauf, diese Muster in der Umgebungsluft ausfindig zu machen. So soll Frühgeborenen und Kindern der Stress diagnostischer Eingriffe erspart bleiben. Ein späteres Anwendungsgebiet wäre aber auch, Infizierte schnell zu erkennen, bevor sie ein Krankenhaus besuchen oder ins Flugzeug steigen.

Wer krank ist, riecht anders. Das Phänomen ist vielen aus eigener Wahrnehmung bekannt. Die Körpergerüche verändern sich, sei es der Atem oder die Ausdünstungen über die Haut. „Schon in der Antike nutzte Hippokrates seinen Geruchssinn, um Krankheiten zu erkennen. Das ist also ein sehr altes Wissen“, sagt Dr. Sybelle Goedicke-Fritz, die das Forschungslabor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum des Saarlandes leitet. Der menschliche Körper mit seiner reichen Bakterienflora gibt schon im gesunden Zustand fortwährend Moleküle in seine Umgebung ab. Im Krankheitsfall produzieren der körpereigene Stoffwechsel und auch derjenige der Bakterien andere chemische Verbindungen – und zwar je nach Erkrankung unterschiedliche. „Bei jeder Infektion oder Abwehrreaktion des Körpers entsteht eine charakteristische Entzündungsreaktion, die dazu führt, dass bestimmte Geruchsstoffe gebildet werden. Diese flüchtigen organischen Substanzen werden etwa ausgeatmet oder treten mit dem Schweiß aus“, erklärt die promovierte Immunologin und Zellbiologin.

Infektionen mit verschiedenen Erregern wie auch entzündungsbedingte Vorgänge unterscheiden sich vom Geruch her also sehr individuell. Diese eigenen Stoffwechselprodukte der Krankheiten, die zu den typischen Gerüchen führen, wollen Sybelle Goedicke-Fritz und ihr Team messen und zuordnen. „Das Muster, das Krankheiten und Infektionen auf Gasmessgeräten hinterlassen, ist vergleichbar einem Fingerabdruck. Diese Muster sind auch bei anderen Menschen mit der gleichen Krankheit wiedererkennbar. Wir sprechen dabei auch von einem Geruchs-Abdruck, auf Englisch Smellprint“, erläutert Sybelle Goedicke-Fritz, die mit ihrem Team bestimmten Krankheiten solche Fingerabdrücke abnehmen will, um sie leichter und schneller zu entlarven.

Hierzu sammeln Goedicke-Fritz und ihr Team an der Universitäts-Kinderklinik im saarländischen Homburg bei Kindern mit Covid-Infektionen, mit Mukoviszidose und weiteren Erkrankungen Messwerte aus Ausatemluft, Speichel, Auswurf oder Schweiß. „Um die spezifischen Geruchs-Profile der Erkrankungen zu erstellen, messen wir volatile, also flüchtige organische Verbindungen, bekannt auch als VOCs“, erklärt Sybelle Goedicke-Fritz. Diese Substanzen sind in der Ausatemluft oder verschiedenen Bioproben wie Stuhl und Urin nachweisbar. Hierbei kommen mobile Gasmessgeräte in Handygröße sowie chemische und weitere Methoden zum Einsatz, die ermöglichen, berührungsfrei Moleküle in der Umgebungsluft von Proben auszuwerten. „Für unsere Studien nutzen wir Halbleitergassensor-Systeme der Arbeitsgruppe von Messtechniker Professor Andreas Schütze von der Universität des Saarlandes, außerdem Polymersensoren sowie verschiedene Spektrometer wie die Ionenmobilitätspektrometrie und Gaschromatografie-Verfahren zusammen mit Forschern aus Hannover“, sagt die Forscherin. Die gemessenen Werte gleichen sie und ihr Team ab mit Messungen an Kontrollgruppen sowie mit Vergleichsdiagnosen aus dem Labor wie Bluttests, Abstrichen oder PCR-Testergebnissen.

„Auch Doktorandinnen, Doktoranden und Studierende arbeiten an dieser Forschung mit“, sagt Goedicke-Fritz, die auch die Nachwuchsgruppe für nicht-invasive Diagnostik leitet und sich derzeit zu diesem Thema habilitiert, um es in der Lehre einzubringen. Alles, was aus der Umgebung der Kinder gemessen werden kann, versuchen die Forscherinnen und Forscher auszuwerten, um so viele Geruchsinformationen wie möglich zu sammeln. Als vielversprechend zeigen sich dabei auch Hinterlassenschaften in Windeln. Die inzwischen promovierte Medizinerin Michelle Bous wertete für ihre Doktorarbeit Stuhl- und Urinproben aus Windeln aus, was ebenfalls charakteristische VOC-Muster erkennen ließ. „Wir konnten flüchtige organische Verbindungen identifizieren, die wir Infektionen oder etwa einer Blutvergiftung zuordnen können“, sagt Michelle Bous, die hierfür bereits unter anderem den Forschungspreis der Werner-Zeh-Stiftung erhielt. In ihrer Doktorarbeit entwickelte die Medizinerin, die als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungslabor der Kinderklinik arbeitet, eine Methode, um solche Geruchs-Profile kontaktlos bei Frühchen zu untersuchen.

Die Forschungen laufen in mehreren Studien. Sybelle Goedicke-Fritz und ihrem Team ist es bereits gelungen, Smellprints der Geruchsstoffe von mehreren Krankheiten mit Hilfe der Messgeräte zu erfassen. Das Forschungsteam konnte auch bereits Bakterien anhand der Stoffwechselprodukte, die sie freisetzen, voneinander unterschieden wie Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa, Burkholderia cepacia complex oder Stenotrophomonas maltophilia. „Können wir solche Bakterienscreenings weiterentwickeln, wären schnell wichtige Rückschlüsse auf die nötige Therapie möglich, ohne dass Ärzte auf aufwändigere Laborwerte warten müssen“, erklärt Sybelle Goedicke-Fritz. „Können wir eine Infektion mit Bakterien erkennen, ist damit die wichtige Frage beantwortet, ob Antibiotika eingesetzt werden können. Antibiotika wirken nur bei Bakterien, sind hingegen wirkungslos bei allen Arten von Viren“, erläutert sie.

Die Else Kröner-Fresenius-Stiftung fördert die Forschungen zu Covid-Infektionen sowie zu Krankenhauskeimen. Auch der Mukoviszidose-Verein fördert die Arbeiten. Bei der angeborenen Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose verringern heute wirksame Therapien die Schleimproduktion in der Lunge. Was für die Betroffenen eine große Erleichterung bedeutet, führt jedoch dazu, dass es schwerer wird, die Patienten regelmäßig auf bakterielle Erreger zu untersuchen, da der abgehustete Auswurf fehlt. „Nach wie vor ist es bei Mukoviszidose nicht möglich, durch nicht-invasive diagnostische Messmethoden, also ohne Eingriff, ein objektives Bild des Entzündungsstatus der Lunge wiederzugeben“, erklärt Sybelle Goedicke-Fritz.

Außerdem wollen die Forscherinnen und Forscher Geruchs-Fingerabdrücke für zahlreiche andere Krankheiten und Infektionen erstellen und der Frage auf den Grund gehen, ob es bei gefährdeten Kindern aussagekräftige Änderungen in ihrem persönlichen Geruchs-Profil gibt. Ins Auge gefasst haben Sybelle Goedicke-Fritz und ihr Team unter anderem Magen-Darm-Erkrankungen wie Helicobacter-Infektion, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, Lactoseintoleranz und Fructosemalabsorption, intrauterine Infektionen bei Schwangeren wie ungeborenem Kind, den Schweregrad von Herzinsuffizienz, Wachstums-, Pubertäts-, Schilddrüsenstörungen, aber auch Störungen der Nebenniere oder Diabetes mellitus.

Die Forscherinnen lernen mit den gefundenen Geruchs-Fingerabdrücken Messgeräte an, diese Muster binnen Sekunden bestimmten Infektionen oder Krankheiten zuzuordnen. Damit kann diese Forschung Grundlage sein auch für weitere Vorsorgemaßnahmen im Falle etwa von hochansteckenden Krankheiten: In der Zukunft könnte sie entsprechend weiterentwickelt schnelle Eingangstests in Kliniken ermöglichen und so die Testzentren mit ihren Wartezeiten vor den Krankenhäusern wie zu Covidzeiten ablösen.

Frühgeborenen und Kindern soll der Stress diagnostischer Eingriffe erspart bleiben.

Antrieb für die Forschungen ist der Schutz von Frühgeborenen. Jedes Pflaster, jede Blutabnahme, jedes Kabel, das drückt, bedeutet für ihre kleinen Körper Stress. „Für Früh- und kleine Neugeborene sind schmerzhafte Eingriffe wie Venenpunktionen und die wichtige permanente Verlaufskontrolle belastend. Gleiches gilt natürlich auch für ältere chronisch kranke Kinder. Außerdem dauern Laboruntersuchungen ihre Zeit und bei lebensgefährlichen Infektionen oder einer Blutvergiftung zählt jede Sekunde“, erklärt der Direktor der Universitätskinderklinik, Professor Michael Zemlin. In Deutschland werden jährlich mehr als 60.000 Kinder zu früh geboren. „Ihre Lunge ist anatomisch wie auch biochemisch noch nicht vollständig entwickelt. Gerade für sie stellen Infektionen oder chronische Erkrankungen ein hohes Risiko dar“, erklärt der Mediziner. Für einige dieser Erkrankungen gibt es noch keine Methode zur Früherkennung. „Das Geruchsscreening, an dem wir in Homburg arbeiten, wäre ein bedeutendes diagnostisches Werkzeug, um Infektionen, chronische pulmonale Erkrankungen wie Bronchopulmonale Dysplasie oder auch eine Blutvergiftung früh zu erkennen“, sagt Michael Zemlin.

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Forschende der TUM entwickeln Shorts mit Motorkraft

Pressemitteilung der TU München vom 13.11.2024

Robotische Hose unterstützt Menschen beim Gehen

Forschende der Technischen Universität München (TUM) haben eine robotische Hose entwickelt, mit der Menschen leichter laufen können und messbar weniger Energie verbrauchen. Besonders gebrechliche und ältere Personen sollen so länger mobil und gesund bleiben. „Damit kann man langsam gehen, aber auch joggen“, sagt TUM-Professor Lorenzio Masia. „Wir haben ein System entwickelt für Menschen, mit dem man sich gerne mehr bewegt. Das ist das gleiche Konzept wie das Elektrorad, nur für das Laufen.“

Nach Analysen der Forschenden spart ein junger Mensch, der auf einem 500 Meter langen Weg einen Berg hochgeht, unterstützt durch die robotische Hose, durchschnittlich knapp 18 Prozent der Energie ein, die er normalerweise benötigt hätte. Auch ein älterer Mensch, der auf der Ebene 400 Meter weit unterwegs ist, reduziert seine nötige Energie mit Technikeinsatz um mehr als zehn Prozent. Das entspricht einem etwa zehn bzw. sechs Kilogramm geringeren Körpergewicht. Die Konstruktion, die das möglich macht, nennen die Forschenden WalkON, was so viel wie „Lauf einfach weiter“ heißt.

Wenn Doktorandin Enrica Tricomi vom Stehen ins Gehen übergeht, ziehen zwei dünne Drähte, die vom Oberschenkel bis zum Hüftgurt reichen, gleichzeitig nach oben und nehmen der Muskulatur im Oberschenkelbeuger einen Teil der Arbeit ab. Ein am Oberschenkelgurt angebrachtes Messgerät ermittelt die Winkelstellung und -geschwindigkeit der Beine. Genau beim Übergang in die Schwungphase gibt das Gerät ein Signal an die Motoren. Dabei ist es egal, ob ein älterer Mensch die robotische Hose trägt oder aber ein sportlicher Jugendlicher: „Das System erkennt, wie schnell oder langsam sich die Person bewegt, passt sich an das jeweilige Gewicht der Beine an und unterstützt entsprechend individuell“, erläutert die Forscherin. Ihre Smart Robotic Shorts erfordern keinerlei Voreinstellungen, sind innerhalb von wenigen Minuten angezogen und einsatzbereit. Sie funktionieren quasi per „Plug & Play“.

Faktor Gesundheit: Ältere Menschen profitieren besonders

Wer das System nutzt, fühlt sich sicher, wie eine Umfrage unter den Teilnehmenden der Studie ergab. Auf einer Skala von null (keine Kontrolle möglich) bis sieben (sehr gute Kontrolle möglich) landen die Bewertungen durchschnittlich bei über sechs. „Gerade bei älteren Menschen ist es wichtig, dass sie sich sicher fühlen“, sagt Masia, der sein System insbesondere bei Menschen für sinnvoll hält, die zwar etwas gebrechlich sind, aber noch keinen Rollator benötigen.

Der Professor, der gerade von der Universität Heidelberg als stellvertretender Direktor zum Munich Institute of Robotics and Machine Intelligence (MIRMI) der TUM gewechselt ist, sieht neben älteren Menschen auch Personen, die durch eine Krankheit geschwächt sind, etwa ein schwaches Herz haben oder an Lungenerkrankungen leiden, als Zielgruppe der Entwicklung. „Laufen hilft ihnen, den Stoffwechsel zu verbessern, was sich wiederum positiv auf ihre Erkrankung auswirken kann“, sagt Masia. Dadurch, dass Nutzerinnen und Nutzer länger unterwegs sein können, sind sie insgesamt mobiler und unabhängiger. Dies hat kann eine positive Auswirkung auf die Lebensqualität bewirken.

Vision: Exoskelette für die Freizeit entwickeln

Im Gegensatz zu Systemen, die als so genannte Exoscelette in Outdoorgeschäften bereits angeboten werden, handelt es sich nicht um ein hartes Gestell, sondern um weiche Kleidung. „WalkOn sieht mehr nach Keidung aus und ist insgesamt nicht größer als ein kleiner Rücksack“, sagt Doktorandin Tricomi, die das System in den letzten vier Jahren Stück für Stück zu dem gemacht hat, was es jetzt ist. In der Zukunft wird ein modulares System entstehen, das sich der Nutzer selbst zusammenstellen kann, ist Prof. Lorenzo Masia überzeugt: „In ein paar Jahren kauft man sich eine kurze Hose, befestigt daran einen Motor, steckt zwei Kabel an und fertig ist das System, mit dem man in die Berge gehen kann.“

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Zweihundertfach bessere Katalysatoren durch Kohlenstoff

Pressemitteilung der Technischen Universität Wien vom 11.11.2024

Wenn man Metall-Nanopartikel auf Kohlenstoff platziert, werden sie viel aktiver. Was man bisher nur aus Erfahrung vermutete, konnte nun an der TU Wien erstmals im Detail erklärt werden.

Edelmetalle spielen in der chemischen Industrie eine wichtige Rolle als Katalysatoren: Mit Hilfe von Silber, Platin, Palladium oder anderen Elementen kann man chemische Reaktionen ablaufen lassen, die sonst nicht oder nur mit viel geringerer Reaktionsrate voranschreiten würden. Oft setzt man diese Metalle in Form winziger Nanopartikel ein. Wie gut sie wirken, hängt allerdings auch vom Untergrund ab, auf dem sie platziert werden. Nanopartikel auf einer Kohlenstoff-Unterlage scheinen besonders gut zu funktionieren – der Grund dafür war lange Zeit unbekannt.

An der TU Wien gelang es nun aber erstmals, das Zusammenspiel von Metall-Nanopartikeln und Kohlenstoff-Untergrund präzise zu vermessen und zu erklären. Silber-Atome auf einem Kohlenstoff-Träger stellten sich dabei als zweihundertmal aktiver heraus als Atome in einem Stück reinem Silber. Entscheidend ist die Zone, in der das Silber in direkten Kontakt mit dem Kohlenstoff gerät, zeigen Computersimulationen. Mit Hilfe von Wasserstoff-Isotopenaustausch entwickelte man eine Methode, Katalysator-Träger schneller und einfacher auf ihre Effektivität zu testen.

Von „schwarzer Kunst“ zur Wissenschaft
„Der Einsatz von Kohlenstoff als Trägermaterial für die Katalyse hatte lange Zeit fast etwas Magisches“, sagt Prof. Günther Rupprechter vom Institut für Materialchemie der TU Wien. Die Herkunft des Kohlenstoffs stellte sich als wichtig heraus: Für manche Prozesse setzte man etwa Kohlenstoff ein, der aus Kokosnuss-Schalen, -Fasern oder speziellen Hölzern gewonnen wurde. Sogar in offiziellen Patentschriften sind solche „Rezepturen“ zu finden – dabei sollte die Herkunft chemischer Substanzen doch eigentlich relativ egal sein. „Es erschien immer ein bisschen wie schwarze Kunst“, sagt Günther Rupprechter.

Die Idee dahinter war, dass unterschiedliche Herstellungsmethoden zu minimalen chemischen oder physikalischen Unterschieden führen könnten: Vielleicht ordnet sich der Kohlenstoff je nach Herstellungsart auf unterschiedliche Weise an? Vielleicht enthält er Spuren anderer chemischer Elemente? Oder an der Oberfläche lagern sich funktionale Gruppen an – kleine molekulare Bausteine, die in die chemische Reaktion eingreifen?

„In der chemischen Industrie gibt man sich naturgemäß oft damit zufrieden, dass ein Prozess funktioniert und man ihn zuverlässig wiederholen kann“, sagt Rupprechter. „Wir wollten der Sache aber auf den Grund gehen und auf atomarer Ebene genau verstehen, was hier eigentlich vor sich geht.“ Neben Rupprechters Team war auch das das Zentrum für Elektronenmikroskopie der TU Wien (USTEM) und die Universität Cádiz (Spanien) beteiligt.

Präzisionsmessungen in einem Mikroreaktor
Das Team stellte zunächst extrem präzise charakterisierbare Proben her: Silber-Nanopartikel bekannter Größe auf einem Kohlenstoff-Untergrund und eine dünne Silberfolie ohne Kohlenstoff.

Beide Proben wurden dann in einem chemischen Reaktor untersucht: „Silber kann eingesetzt werden, um Wasserstoff-Moleküle in einzelne Wasserstoff-Atome zu zerlegen“, erklärt Thomas Wicht, der Erstautor der Studie. „Dieser Wasserstoff kann dann zum Beispiel für die Hydrierungs-Reaktion von Ethen verwendet werden. In analoger Weise kann man aber auch ‚gewöhnliche‘ Wasserstoffmoleküle mit Molekülen aus schwerem Wasserstoff (Deuterium) mischen. Beide Moleküle werden dann durch das Silber dissoziiert und neu kombiniert.“ Je aktiver der Katalysator, umso häufiger kommt es zum Austausch der beiden Wasserstoff-Isotope. Daher kann man auf diese Weise sehr zuverlässig Auskunft über die Katalysatoraktivität erhalten.

Somit konnte nun erstmals der Aktivitäts-Unterschied zwischen Silberatomen mit und ohne Kohlenstoff-Träger genau quantifiziert werden – mit spektakulärem Ergebnis: „Pro Silberatom erreicht man durch den Kohlenstoff-Untergrund eine zweihundertfach höhere Aktivität“, sagt Thomas Wicht. „Das ist natürlich für industrielle Anwendungen sehr wichtig. Man braucht nur ein Zweihundertstel der Menge an teuren Edelmetallen, um dieselbe Wirkung zu erzielen – und das einfach, indem man vergleichsweise kostengünstigen Kohlenstoff dazu nimmt.“

Der spannende Effekt passiert genau an der Grenze
Alexander Genest aus dem TU Team führte entsprechende Computersimulationen durch, die die Aktivierung von Wasserstoff durch Silber Nanopartikel auf Kohlenstoff und reinem Silber vergleichen. Dadurch wurde klar: Entscheidend ist die Grenzregion zwischen Silberpartikel und Kohlenstoff-Träger. Genau dort, wo beide in Kontakt treten, ist die Katalysator-Wirkung am größten. „Es liegt also nicht an der Größe der Kohlenstoff-Oberfläche oder an irgendwelchen Fremdatomen oder funktionalen Gruppen. Eine extreme katalytische Wirkung tritt dann auf, wenn ein Molekül direkt an der Kontaktstelle sowohl mit einem Kohlenstoff- als auch mit einem Silberatom in Berührung kommt“, sagt Alexander Genest. Je größer dieser Bereich des direkten Kontakts, umso größer auch die Aktivität.

Durch diese Erkenntnis lassen sich nun auch unterschiedliche Kohlenstoff-Chargen aus unterschiedlichen Quellen recht einfach auf ihre Wirksamkeit überprüfen. „Jetzt, wo wir den Wirkungsmechanismus verstanden haben, wissen wir genau, worauf man achten muss“, sagt Günther Rupprechter. „Unser Experiment, bei dem wir die Katalysatoren einer Mischung aus gewöhnlichem und schwerem Wasserstoff aussetzen, ist relativ einfach durchzuführen und es gibt sehr verlässlich darüber Auskunft, ob diese Variante des Kohlenstoff-Trägers auch für andere chemische Reaktionen geeignet ist oder nicht.“ Die Abläufe auf atomarer Ebene erklären zu können soll nun also im industriellen Einsatz Zeit und Geld sparen und die Qualitätssicherung vereinfachen.

externer Link: https://www.tuwien.at/