Die Evolution im Reagenzglas

Presseaussendung der TU Wien vom 15.12.2020

An der TU Wien werden kostengünstige Erkennungsmoleküle zum Aufspüren gefährlicher Bakterien entwickelt – mit einer Methode, die von der natürlichen Evolution inspiriert ist.

Ist die Wasserprobe trinkbar, oder ist sie mit gefährlichen Bakterien verseucht? Um solche Fragen schnell und zuverlässig beantworten zu können, ist ein Blick durchs Mikroskop nicht ausreichend. Es gibt zwar Verfahren, relativ rasch die Zahl von Bakterien in einer Probe zu messen, doch das sagt noch nichts darüber aus, ob es sich um gefährliche oder ungefährliche Bakterien handelt. Dafür braucht man spezielle Methoden – gewissermaßen einen „künstlichen Spürhund“, der sich auf Bakteriensuche begeben kann.

Spezielle Moleküle, die genau dafür eingesetzt werden können, wurden nun an der TU Wien im Rahmen des Interuniversitären Kooperationszentrums Wasser und Gesundheit (ICC Water & Health) entwickelt: Es handelt sich dabei um sogenannte Aptamere, das sind maßgeschneiderte Erkennungsmoleküle auf DNA-Basis, die genau an einen bestimmten Zelltyp ankoppeln. Erstmals ist es nun gelungen, DNA Aptamere für Fäkalbakterien in Wasser herzustellen. Die neue Aptamer-Entwicklungstechnologie wurde nun im Fachjournal „Scientific Reports“ publiziert.

Maßgeschneiderte Erkennungsmoleküle aus DNA-Bausteinen

„Aptamere sind kurze, synthetisch erzeugte DNA- oder RNA-Moleküle, die aufgrund ihrer dreidimensionalen Struktur ganz bestimmte Zielmoleküle erkennen und spezifisch binden“, erklärt Claudia Kolm (ICC Water & Health/TU Wien), die Erstautorin der Studie. „Ähnlich wie bei Antikörpern erfolgt die Bindung auch hier nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. So binden Aptamere an ganz bestimmte Proteine und komplexe Oberflächenstrukturen von Zellen. Aber auch für kleine Moleküle, wie etwa Antibiotika oder unterschiedliche Gifte lassen sich spezifische Aptamere generieren.“

Sowohl in der Forschung als auch in der Industrie gewinnen Aptamere in letzter Zeit an Bedeutung: Man kann sie rein synthetisch herstellen, man ist daher nicht abhängig davon, bestimmte Tiere oder Zelllinien zu züchten, um am Ende die gewünschten Moleküle zu erhalten. „Die Aptamere werden in vitro generiert und lassen sich für verschiedene diagnostische Endanwendungen anpassen“, sagt Georg Reischer (ICC/TU Wien). „Ein solches Molekül direkt herzustellen ist in mehrfacher Hinsicht einfacher als eine Zelllinie zu produzieren, die dann im Bioreaktor bestimmte Antikörper erzeugt: Unsere Aptamere sind robuster und ihre Herstellung ist viel besser reproduzierbar.“

Die Nadel im Heuhaufen

Die entscheidende Herausforderung bei der Herstellung von Aptameren ist es, aus der unüberblickbaren Vielzahl möglicher DNA-Strukturen genau diejenige herauszufinden, die an eine ganz bestimmte Zelle bindet. „Wir gehen von einer großen DNA-Bibliothek aus, mit ungefähr einer Billiarde unterschiedlicher DNA-Moleküle“, sagt Claudia Kolm. „Um diesen riesigen DNA-Pool nach passenden Kandidaten zu durchforsten und die Nadel im Heuhaufen zu finden, bedient man sich eines Prozesses, der der natürlichen Evolution ähnelt.“ Dabei werden DNA-Moleküle, die an das Zielbakterium binden, selektiert und gezielt vermehrt.

„Über mehrere Runden mit zunehmenden Selektionsdruck trennt man die Spreu vom Weizen. In Kombination mit modernen Sequenziermethoden und eigens dafür entwickelten bioinformatischen Datenanalyse-Tools konnten wir ein Aptamer anreichern und identifizieren, das an Enterococcus faecalis bindet – ein Bakterium, das in Gewässern mit fäkaler Verunreinigung zu finden ist“, erklärt Claudia Kolm. Diese Bindung ist sehr spezifisch: Man führte auch Tests mit anderen, eng verwandten Bakterienspezies durch – bei ihnen zeigte das Aptamer keine Auswirkung.

„Welche Struktur an der Zelloberfläche es ist, an die das Aptamere so spezifisch bindet, ist nicht bekannt – aber das ist auch gar nicht entscheidend“, sagt Georg Reischer. „Unsere von der Evolution inspirierte Methode, in der wir Generation für Generation passgenauere Aptamere erhalten, funktioniert auch ohne die genauen Strukturen zu kennen.“ Die Aptamere kann man zusätzlich mit fluoreszierenden Farbstoffen versehen, um sie nach dem Binden an die gesuchte Zelle zuverlässig nachweisen zu können.

Die Technik zur Aptamer-Entwicklung bietet ein großes Potenzial für weitere Forschung und Entwicklung. So wird etwa bereits an DNA Aptameren für Vibrio cholerae gearbeitet – den Erreger der Cholera. (Florian Aigner)

Originalpublikation:
Kolm C., Cervenka I., Aschl U.J. et al. DNA aptamers against bacterial cells can be efficiently selected by a SELEX process using state-of-the art qPCR and ultra-deep sequencing. Sci Rep 10, 20917 (2020).

Externer Link: www.tuwien.at

Kompostierbare Displays für nachhaltige Elektronik

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 09.12.2020

Forschende des KIT entwickeln gedrucktes Display, das biologisch abbaubar ist – Veröffentlichung im Journal of Materials Chemistry

In den kommenden Jahren drohen die zunehmende Verwendung elektronischer Geräte in Gebrauchsgegenständen sowie neue Technologien im Zusammenhang mit dem Internet der Dinge, die Produktion von Elektronikschrott zu erhöhen. Eine umweltfreundlichere Produktion und ein nachhaltigerer Lebenszyklus sind hier von entscheidender Bedeutung, um Ressourcen zu sparen und Abfallmengen zu minimieren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) ist es erstmalig gelungen, Displays zu produzieren, deren Bioabbaubarkeit von unabhängiger Seite geprüft und bestätigt wurde. Ihre Ergebnisse haben sie im Journal of Materials Chemistry veröffentlicht (DOI: 10.1039/d0tc04627b).

„Mit unserer Entwicklung konnten wir zum ersten Mal zeigen, dass es möglich ist, nachhaltige Displays aus überwiegend natürlichen Materialien mithilfe industriell relevanter Fertigungsmethoden herzustellen. Sie tragen nach Gebrauch daher nicht zum Elektroschrott bei, sondern können im Gegenteil kompostiert werden. Dies könnte in Kombination mit Recycling und Wiederverwendbarkeit dazu beitragen, einige der Umweltauswirkungen von Elektroschrott zu minimieren oder ganz zu verhindern“, beschreibt Manuel Pietsch, Erstautor der Publikation und Forscher des Lichttechnischen Instituts (LTI) des KIT am InnovationLab in Heidelberg, die Vorteile der neuen Entwicklung.

Geringer Energieverbrauch, simple Bauteilarchitektur

Die Funktion des Displays basiert auf dem sogenannten elektrochromen Effekt des verwendeten organischen Ausgangsmaterials. Legt man daran eine Spannung an, führt das zu einer veränderten Aufnahme von Licht und damit zu einer Farbänderung im Material. Elektrochrome Displays zeichnen sich gegenüber kommerziell erhältlichen Displays, wie LEDs, LCDs und E-Paper, durch einen geringen Energieverbrauch und eine simple Bauteilarchitektur aus. Ein weiterer Vorteil: Diese Displays lassen sich im Tintenstrahldruckverfahren herstellen und ermöglichen dadurch eine maßgeschneiderte, kostengünstige und materialeffiziente Produktion. Außerdem ist dieses Verfahren auch für skalierende Prozesse mit hohem Durchsatz geeignet. Die verwendeten Materialien sind hauptsächlich natürlichen Ursprungs oder biokompatibel. Durch die Versiegelung mit Gelatine wird das Display außerdem adhäsiv und anpassungsfähig und lässt sich dadurch zudem auf verschiedenen Körperstellen direkt auf der Haut tragen.

Einsatz in Medizindiagnostik und Lebensmittelverpackungen

Das Display ist generell für kurzlebige Anwendungen als Indikator für Sensoren oder einfache Anzeigen in verschiedenen Bereichen geeignet. Vor allem bei diagnostischen Anwendungen, bei denen die Hygiene eine wichtige Rolle spielt, müssen die Sensoren zusammen mit deren Indikatoren nach jeder Anwendung aufwendig gereinigt oder entsorgt werden. Im Falle des neu entwickelten Displays entsteht hierbei kein Elektroschrott, sondern es kann einfach kompostiert werden. Auch im Bereich von Verpackungen für Lebensmittel, die nicht wiederverwendet werden dürfen, könnte das Display als kompakte Anzeige für qualitätsüberwachende Sensoren verwendet werden. Das digitale Druckverfahren ermöglicht zudem die individuelle Anpassung an Personen oder komplizierte Formen ohne eine teure Prozessumgestaltung, was erneut Ressourcen schont.

„Die, soweit uns bekannt, erste Demonstration eines tintenstrahlgedruckten, biologisch abbaubaren Displays, kann daher zu nachhaltigen Innovationen in weiteren elektronischen Bauteilen ermutigen und damit den Weg zu umweltfreundlicherer Elektronik ebnen“, so Gerardo Hernandez-Sosa, Leiter der Printed Electronics Group des LTI am InnovationLab in Heidelberg. (rl)

Originalpublikation:
Manuel Pietsch, Stefan Schlisske, Martin Held, Noah Strobel, Alexander Wieczorek, Gerardo Hernandez-Sosa: Biodegradable inkjet-printed electrochromic display for sustainable short-lifecycle electronics. Journal of Materials Chemistry, DOI: 10.1039/d0tc04627b

Externer Link: www.kit.edu

Abwehrzellen graben Tunnel im Kampf gegen Krebszellen

Pressemeldung der Universität des Saarlandes vom 02.12.2020

Im Kampf gegen Krebs hilft vor allem Schnelligkeit: Je früher ein Tumor entdeckt wird, desto schneller kann der Körper die Tumorzellen abtöten. Dies erledigen so genannte zytotoxische T-Lymphozyten. Davon gibt es schnelle und langsame Exemplare. Forscher der Saar-Uni haben nun einen interessanten Sachverhalt beobachtet, den sie in einer hochrangigen Publikation beschreiben: Die langsamen Zellen verkürzen den Weg für die Killerzellen zum Tumor, indem sie Tunnel in das Körpergewebe bohren.

Wenn körpereigene Zellen außer Kontrolle geraten, können sie zu Krebszellen werden. Wird ihr Wachstum nicht gehemmt, indem die Zellen zum Beispiel frühzeitig von körpereigenen Abwehrzellen entdeckt und abgetötet werden, entstehen lebensgefährliche Tumore. Daher ist es wichtig, dass der Körper schon möglichst frühzeitig Krebszellen finden und vernichten kann, um erst gar keinen gefährlichen Tumor entstehen zu lassen.

Eine wichtige Rolle dabei spielen weiße Blutkörperchen, insbesondere zytotoxische T-Lymphozyten (CTLs). Wie ein Team um den theoretischen Physiker Heiko Rieger nun herausgefunden hat, geht die körpereigene Abwehr dabei vor wie Soldaten im Krieg: Bevor ein Angriff in unbekanntem Gelände erfolgreich durchgeführt werden kann, kommen die Pioniere und bereiten den Kampftruppen den Weg. Im Falle des Immunsystems bedeutet das: Manche CTLs bewegen sich recht langsam fort; diese graben Tunnel in die so genannte extrazelluläre Matrix (ECM), das die Zellen umgebende Körpergewebe, das üblicherweise aus ECM-Proteinen wie Kollagen besteht. Durch diese Tunnel oder Kanäle bewegen sich dann andere CTLs sehr schnell hindurch, um durch diese Abkürzungen möglichst schnell an ihrem Zielort anzukommen, idealerweise bei den Tumorzellen, die sie dann vernichten können.

„Das Migrationsverhalten dieser Immunzellen sowie ihre Suchstrategien in der ECM sind noch nicht gut verstanden und derzeit von großem Interesse für Physik und Biologie“, sagt der leitende Studienautor Heiko Rieger. Seine Hoffnung ist, dass ein tieferes Verständnis dieser Vorgänge neuartige Ansätze im Kampf gegen Krebs möglich machen könnte: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Veränderung des Gewebes einen Einfluss auf die Effizienz der Immunantwort hätte, und damit Ideen für neue therapeutische Strategien in der Krebsbehandlung hervorbringen könnte“, sagt der Physiker, der den Sonderforschungsbereich SFB 1027 „Physikalische Modellierung von Nichtgleichgewichtsprozessen in biologischen Systemen“ leitet, in welchem unter anderem solche Fragestellungen nach den grundlegenden Bewegungs-Mechanismen von Zellen untersucht werden.

Um im vorliegenden Fall genauer herauszufinden, wie sich solche CLTs in Kollagen-Gewebe fortbewegen, haben Bin Qu und Mitarbeiter, Riegers Koautoren und Forscher der Universität des Saarlandes, die ECM mit Hilfe von 3-D-Netzwerken mit verschiedenen Konzentrationen von Rinderkollagen nachgeahmt und die Migrationspfade menschlicher CTLs durch diese Matrizen analysiert. Die CTLs zeigten dabei grundsätzlich drei verschiedene Arten von Bewegung: langsam, schnell und gemischt. Die mathematische Modellierung, also die Simulation am Computer, durch die Erstautorin Zeinab Sadjadi legt nahe, dass die Zellen zwischen langsamen und schnellen Zuständen wechseln können. Übertragen auf das Bild des Soldaten bedeutet dies, dass CLTs Pioniere und Kampftruppen sein können, je nachdem, welche Rolle gerade gebraucht wird.

Dass ihre theoretischen Annahmen höchstwahrscheinlich korrekt sind, stützen die Forscher durch eine andere Beobachtung: Ähnliche Bewegungstypen wurden bereits früher für natürliche Killerzellen (NK-Zellen) in Kollagen berichtet, wenn sich in der Umgebung Zielzellen, also Tumorzellen, befanden. NK-Zellen haben ähnliche Immunfunktionen wie CTLs. „Die Ähnlichkeit der Eigenschaften von CTL- und NK-Bewegungsmustern deutet auf einen gemeinsamen Mechanismus für die Migration beider Zelltypen durch Kollagennetzwerke hin“, sagt Rieger. Kurz gesagt: Es liegt nahe, dass CLTs sich ähnlich verhalten wie NK-Zellen.

Experimentelle Beweise unterstützten diese Annahmen. Beispielsweise konnten wandernde T-Zellen einander auf genau derselben Bahn folgen, und die Zellen bewegten sich schnell in kanalähnlichen Hohlräumen innerhalb der Kollagenmatrix.

Für die Zukunft planen die Forscher, den langfristigen Einfluss von T-Zellen auf die ECM zu analysieren. Sie werden ebenfalls untersuchen, ob die Kanäle auch die Fähigkeit der CTLs verbessern, in Kollagenmatrizen nach Zielzellen zu suchen. „Zu verstehen, wie CTLs in solchen Geweben wandern, könnte zu neuen therapeutischen Strategien bei der Verhinderung von Metastasenbildung in frühen Krebsstadien führen“, sagt Rieger.

Ihre Erkenntnisse haben sie in der aktuellen Ausgabe des hochrangigen Fachjournals „Biophysical Journal“ veröffentlicht. Die Herausgeber des Magazins haben die Studie sogar als „Highlight“ der Ausgabe ausgewählt, eine große Ehre, die einer Studie nur selten zuteil wird.

Publikation:
Biophysical Journal, Sadjadi et al.: “Migration of Cytotoxic T Lymphocytes in 3D Collagen Matrices” ; DOI: 10.1016/j.bpj.2020.10.020

Externer Link: www.uni-saarland.de

Schneller und umweltfreundlicher Bauen mit Holz-Beton-Verbundelementen

Pressemitteilung der Universität Kassel vom 19.11.2020

Wissenschaftler der Universität Kassel haben gemeinsam mit Projektpartnern eine neuartige Schnellklebtechnik für Holz und Stahlbetonfertigteile entwickelt. Dadurch kann beim Bau von Deckensystemen von Wohn- und Bürogebäuden Bauzeit eingespart und unabhängig von der Außentemperatur geklebt werden.

Decken von Wohn- oder Bürogebäuden werden üblicherweise aus frischem Stahlbeton gegossen. Dieser ist sehr günstig, aber schlecht für die Umwelt. Die Betonherstellung verursacht Milliarden Tonnen CO2‑Emissionen jährlich. Zudem ist der nasse Beton nicht optimal zu verbauen: Durch den Frischbeton wird unter anderem unerwünschte Feuchtigkeit in die Konstruktion getragen. Wie es durch eine Klebtechnik effizienter geht, haben Forscher der Uni Kassel gemeinsam mit Partnern im Projekt SpeedTeCC herausgefunden.

Holz kann die Lösung sein

Bei der neu entwickelten Schnellklebtechnik werden Holzbalken mit Betonfertigteilen verbunden. Die Betonplatte liegt dabei flächig auf den Balken. Durch das eingearbeitete Holz braucht es bis zu 70 Prozent weniger Beton für eine Gebäudedecke. Neu ist die Verbundmethode: Dafür verwenden die Forscher ein Metallgitter, das zwischen die Klebefugen von Holz und Betonfertigteil gelegt wird. An beiden Enden des Metallgitters wird Strom angeschlossen, sodass die Verbundfuge gezielt erhitzt und verklebt wird.

Das macht das Verfahren besonders praxistauglich. „Auf der Baustelle ist es oft kalt, Bauteile können so nicht gut verklebt werden. Unser Ziel war ein einfaches, handhabbares Verfahren für die Praxis. Durch das SpeedTeCC-Verfahren sind wir nicht mehr abhängig von der Außentemperatur. Damit ist das Verkleben von Holz und Betonfertigteil auch bei niedrigen Temperaturen möglich“, erklärt Jens Frohnmüller vom Fachgebiet Bauwerkserhaltung und Holzbau. Er hat das Projekt gemeinsam mit Fachgebietsleiter Prof. Dr.-Ing. Werner Seim an der Uni Kassel betreut.

In der Praxis anwendbar

Das Verfahren kann auf der Baustelle viel Zeit sparen. Durch die Arbeit mit Betonfertigteilen kann ein Haus in kurzer Zeit gebaut werden. Stahlbeton muss dagegen erst einmal aushärten und trocknen.

Die Forscher begannen mit kleinen Proben für die statistische Auswertung, die bei jedem Versuch einen Maßstab größer wurden, um die Tragfähigkeit und die Dauerhaftigkeit des Klebeverbunds zu prüfen. Durch diese Versuche kann sichergestellt werden, dass der Klebeverbund zwischen Holz und Beton nicht nur kurzfristig, sondern über die gesamte Lebensdauer des späteren Gebäudes beständig bleibt. „Das i‑Tüpfelchen sind unsere 1:1‑Deckenversuche. Wir haben zwölf Deckenelemente mit unserer neuen Methode hergestellt“, sagt Frohnmüller. Diese Bauteile sind 6 Meter lang und 1,30 Meter breit. Der Versuch gelang. Die Bauteile überzeugten bei den Tests zu Trag-, Verformungs- und Schwingungsverhalten. Damit ist die Schnellklebtechnik für den mehrgeschossigen Holzbau geeignet.

Die neue Schnellklebtechnik für Holz-Beton-Verbundelemente soll möglichst schnell Eingang in die Praxis finden. „Mit dem Folgeprojekt möchten wir das Verfahren weiter in Richtung Marktreife und in die Serienproduktion bringen“, sagt Frohnmüller. Hierbei soll der Fokus auf einer möglichst einfachen und robusten Herstellungsmethode liegen.

An SpeedTeCC hat die Universität Kassel gemeinsam mit der Technischen Universität Braunschweig, dem Institut für Füge- und Schweißtechnik (IFS) und dem Fraunhofer-Institut für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut (WKI) geforscht. Derzeit arbeiten die Kooperationspartner an einem Leitfaden, um die Methode der Industrie zur Verfügung zu stellen. Diese Dokumentation wird in den nächsten Monaten auf der Homepage des Internationalen Vereins für technische Holzfragen (iVTH) in Braunschweig, welcher das von der Industriellen Gemeinschaftsforschung IGF, AiF e. V. und BMWi geförderte Projekt betreut hat, verfügbar sein.

Externer Link: www.uni-kassel.de

Aerobuster jagt herumfliegende Corona-Viren

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 12.11.2020

Forschende des KIT bauen preiswerten und leistungsstarken Apparat, der Krankheitserreger aus der Raumluft holen und inaktivieren kann

Aerosole spielen eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von Covid 19. Beim Atmen, Sprechen oder Husten verbreiten sich die winzigen mit Corona-Viren beladenen Tröpfchen in Innenräumen. Besonders betroffen sind Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Uni-Hörsäle, Arztpraxen oder Restaurants. Eine effektive, sichere und vor allem schnell verfügbare Lösung haben jetzt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelt. Der Aerobuster ist einfach, kompakt, und kann sehr effektiv Viren und andere Krankheitserreger aus der Raumluft inaktivieren.

Aerosole und damit Viren verteilen sich in Windeseile im Raum und schweben über Stunden in der Luft. Werden sie von Menschen eingeatmet, können sich diese leicht mit Corona infizieren. „Erste Ergebnisse zeigen, dass mit unserem Aerobuster luftgetragene Modell-Viren zu fast 100 Prozent inaktiviert werden können. Dabei ist der Aerobuster mit einem hohen Luftdurchsatz extrem leistungsstark und hat deutlich niedrigere Anschaffungskosten als handelsübliche Luftreinigungsgeräte“, sagt Professor Horst Hahn, Leiter des Instituts für Nanotechnologie des KIT und einer der Erfinder des Aerobusters. Simulationen der Aerosolbewegungen in einem durchschnittlichen Klassenzimmer mit 20 Schülern belegen, dass durch den Aerobuster die Konzentration aktiver Viren in der Raumluft drastisch gesenkt und so die Ansteckungsgefahr dauerhaft erheblich vermindert werden kann.

Flexible Einsetzbarkeit und einfache Bauweise

„Das gilt natürlich auch für alle anderen Bereiche mit viel Publikumsverkehr, wie Krankenhäuser, Pflege- und Altenheime, Restaurants, Büros, Werkshallen oder öffentliche Verkehrsmittel sowie deren Wartebereiche“, sagt Hahn. Überall dort könne der Aerobuster eingesetzt werden, denn die Apparatur von der Größe einer Stehlampe sei leicht und könne platzsparend sowohl auf einem Ständer, an der Decke oder an der Wand montiert werden. „Die Vorrichtung besteht aus einem einfachen Metallrohr, einem Lüfter, wie er zur Kühlung von PCs eingesetzt wird, einem Heizmodul und einem Strahler, der ultraviolettes Licht einer bestimmten Wellenlänge aussendet“, so der Experte. „Durch das Rohr wird die Luft mittels eines Lüfters angesaugt, dann werden die Aerosole getrocknet und die Viren mit UV-C-Strahlung inaktiviert – eine lang bewährte Technik zur Desinfektion“, erläutert Dr. Jochen Kriegseis vom Institut für Strömungsmechanik. Der Luftdurchsatz des Geräts könne je nach Anwendungsbereich, Raumgröße und Zahl der Geräte im Raum angepasst werden und liege im Bereich zwischen 30 bis 100 Kubikmeter pro Stunde, je nach Leistungsfähigkeit des Lüfters. So können mit vier Aerobustern die typischen Luftmengen von kommerziellen Luftreinigern erreicht werden. Durch die Verteilung der Aerobuster im Raum sei die Wirkung sogar noch effektiver. „Die Abwärme kann zudem zum Heizen der Räume genutzt werden“, ergänzt Dr. Thomas Blank vom Institut für Prozessdatenverarbeitung und Elektronik. Der Aerobuster sei außerdem eine Investition in die Zukunft, denn er könne langfristig im Kampf gegen zukünftige Pandemien oder bei der jährlichen Grippewelle eingesetzt werden, so die drei Co-Erfinder des Geräts einhellig.

Große Stückzahlen könnten schnell verfügbar sein

Als nächsten Schritt wollen Hahn und seine Mitstreiter aus zahlreichen anderen Instituten des KIT 100 Prototypen bauen und diese selbst vor Ort weiter testen und optimieren. „Mit einem geeigneten Partner aus der Industrie könnten binnen weniger Wochen 10 000 Stück verfügbar sein“, schätzt Hahn, der auch auf Interesse und verstärkten Rückenwind aus der Politik hofft. Bei den Beschaffungskosten für die Materialien, aus denen der Aerobuster zusammengesetzt wird, rechnen die Experten mit rund 50 Euro. (mex)

Externer Link: www.kit.edu