Neuer Abwehrmechanismus gegen Viren entdeckt

Medienmitteilung der ETH Zürich vom 11.09.2014

Ein bekannter Qualitätskontrollmechanismus von menschlichen, tierischen und pflanzlichen Zellen wirkt auch gegen Viren, wie Forschende herausgefunden haben. Es dürfte sich dabei evolutionsgeschichtlich um einen der ältesten Virus-Abwehrmechanismen handeln.

Dem Immunsystem steht ein ganzes Arsenal an Waffen zur Verfügung, um Viren zu bekämpfen: Killerzellen, Antikörper und Botenstoffe, um nur einige zu nennen. Das Immunsystem setzt die entsprechenden Abwehrmechanismen in Gang, wenn ein Erreger den Körper befällt. Daneben gibt es auch Abwehrmechanismen, die nicht angestossen werden müssen, sondern quasi als stehendes Heer ständig aktiv sind. Forschende der ETH Zürich haben nun in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universität Bern einen neuen solchen Mechanismus entdeckt. Er wirkt gegen einzelne Viren, deren Erbgut in Form von einzelsträngiger RNA mit positiver Polarität vorliegt, wie die Forschenden gezeigt haben. Zur selben Gruppe von Viren gehören viele bekannte Erreger wie jene von Hepatitis C, Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), Kinderlähmung, SARS, Gelbfieber und Dengue, aber auch die Potyviren, eine Gruppe von Pflanzenviren, die bei zahlreichen wirtschaftlich bedeutenden Kulturpflanzen grossen Schaden anrichten.

Forschende um Ari Helenius, Professor für Biochemie an der ETH Zürich, endeckten den Mechanismus in ihrer Forschung mit menschlichen Zellen in Zellkultur und einem in der Grundlagenforschung häufig verwendeten Modellvirus, dem Semliki-Forest-Virus. In einem grossangelegten Screening schalteten sie bei den Zellen einzelne Gene aus. Dabei entdeckten sie, dass die Zellen für eine Infektion mit dem Virus anfälliger waren, wenn Gene eines zellulären Kontroll- und Regulationssystems für RNA mit dem Namen NMD (Nonsense-mediated mRNA decay) ausgeschaltet waren.

Viren als fehlerhafte Zell-RNA erkannt

In einer parallelen grossangelegten Forschungsanstrengung entdeckten Olivier Voinnet, Professor für RNA-Biologie an der ETH Zürich, und seine Kollegen denselben Abwehrmechanismus gegen Viren auch bei Pflanzen. Sie benutzten die Modellpflanze Ackerschmalwand und das Kartoffelvirus X für ihre Untersuchungen. Die Gruppen von Helenius und Voinnet veröffentlichen ihre beiden Arbeiten bei menschlichen Zellen und Pflanzen in der neusten Ausgabe der Fachzeitschrift «Cell Host & Microbe», erstere in Zusammenarbeit mit der Gruppe von Oliver Mühlemann, Professor an der Universität Bern, der sich in den vergangenen Jahren intensiv mit dem NMD-System beschäftigt hat.

Das NMD-System ist in der Biologie schon seit längerem als Kontroll- und Regulationssystem bekannt, das in Zellen fehlerhaft hergestellte und somit nicht-funktionale Boten-RNA-Moleküle aus dem Verkehr zieht. Neu ist die Erkenntnis, dass dieses System eine zweite Funktion hat: Es sorgt auch dafür, dass das Erbgut bestimmter RNA-Viren abgebaut wird, womit sich diese Viren in den Wirtszellen nicht vermehren können. «Das RNA-Genom dieser Viren hat Gemeinsamkeiten mit fehlerhafter Boten-RNA in menschlichen, tierischen und pflanzlichen Zellen und wird vom NMD-System als solches erkannt», erklärt Giuseppe Balistreri, Postdoc und Erstautor einer der beiden Studien.

Ältestes Abwehrsystem

Die Forschenden vermuten, dass das NMD-System bei einer Infektion mit Viren der untersuchten Klasse der zeitlich erste Abwehrmechanismus ist. «Der Mechanismus wirkt direkt auf das Erbgut der Viren, bevor sich dieses in den Wirtszellen vervielfältigen kann», sagen Helenius und Voinnet. Ausserdem gehen sie davon aus, dass es sich dabei evolutionsgeschichtlich um einen der ältesten Abwehrmechanismen gegen Viren handelt. Denn das NMD-System ist so grundlegend, dass es in allen höheren Lebewesen – Menschen, Tieren, Pflanzen und Pilzen – vorkommt.

Allerdings ist der Mechanismus nicht hundertprozentig wirksam. «Wäre er dies, würden RNA-Viren gar nicht existieren», sagt Helenius. Vielmehr haben Viren im Laufe der Evolution Mechanismen entwickelt, um der Wirkung des NMD-Systems zu entkommen oder dieses sogar aktiv zu unterdrücken. Beide ETH-Forschungsgruppen haben in ihren Arbeiten Hinweise darauf gefunden. «Die Viren und ihre Wirte liefern sich eine endlose Schlacht, und in dieser spielte und spielt das NMD-System eine Rolle», sagt Voinnet. «Dadurch hat der NMD-Mechanismus im Laufe der Evolution mitgeholfen, das Genom von RNA-Viren so zu formen, wie es heute ist.»

Literaturhinweis:

Balistreri G, Horvath P, Schweingruber C, Zünd D, McInerney G, Merits A, Mühlemann O, Azzalin C, Helenius A: The Host Nonsense-Mediated mRNA Decay Pathway Restrics Mammalian RNA Virus Replication. Cell Host & Microbe 2014, 16: 403–411, doi: 10.1016/j.chom.2014.08.007

Garcia D, Garcia S, Voinnet O: Nonsense-Mediated Decay Serves as a General Virus Restriction Mechanism in Plants. Cell Host & Microbe, Onlinepublikation vom 21. August 2014, doi: 10.1016/j.chom.2014.08.001

Externer Link: www.ethz.ch

Auf dem Weg zum sicheren Smart Home

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.09.2014

Immer mehr Funktionen in Häusern lassen sich über das Internet steuern. Das »Smart Home« verspricht effizientes Gebäudemanagement. Doch die Systeme sind in vielen Fällen nicht sicher und lassen sich nur mit großem Aufwand erneuern. Forscher arbeiten an einer Software, die Hackerangriffe abwehrt, bevor sie die Gebäude erreichen.

Botnet. Ein Begriff aus der Computerwelt schleicht sich langsam in die Welt der Gebäudeautomation. Mit diesem Angriffsszenario ist laut Dr. Steffen Wendzel von der Bonner Abteilung »Cyber Defense« des Fraunhofer-Instituts für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE in Wachtberg zu rechnen. Der Forscher aus der ist Experte für die Hackermethode und hat sie zusammen mit Viviane Zwanger und Prof. Dr. Michael Meier unter die Lupe genommen. Angreifer infiltrieren dabei mehrere Rechner – Bots (von engl. robots) – ohne die Kenntnis ihrer Eigentümer, schließen sie zu Netzen (engl. nets) zusammen und missbrauchen sie für Computerattacken. Die Forscher untersuchten, was es aktuell noch gar nicht gibt: Angriffe durch Botnets auf »Smart Homes«, mit dem Internet vernetzte Gebäude bzw. Gebäudefunktionen. Das Ergebnis: Die Bedrohung ist real, über das Internet gesteuerte Rollläden, Heizungen oder Schließsysteme können für derartige Attacken genutzt werden. »Unsere Experimente im Labor zeigten, dass Gebäude-IT nicht ausreichend gegenüber Angriffen aus dem Internet geschützt ist. Ihre Netzwerkkomponenten können als Botnet missbraucht werden«, so Wendzel. Der Hacker hat es dabei nicht wie bisher auf PCs abgesehen, sondern auf diejenigen Komponenten der Gebäudeautomation, die Häuser mit dem Internet verbinden. Das sind im Gebäude verbaute, kleine Kästchen, die ähnlich wie Router für den Heimcomputer aussehen und funktionieren. »Sie sind jedoch sehr einfach aufgebaut, können nur schwer aktualisiert werden und weisen Sicherheitslücken auf. Die Kommunikationsprotokolle, die sie nutzen, sind veraltet«, so Wendzel.

Schutzsoftware schaltet sich zwischen Internet und Gebäude-IT

Damit die Heizung, die Beleuchtung oder die Lüftung von Gebäuden über das Internet gesteuert werden können, ist es notwendig, spezielle Technik zu installieren: Es handelt sich dabei um kleine Minicomputer, die Temperaturen, Licht oder Luftfeuchtigkeit messen und in Netzwerken zusammengeschlossen sind. »Sie sicherheitstechnisch auf dem neuesten Standard zu halten, ist teuer«, sagt Wendzel. Am FKIE entwickelte das Team eine Schutzsoftware, die sich einfach zwischen Internet und Gebäude-IT schalten lässt. Die Technologie filtert potentielle Angriffe aus den Kommunikationsprotokollen heraus, noch bevor sie die eigenen vier Wände oder das Bürohaus erreichen. Ganz egal, welche Technik innerhalb der Gebäude verwendet wird: Sie muss bei dieser Herangehensweise nicht ausgetauscht werden.

Die Forscher nahmen dazu den gängigen Kommunikationsstandard der Gebäudeautomation unter die Lupe und entwickelten darauf aufbauend Regeln für den Datenverkehr. Halten eintreffende Daten diese nicht ein, wird der Kommunikationsfluss angepasst. »Die Software funktioniert wie eine Firewall mit Normalisierungskomponente«, sagt Wendzel. Ein »Analyzer« prüft sämtliche Ereignisse auf Plausibilität, die auf den Weg zu den Systemen geschickt werden. Schlägt er Alarm, geht der Vorfall unmittelbar an den »Normalizer«. Dieser blockiert das Ereignis entweder ganz oder wandelt es passend um. »Die Grundlagenforschung ist erfolgreich abgeschlossen. Im nächsten Schritt wollen wir die Technologie zusammen mit einem Industrieunternehmen zur Produktreife bringen. In spätestens zwei Jahren sollte ein Produkt auf dem Markt sein«, sagt Wendzel.

Bei ihrer Analyse der Botnet-Angriffe skizzierten die Forscher konkrete Bedrohungsszenarien für Smart Homes. »Aus meiner Sicht ist das Thema ›Überwachung‹ das drängendste«, sagt der Cyber Defense-Forscher. Indem der Angreifer sich in die IT von Gebäudefunktionen hackt, erfährt er im schlimmsten Fall wo die Insassen sind und was sie machen. Das reicht dann bis zum Gang auf die Toilette. Einbrecher, zum Beispiel, könnten die Daten nutzen, um ihre Raubzüge vorzubereiten. Hier agiert der Hacker passiv, zapft Informationen an. Er wäre aber genauso gut in der Lage, aktiv in die Systeme einzugreifen. Zum Beispiel für einen Auftraggeber aus der Energiebranche. Der könnte von mehr verkauftem Öl oder Gas profitieren, wenn der Verbrauch mehrerer Heizungen künstlich erhöht wird. Wie real dieses Szenario ist, zeigt ein aktuelles Beispiel: Im vergangenen Jahr gab es eine Lücke im Sicherheitssystem einer an das Internet angeschlossenen Heizung. Angreifer hatten die Möglichkeit, die Heizkörper auszustellen oder zu beschädigen. Momentan rät Sicherheitsexperte Wendzel deshalb davon ab, Gebäudefunktionen in Eigenheimen allzu sorglos mit dem Internet zu verbinden.

Externer Link: www.fraunhofer.de

Jetzt machen wir dicht!

Presseaussendung der TU Wien vom 01.09.2014

Mit einem neuem Dichtungswerkstoff und einem Reparatur-Roboter bekämpft die TU Wien das Problem undichter Wasserleitungen.

Keine Wasserleitung ist völlig dicht, ein bisschen Wasser geht immer verloren. Damit diese Verluste möglichst klein bleiben, entwickelte man an der TU Wien eine neue Abdichtungsmethode: Ein speziell modifiziertes Harz soll in Zukunft die Rohre abdichten, anbringen will man es mit einem eigens entwickelten Rohrreparatur-Roboter. An dem österreichisch-slowakischen EU-Forschungsprojekt „DeWaLop“ (Developing Water Loss Prevention) ist „Wiener Wasser“, der Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland und die Wasserbetriebe Bratislava beteiligt.

Mit Harz gegen Wasserverschwendung

„In den 1970er Jahren hatte das Wiener Rohrsystem noch 24 Prozent Wasserverlust, heute sind es weniger als zehn Prozent. Mithilfe der neuen Technologie wird er weiter sinken“, sagt Christoph Schoberleitner vom Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnologie der TU Wien. Die Lebensdauer der Graugussrohre selbst ist sehr hoch. Das Problem sind die Dichtungen in den Muffen zwischen den einzelnen Rohren. Tritt dort über lange Zeit Wasser aus, kann das zu Problemen an der Rohrbettung führen, wodurch es im Extremfall sogar zum Bruch der Leitung kommen kann.

In Wien, Bratislava und dem nördlichen Burgenland beschloss man, dieses Problem anzupacken: Eine Methode zur kostengünstigen und schnellen Sanierung von Rohren sollte entwickelt werden. Nun wurde dieses Forschungsprojekt abgeschlossen – herausgekommen ist ein neuartig modifiziertes Epoxidharz, das in Zukunft mit einem Spezialroboter die Rohrleitungen abdichten soll.

Christoph Schoberleitner entwickelte den Dichtungswerkstoff mit seiner Dissertationsbetreuerin Prof. Vasiliki-Maria Archodoulaki. Das Material muss viele Anforderungen erfüllen: Es braucht ausreichend Steifigkeit um einem Druck von zehn Bar standzuhalten, es darf nicht darunter leiden, permanent Korrosion und dem Einfluss des Wassers ausgesetzt zu sein, und es muss gleichzeitig ausreichend elastisch sein um minimale Rohrbewegungen auszugleichen.

Mindestens fünfzig Jahre lang soll das Material halten, und selbstverständlich darf es keine Rückstände im Wasser hinterlassen, die die Qualität des Trinkwassers beeinträchtigen könnten. Nach umfangreichen Untersuchungen entschied man sich für ein Epoxidharz. Durch die Beimengung von elastischen Zusatzkomponenten, die in das Epoxidnetzwerk chemisch eingebaut sind, wurde seine mechanische Flexibilität deutlich verbessert, sodass ein Material mit optimalen Werkstoffeigenschaften für den Einsatz als Rohrdichtungsmaterial entstand.

Reparatur-Roboter

Damit dieses Harz möglichst effizient in den Rohren eingesetzt werden kann, wurde vom Dissertanten Luis Alfredo Mateos-Guzman und Prof. Markus Vincze (Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik) ein Rohrsanierungs-Roboter entwickelt. Ferngesteuert über ein Kabel bewegt sich der Roboter in den Wasserleitungen fort. Mit Hilfe mehrerer Kameras lassen sich Probleme im Rohr erkennen, die nötigen Werkzeuge können für die Sanierung punktgenau gesteuert werden.

Für sehr kleine Rohrdurchmesser gibt es bereits Roboter, in größeren Rohren können zwar Menschen arbeiten, doch diese Arbeit ist extrem beschwerlich. Der Prototyp der TU Wien wird hier wertvolle Dienste leisten er soll Menschen bei mühsamen und gefährlichen Einsätzen entlasten.

Nach umfangreichen Tests am Rohrprüfstand des Wasserleitungsverbandes Nördliches Burgenland wurde auf einer Versuchsbaustelle bereits eine 150m lange Teststrecke erfolgreich saniert. Der Dichtungswerkstoff wird derzeit einer Trinkwassertauglichkeitsprüfung unterzogen, danach ist er bereit für den Einsatz in österreichischen und slowakischen Wasserleitungen. „Besonders im Burgenland ist man bereits sehr an der raschen Verwendung des neuen Dichtungsmaterials interessiert“, sagt Christoph Schoberleitner. (Florian Aigner)

Externer Link: www.tuwien.ac.at

Bewegungsanalyse soll Arthrose sichtbar machen

Presseinformation des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) vom 19.08.2014

Mit computergestützten Modellen können KIT-Forscher Veränderungen im Bewegungsmuster detailliert erfassen. Ihr Ziel ist, Gelenkverschleiß dadurch früher als bisher zu erkennen.

Bei Arthrose verschleißen Gelenke stärker als altersbedingt üblich. Rund 150.000 Deutsche im Jahr erhalten deswegen ein künstliches Kniegelenk. Dabei ließen sich mit einer frühzeitigen Diagnose und entsprechenden Therapien viele Operationen hinauszögern oder ganz vermeiden. Gelenke nutzen sich allerdings ganz allmählich über mehrere Jahre hinweg ab, bevor sie zu schmerzen beginnen und die Betroffenen einen Arzt aufsuchen. An einem System, das bereits erste Anzeichen für Arthrose am veränderten Bewegungsmuster eines Menschen erkennt, arbeiten derzeit Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in Kooperation mit dem Sana Gelenk- und Rheumazentrum Bad Wildbad.

Funktionieren Gelenke nicht mehr wie gewohnt, gleichen Menschen dies zunächst aus, indem sie ihre Bewegungen unbewusst anpassen. Bei Kniearthrose beispielsweise belasten sie verstärkt das gesunde Bein. Dadurch schonen sie zwar das abgenutzte Kniegelenk, zögern aber auch die Schmerzen hinaus, die auf eine beginnende Arthrose hinweisen würden. Gelenkverschleiß im Frühstadium bleibt daher oft unentdeckt. „Wir wollen nun über eine computergestützte Analyse des Gangs ein Frühwarnsystem entwickeln, das sich routinemäßig in der Vorsorge einsetzen ließe“, sagt Professor Stefan Sell, Leiter des Lehrstuhls für „Sportorthopädie und Belastungsanalyse“ am Institut für Sport und Sportwissenschaft (IfSS) des KIT und zugleich Chefarzt für Gelenkchirurgie am Sana Gelenk- und Rheumazentrum Bad Wildbad. Für erkrankte Patienten könne man auf diese Weise auch schonendere Bewegungsabläufe entwickeln und erproben. Gerade im Anfangsstadium könne sogar Sport noch sinnvoll sein, sofern er richtig ausgeführt werde: Wer beispielsweise trotz Kniearthrose Tennisspielen wolle, sollte darauf achten durchzulaufen, anstatt abrupt abzustoppen. Bis das Frühwarnsystem marktreif ist, werde es allerdings noch etwa zwei Jahre dauern.

Die Forscher am IfSS arbeiten gerade daran, einen Katalog menschlicher Bewegungsmuster zu erstellen. Abweichungen in der Ausführung beschreiben sie mathematisch über die Wahrscheinlichkeit, mit der diese auftreten. Parallel erfassen die Sportwissenschaftler auch Bewegungsdaten von Patienten, die bereits unter Kniearthrose leiden. „Bei ihnen beobachten wir gemeinsame Merkmale in den Bewegungsabläufen, die für körperlich unbeeinträchtigte Menschen höchst unwahrscheinlich sind“, sagt Andreas Fischer, der das Projekt am BioMotion Center des IfSS betreut. Beispielsweise sei der Kniewinkel oft eingeschränkt. Auch verlagerten viele Patienten ihr Gewicht deutlich langsamer auf das betroffene Bein, um den Stoß beim Aufsetzen abzumildern. In fortgeschrittenem Stadium ist dieses Verhalten mit dem Auge sichtbar und wird von Schmerzen begleitet. Mathematisch lassen sich aber bereits die ersten Anzeichen als Abweichen von der normalen Wahrscheinlichkeitsverteilung ausmachen.

Um Bewegungen am Computer mathematisch analysieren zu können, müssen die Wissenschaftler sie zunächst digital abbilden. Dazu bringen sie 39 Markierungen am Körper der Probanden an: Die kleinen grauen Kugeln lassen sich einfach mit Klebeband auf der Haut befestigen. „Wichtig dabei ist, die Drehpunkte der Gelenke möglichst genau zu treffen“, erklärt Fischer. Bewegt sich der Proband nun unter Infrarotlicht, wird dieses von den Kugeln reflektiert und von Kameras aufgezeichnet. Am Computer erscheinen die Gelenkmarkierungen als Bildpunkte, anhand derer sich der restliche Körper nachmodellieren lässt. Hinzu kommen die Werte zweier Kraftmessplatten. Läuft der Proband darüber, zeichnen sie genau auf, wann und wo ein Fuß die Platte berührt und welche Kräfte zwischen Boden und Proband wirken. Lichtschranken vor und hinter den Kraftmessplatten erfassen zudem die Durchschnittsgeschwindigkeit.

„Anhand dieser Werte können unsere Rechenmodelle bereits verschiedene Bewegungsmuster erkennen: Etwa ob jemand geht oder läuft, sich im Flachen bewegt oder eine Steigung nimmt“, so Fischer. Auch könne das System Personen allein an ihrem Gang unterscheiden. Das funktioniert allerdings nur, wenn die Wissenschaftler ihre Rechenmodelle vorher entsprechend „trainiert“ haben: Dafür müssen die Probanden eine Bewegung mehrfach wiederholen, damit das System erkennt, welches die jeweils typischen Merkmale sind. „Unser System lernt auf diese Weise, wie sich Menschen normalerweise bewegen. Es braucht diesen Vergleich, um Abweichungen, die auf eine Erkrankung deuten, überhaupt als solche erkennen zu können“, sagt Fischer. (lcp)

Externer Link: www.kit.edu