Das Metallgebiss des Borstenwurms

Presseaussendung der TU Wien vom 09.06.2021

Metallatome sind für die bemerkenswerte Stabilität von Borstenwurm-Kiefern verantwortlich, zeigen Experimente der TU Wien. Das könnte der Schlüssel für neue Hochleistungsmaterialien sein.

Borstenwürmer finden sich fast überall wo es Meerwasser gibt, und das schon seit hunderten Millionen Jahren. Trotzdem haben sie Besonderheiten, die erst jetzt entschlüsselt werden konnten: Ihre Kiefer sind aus bemerkenswert stabilem Material aufgebaut, und das Geheimnis dieser Stabilität kann man nun durch Experimente an der TU Wien in Kooperation mit den Max Perutz Labs erklären.

Eine entscheidende Rolle spielen Metallatome, die vom Wurm in die Proteinstruktur des Materials eingebaut werden. Sie machen das Material hart und gleichzeitig biegsam – ganz ähnlich wie man das von gewöhnlichen Metallen kennt. Nun soll an dieser Materialklasse weitergeforscht werden, mit dem Ziel, neuartige, industriell nutzbare Materialien auf natürliche Weise herzustellen.

Einzelne Metallatome

„Die Materialien, aus denen Wirbeltiere bestehen, sind mittlerweile gut erforscht“, sagt Prof. Christian Hellmich vom Institut für Mechanik der Werkstoffe und Strukturen der TU Wien. „Knochen etwa sind sehr hierarchisch aufgebaut: Es gibt organische und mineralische Anteile, winzige Strukturen ergeben größere Strukturen, die sich zu noch größeren Strukturen zusammenfügen.“

Bei Borstenwürmern ist das anders. Ihre Kiefer sind zwar äußerst stabil und unzerbrechlich, doch sie enthalten keine mineralischen Körnchen, wie man das von Wirbeltierknochen kennt. Stattdessen enthalten sie Metalle. Mit reinen Metallobjekten wie Goldzähnen oder künstlichen Hüften aus Titan hat das freilich nichts zu tun: Der Borstenwurm verwendet Metalle wie etwa Magnesium oder Zink in Form einzelner Atome, die in eine Proteinstruktur integriert sind.

„Dass im Borstenwurm-Kiefer Metallatome vorkommen, erklärt noch nicht seine ausgezeichneten Materialeigenschaften“, sagt Christian Hellmich. Die typischen Eigenschaften, die man von alltäglichen Metallen kennt – neben ihrer Härte und Elastizität vor allem ihre Zähigkeit – entstehen schließlich erst durch das Zusammenspiel vieler Atome. Es bilden sich Gleitflächen, entlang derer sich die Atome gegeneinander verschieben. Untersuchen kann man das mit sogenannten Nanoindentationsversuchen: Man belastet das Material auf eine genau definierte Weise und studiert dann, welche Verformungen sich daraus ergeben. Überraschenderweise zeigte sich, dass sich das Material des Borstenwurm-Kiefers dabei ganz ähnlich verhält wie Metall.

Ein uraltes Hochleistungsmaterial

„Das Bauprinzip, das die Kiefer von Borstenwürmern so erfolgreich gemacht hat, ist offenbar vor etwa 500 Millionen Jahren entstanden“, sagt Florian Raible von den Max Perutz Labs, einem Joint Venture der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien. „Die Metallionen werden direkt in die Proteinketten eingebaut und sorgen dann dafür, dass unterschiedliche Proteinketten zusammengehalten werden.“ So kann der Borstenwurm dreidimensionale Formen aus einer besonders stabilen Protein-Matrix herstellen.

Gleichzeitig ermöglicht diese Struktur auch Verformungen: Wenn das Material durch eine äußere Kraft belastet wird, können die Proteinketten aneinander vorübergleiten. Das Material erlaubt elastoplastische Verformungen, daher ist es nicht spröde und zerbrechlich.

„Genau diese Kombination aus hoher Festigkeit und Verformbarkeit ist normalerweise für Metalle charakteristisch“, sagt Luis Zelaya-Lainez, der als Erstautor der Studie die winzigen Kiefer mit materialwissenschaftlichen Techniken untersuchte. „Hier haben wir es zwar mit einem völlig anderen Material zu tun, aber interessanterweise sorgen trotzdem auch dort die Metallatome für Festigkeit und Verformbarkeit, wie bei einem Werkstück aus Metall.“

Während man industriell gefertigte Metalle allerdings nur unter großem Energieaufwand produzieren kann, gelingt dem Borstenwurm ein ähnliches Kunststück auf viel effizientere Weise. „Die Biologie könnte hier als Inspiration dienen, für völlig neuartige Werkstoffe“, hofft Hellmich. „Vielleicht ist es sogar möglich, auf biologische Weise Hochleistungsmaterialien herzustellen – viel effizienter und umweltfreundlicher als uns das heute gelingt.“

Ermöglicht wurde die gemeinsame Studie zwischen den Arbeitsgruppen um Hellmich und Raible unter anderem durch Forschungsgelder aus dem Innovationsfond „Research, Science and Society“ der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der neuartige Grundlagenforschung im Grenzbereich etablierter Forschungsfelder unterstützt. (Florian Aigner)

Originalpublikation:
L. Zelaya-Lainez et al., Jaws of Platynereis dumerilii: Miniature Biogenic Structures with Hardness Properties Similar to Those of Crystalline Metals, JOM (2021)

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Gentherapie lässt Erblindeten partiell wieder sehen

Medienmitteilung der Universität Basel vom 24.05.2021

Ein Blinder hat einen Teil seiner Sehkraft zurückerlangt. Gelungen ist dies durch eine sogenannte optogenetische Gentherapie, die eine erbliche Erkrankung der Fotorezeptoren des Auges behandelt. Ein internationales Forschungsteam hat damit einen wichtigen Schritt geschafft, um erblich bedingte Blindheit zu behandeln.

Dass Menschen erblinden geht oft auf eine erbliche Erkrankung der Fotorezeptoren im Auge zurück. Fotorezeptoren sind lichtsensible Zellen in der Netzhaut, die sogenannte Opsin-Proteine nutzen, um Licht in elektrische Reize umzuwandeln und visuelle Information via Sehnerv vom Auge ans Gehirn zu liefern. Bei vielen Erbkrankheiten der Netzhaut degenerieren die Fotorezeptoren jedoch, die Betroffenen verlieren ihre Sehfähigkeit.

An der Behandlung dieser Art der erblichen Erblindung arbeiten Forschende um Prof. Dr. Botond Roska von der Universität Basel, Gründungsdirektor des Instituts für Molekulare und Klinische Ophthalmologie Basel (IOB), und Prof. Dr. José-Alain Sahel von der Universität Pittsburgh seit über zehn Jahren. Dafür setzen sie sogenannte optogenetische Gentherapien ein.

Lichtempfindliche Proteine

Bei Optogenetik handelt es sich um eine Technik, bei der Zellen genetisch so verändert werden, dass sie lichtempfindliche Proteine produzieren. Nun hat die Behandlung eines Patienten, der durch die Erbkrankheit Retinitis pigmentosa vollständig erblindet war, vielversprechende Ergebnisse erbracht. Davon berichten die Forschenden im Fachmagazin Nature Medicine. «Die Studienergebnisse beweisen, dass eine optogenetische Gentherapie zur partiellen Wiederherstellung von Sehfähigkeit machbar ist», so Roska.

Um die Lichtsensibilität der Netzhaut des Patienten wiederherzustellen, schleusten die Forschenden bestimmte Gene in sogenannte Ganglienzellen der Retina ein, damit sie das lichtempfindliche Protein ChrimsonR herstellten. Dieses spezielle Protein absorbiert bernsteinfarbenes Licht, das für Netzhautzellen sicherer ist als das blaue Licht, das sonst häufig in der Optogenetik verwendet wird. Das Team entwickelte zudem eine spezielle Brille, die mit einer Kamera ausgestattet ist. Die Kamera erfasst die Umgebung und projiziert die Bilder, umgewandelt in bernsteinfarbenen Lichtwellenlängen, auf die Netzhaut.

Etwa fünf Monate, nachdem der Patient die Gentherapie erhielt, begann das Training mit der Brille. So stabilisierte sich die Produktion des lichtempfindlichen Proteins ChrimsonR in den Zellen der Netzhaut. Sieben Monate später berichtete der Patient über Anzeichen einer Sehverbesserung.

Patient kann Objekte lokalisieren

Der Patient konnte Objekte auf einem weissen Tisch vor seinen Augen lokalisieren, berühren und zählen, jedoch nur mithilfe der Spezialbrille. Ohne die Brille gelangen ihm diese Übungen nicht. Bei einem weiteren Test sollte er ein grosses Notizbuch oder eine kleine Schachtel mit Heftklammern wahrnehmen, lokalisieren und berühren. Das gelang ihm beim Notizbuch in 36 von 39 voneinander unabhängigen Untersuchungen (also in 92 Prozent aller Tests). Bei der kleinen Schachtel gelang ihm dies nur in 36 Prozent der Fälle. In einem anderen Test zählte der Patient Gläser auf dem Tisch in 63 Prozent aller Fälle korrekt.

Während weiterer Versuche sollte der Patient Knöpfe drücken, um anzugeben, ob sich ein Glas auf dem Tisch vor ihm befand oder nicht. Dabei trug er eine Kopfhaube mit Elektroden, die ein nicht-invasives Elektro-Enzephalogramm (EEG) seiner Gehirnaktivität aufzeichneten. Die Auswertung der EEG-Messungen zeigte, dass sich die Aktivität im visuellen Kortex seines Gehirns entsprechend änderte, je nachdem, ob das Glas vorhanden war oder nicht. Damit konnten die Forschenden bestätigen, dass die Gehirnaktivität tatsächlich mit einem visuellen Objekt in Verbindung stand und die Netzhaut nicht mehr blind war.

Sehnerv muss noch intakt sein

Für diese Art der Behandlung von Blindheit kommen allerdings nur Patientinnen und Patienten infrage, deren Sehnerv noch intakt ist und die aufgrund verschiedener Arten neurodegenerativer Fotorezeptor-Erkrankungen das Augenlicht verloren haben, wie José-Alain Sahel betont. «Es wird aber noch einige Zeit dauern, bis diese Therapie den Patienten angeboten werden kann.»

Zum internationalen Forschungsteam gehörten Mitglieder des IOB, des Institut de la Vision und Hôpital National des Quinze-Vingts in Paris, der Universität Pittsburgh, von StreetLab und GenSight Biologics.

Originalpublikation:
José-Alain Sahel et al.
Partial recovery of visual function in a blind patient after optogenetic therapy
Nature Medicine (2021)

Externer Link: www.unibas.ch

Elektronische Nase unterscheidet Minzdüfte

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 05.05.2021

Interdisziplinäre Forschungsgruppe des KIT entwickelt und erprobt künstliche Geruchserfassung durch Sensoren auf Basis neuartiger Materialkombinationen

In der Natur locken pflanzliche Duftstoffe beispielsweise Insekten an. Aber auch in der Industrie werden sie genutzt, etwa beim Herstellen von Parfums und Aromen. Um speziell die Duftstoffe der Minze zuverlässig, schnell und objektiv zu unterscheiden, haben Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in einer interdisziplinären Zusammenarbeit eine elektronische Nase mit einem künstlichen Geruchssinn entwickelt: Mit hoher Präzision kann sie unterschiedliche Minzarten erkennen – damit eignet sie sich für Anwendungen von der pharmazeutischen Qualitätskontrolle bis hin zur Beobachtung von Minzöl als umweltfreundlichem Bioherbizid.

„Bislang kennt die Forschung schätzungsweise 100 000 unterschiedliche biologische Verbindungen, über die benachbarte Pflanzen miteinander interagieren oder andere Organismen wie Insekten steuern“, sagt Professor Peter Nick vom Botanischen Institut des KIT. „Diese Verbindungen sind bei Pflanzen der gleichen Gattung sehr ähnlich.“ Ein klassisches Beispiel in der Pflanzenwelt sei die Minze, bei der die verschiedenen Sorten mit sehr artspezifischen Duftstoffen ausgestattet seien. Insbesondere die industrielle Überwachung von Minzöl unterliege zum Vermeiden von Fälschungen einer strengen gesetzlichen Regelung, sei zeitaufwendig und erfordere viel Geschick, so der Wissenschaftler. Unterstützen soll dabei eine neue elektronische Nase auf Basis von Sensoren mit kombinierten Materialien, die Forschende vom Botanischen Institut, vom Institut für Funktionale Grenzflächen (IFG), vom Institut für Mikrostrukturtechnik (IMT) und vom Lichttechnischen Institut (LTI) des KIT gemeinsam entwickelt und bereits mit sechs unterschiedlichen Minzarten erprobt haben.

Elektronische Nase nach biologischem Vorbild

Bei der Entwicklung der elektronischen Nase orientiert sich das gesamte Forschungsteam so weit wie möglich am biologischen Vorbild: Die Geruchszellen, die beim Menschen Informationen über elektrische Impulse ans Gehirn geben, ersetzen sie durch insgesamt zwölf spezielle Sensoren (Quartz Crystal Microbalance-, kurz QCM-Sensoren). Diese bestehen aus zwei Elektroden mit einem Quarzkristall. Solche Bauteile sind beispielsweise auch in Mobiltelefonen verbaut, da sie kostengünstig eine hohe Genauigkeit der Mobilfunkfrequenzen garantieren. „Die Duftstoffe der Minze lagern sich auf der Oberfläche der Sensoren ab. Dadurch ändert sich deren Resonanzfrequenz, und wir erhalten eine Reaktion auf den jeweiligen Duft“, erläutert Professor Christof Wöll vom IFG. Duftstoffe bestehen aus organischen Molekülen in unterschiedlicher Zusammensetzung. Damit die neuen Sensoren diese aufnehmen können, haben die Forschenden vom IFG zwölf spezielle Sensormaterialien, unter anderem die am IFG entwickelten Metall-Organischen Gerüststrukturen (engl. Metal-Organic Frameworks, kurz MOFs), verwendet. „Diese Materialien sind hochporös und für Sensor-Anwendungen besonders gut geeignet, weil sie wie ein Schwamm viele Moleküle aufnehmen können“, so Wöll. „Durch die Kombination der Sensoren mit den unterschiedlichen Materialien verschalten wir quasi ein neuronales Netzwerk.“

Training mit sechs Minzarten durch Maschinelles Lernen

Die elektronische Nase haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit sechs verschiedenen Minzarten getestet – darunter klassische Pfefferminze, Pferdeminze und Katzenminze. „Mit unterschiedlichen Methoden des Maschinellen Lernens trainieren wir die Sensoren so, dass sie aus den gesammelten Daten den Fingerabdruck des jeweiligen Dufts erstellen und so die Düfte voneinander unterscheiden können“, erläutert Wöll. Nach jeder Duftstoff-Probe werde die Nase etwa eine halbe Stunde lang mit Kohlendioxid (CO2) durchgespült, damit die Sensoren regenerieren.

Die Ergebnisse des interdisziplinären Forschungsteams haben gezeigt, dass die elektronische Nase mit QCM-Sensoren Minzdüfte mit hoher Spezifität einer Art zuordnen kann. Zusätzlich sei sie eine benutzerfreundliche, zuverlässige und kostengünstige Alternative zu herkömmlichen Methoden wie Massenspektrometrie, sagt der Wissenschaftler. Für die Weiterentwicklung stehen Sensoren im Fokus, die schneller regenerieren und dann erneut Gerüche aufnehmen können. Weiterhin konzentrieren sich die Forschenden vom IFG auf MOF-Materialien, um diese für andere Anwendungsbereiche wie beispielsweise für die künstliche Geruchserfassung in der medizinischen Diagnostik auszugestalten. (ase)

Originalpublikation:
Salih Okur, Mohammed Sarheed, Robert Huber, Zejun Zhang, Lars Heinke, Adnan Kanbar, Christof Wöll, Peter Nick, Ulrich Lemmer: Identification of Mint Scents Using a QCM Based E-Nose. Chemosensors.

Externer Link: www.kit.edu

Neues Protokoll macht Bitcoin-Transaktionen sicherer

Presseaussendung der TU Wien vom 04.05.2021

An der TU Wien wurde ein Protokoll entwickelt, das Transaktionen mit Kryptowährungen wie Bitcoin schneller und sicherer macht.

Kryptowährungen wie Bitcoin werden immer populärer. Auf den ersten Blick haben sie viele Vorteile: Transaktionen sind normalerweise anonym, schnell und kostengünstig. Aber manchmal gibt es dabei auch Probleme. In bestimmten Situationen sind Betrügereien möglich, User können Information über andere User ermitteln, die eigentlich geheim bleiben sollte, und manchmal kommt es zu Verzögerungen.

Der Forschungsbereich „Security and Privacy“ der TU Wien (Lukas Aumayr und dessen Dissertationsbetreuer Prof. Matteo Maffei) hat in Kollaboration mit dem IMDEA Software Institute (Prof. Pedro Moreno-Sanchez, zuvor Postoc an der TU Wien) und der Purdue University (Prof. Aniket Kate) diese Probleme analysiert und ein verbessertes Protokoll entwickelt. Dieses wurde nun veröffentlicht und wird in diesem Jahr beim USENIX Security Symposium präsentiert – einer der „Big Four“ IT-Sicherheitskonferenzen weltweit, die als äußerst prestigeträchtig gelten.

Der Bitcoin-Strom ist nur ein Bächlein

„Schon lange weiß man, dass Bitcoin und andere Blockchain-Technologien ein Skalierungsproblem haben: Es kann nur maximal zehn Transaktionen pro Sekunde geben“, sagt Lukas Aumayr vom Security and Privacy Forschungsbereich der TU Wien. „Das ist sehr wenig, verglichen etwa mit Kreditkartenfirmen, die weltweit zehntausende Transaktionen pro Sekunde durchführen.“

Aus diesem Grund hat man das sogenannte „Lightning Netzwerk“ entwickelt – ein zusätzliches Netz an Transaktionskanälen zwischen Blockchain-Usern. Wenn etwa zwei Personen in kurzer Zeit viele Transaktionen abwickeln möchten, können sie Zahlungen auf diese Weise direkt untereinander austauschen, ohne dass jede einzelne Transaktion in der Blockchain sichtbar wird. Nur zu Beginn und am Ende dieser Serie an Transaktionen kommt es zu einem offiziellen Eintrag in der Blockchain.

Diese „Seitenzweige“ der Blockchain können auch relativ kompliziert gestaltet werden, mit Ketten aus mehreren Usern. „Dabei können Probleme entstehen“, sagt Lukas Aumayr. „In bestimmten Fällen können User dann an Daten über andere User gelangen. Außerdem muss jeder in dieser Kette einen gewissen Geldbetrag einbringen, der als Sicherheit gesperrt wird. Manchmal scheitert eine Transaktion, und dann kann es passieren, dass viel Geld relativ lange gesperrt bleibt – je mehr Personen beteiligt sind, umso länger.“

Schwachstellen mathematisch ausschließen

Das Forschungsteam an der TU Wien analysierte, wie sich dieses Transaktionsprotokoll verbessern lässt, und entwickelte eine Alternativvariante. „Man kann die Sicherheit solcher Protokolle mit formalen Methoden analysieren. Wir können also mathematisch beweisen, dass unser neues Protokoll bestimmte Fehler und Probleme in keiner Situation erlaubt“, sagt Aumayr.

So kann man ganz bestimmte sicherheitskritische Attacken ausschließen, die bisher möglich waren, und auch langfristige Geldsperren verhindern: „Bisher waren zwei Kommunikationsrunden nötig: In der ersten Runde wird das Geld gesperrt, in der 2. Runde wird es freigegeben – oder zurückgebucht, wenn es Probleme gab. Das kann bedeuten, dass für jeden User in dieser Kette ein zusätzlicher Tag an Verzögerung auftritt. Bei unserem Protokoll muss die Kommunikationskette nur einmal durchlaufen werden“, erklärt Lukas Aumayr.

Simulation beweist Praxistauglichkeit

Wichtig ist aber nicht nur die fundamentale logische Struktur des neuen Protokolls, sondern auch seine Praxistauglichkeit. Daher simulierte das Team in einem virtuellen Transaktionsnetzwerk, wie sich die neue Technologie verglichen mit dem bisherigen Lightning-Netzwerk verhält. Dabei wurden die Vorteile des neuen Protokolls besonders gut sichtbar: Je nach Situation, etwa abhängig davon, ob es Attacken und Betrugsversuche gibt oder nicht, gibt es durch das neues Protokoll um einen Faktor 4 bis 33 weniger fehlgeschlagene Transaktionen als mit dem herkömmlichen Lightning-Netzwerk.

Das Team der TU Wien ist bereits in Kontakt mit den Betreiberorganisationen des Lightning-Netzwerks. „Wir hoffen natürlich, dass unsere Technologie rasch eingesetzt wird, oder zumindest als sicherere Alternative zur bisherigen Technologie angeboten wird“, sagt Lukas Aumayr. „Technisch wäre das sofort umsetzbar.“ (Florian Aigner)

Originalpublikation:
L. Aumayr, P. Moreno-Sanchez, A. Kate, M. Maffei, Blitz: Secure Multi-Hop Payments Without Two-Phase Commits, USENIX Security Symposium 2021

Externer Link: www.tuwien.at

Grüner Strom trifft blaues Wasser: Forschungsteam findet neuen Ansatz zur Entsalzung von Meerwasser

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes vom 06.05.2021

Weltweit gilt Wasserstoff als ein Hoffnungsträger für die Energiewende. Aber um ihn im industriellen Maßstab zu gewinnen, muss man auf Meerwasser zurückgreifen. Dessen Entsalzung ist aber bisher nur unter großem Energieeinsatz möglich. Die Energie-Experten Yuan Zhang und Volker Presser haben einen Weg gefunden, dem Meerwasser direkt mit einer Brennstoffzelle das Salz zu entziehen, die bisher „nur“ für die Stromerzeugung genutzt wurde. Das könnte die Herstellung von Wasserstoff revolutionieren.

Ihr Prinzip haben sie in der renommierten Fachzeitschrift Cell Reports Physical Science veröffentlicht.

Im Grunde genommen ist die Wende hin zur Wasserstoffwirtschaft ein Klacks: Von den rund 1,4 Milliarden Kubikkilometern Wasser auf der Erde (das sind 1.400.000.000.000.000.000 oder 1400 Trillionen Liter) ist die überwältigende Mehrheit als Salzwasser in den Ozeanen gut zugänglich und, das kann man wohl ohne Untertreibung sagen, in ausreichender Menge vorhanden, um die Menschheit über lange Zeit mit Energie zu versorgen. Dieses schier unerschöpfliche Gut könnte man also nutzen, um so viel Wasserstoff herzustellen, wie man nur braucht, um daraus Strom zu gewinnen. Die „grüne“ Energiewende weg von fossilen Energieträgern wäre geschafft.

Dass das noch niemand gemacht hat, liegt an einem kleinen, aber feinen Haken: „Heutige Elektrolysesysteme können keinen Wasserstoff aus salzhaltigem Wasser gewinnen“, bringt es Volker Presser auf den Punkt. Der Professor für Energie-Materialien an der Universität des Saarlandes und Leiter des Programmbereichs Energie-Materialien am INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien ist einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Energiespeicherung. Seine Arbeiten insbesondere auf dem Gebiet der Elektrochemie finden internationale Beachtung in hochrangigen Zeitschriften.

Gemeinsam mit seiner Doktorandin Yuan Zhang ist ihm nun ein großer Schritt in Richtung „Energie aus Meerwasser“ gelungen – im experimentellen Maßstab zumindest. Bisherige Systeme sehen vor, dass Wasserstoff für Brennstoffzellen erzeugt wird, indem man zuvor mit viel Energie deionisiertes (also entsalztes) Wasser aus Meerwasser herstellt, um aus diesem aufbereiteten Wasser wiederum Wasserstoff zu gewinnen. Denn nur so ließe sich genügend Wasserstoff herstellen, ohne die begrenzten, wertvollen Süßwasservorräte drastisch zu verringern. Dieses Verfahren ist aber nicht wirklich nachhaltig, wenn die Energie zur Entsalzung nicht vollständig aus regenerativen Quellen stammt. „Yuan Zhang hatte nun eine revolutionäre Idee: Wir benutzen einfach die Brennstoffzelle selbst, um das Meerwasser zu entsalzen und anschließend Süßwasser zu erhalten, das dann in der Brennstoffzelle für die Wasserstofferzeugung genutzt werden kann“, so Energie-Experte Presser.

Dazu haben sich er und seine Doktorandin einen simplen und für jedermann nachvollziehbaren Experiment-Aufbau überlegt: Aus einer Brennstoffzelle für den Schulbedarf haben sie eine Anlage gebaut, die aus dem Ausgangsstoff Salzwasser am Ende Süßwasser erzeugt und dazu noch Strom und Wärme produziert, die wiederum in die Gewinnung von Wasserstoff investiert werden können. Das im Salzwasser vorhandene Salz (vor allem NaCl, Kochsalz) wird dabei durch die Zugabe von Wasserstoff und Sauerstoff gezwungen, seine Verbindung mit dem Wasser aufzulösen. Es entstehen neben dem dann entstandenen Trinkwasser (das man im Anschluss für die Gewinnung von Wasserstoff nutzen kann) eine Säure (insbesondere HCl; Salzsäure) und eine Base (insbesondere NaOH, Natriumhydroxid) als Zwischenprodukte. „Außerdem erzeugen wir an dieser Stelle Elektrizität, die wir weiter nutzen können“, so Volker Presser. Die Säure und die Base erzeugen, wenn man sie zum Schluss wieder zusammenbringt, zusätzlich Wärme, die man ebenfalls weiter nutzen kann.

„Wir können nun also aus jeder Brennstoffzelle ein Modul bauen, das nicht nur Strom generiert, sondern ganz nebenbei auch Trinkwasser erzeugt. Dieses kann dann auch für die Wasserstoffproduktion genutzt werden. Man braucht dazu halt Wasserstoff, aber den kann man über Elektrolyse ‚grün‘ mit ‚Power to Gas‘ herstellen“, erklärt Volker Presser den möglichen Nutzwert des neuen Technologieansatzes, der in weiterer Zukunft in großem Maßstab zum Einsatz kommen könnte.

Publikation:
Zhang et al., Electrocatalytic fuel cell desalination for continuous energy and freshwater generation, Cell Reports Physical Science (2021)

Externer Link: www.uni-saarland.de