Forschende lassen 3D-Computer-Welten in Millisekunden wachsen

Pressemitteilung der Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg vom 11.10.2024

Gute Grafik schafft die Atmosphäre, die Gamer und Gamerinnen emotional und gedanklich in die Welt eines Videospiels zieht. Bei der Technik dahinter hat ein Forschungsteam rund um den Studiengang Visual Computing der Hochschule Coburg in einer Kooperation mit dem Grafikkartenhersteller AMD aufsehenerregende Fortschritte erzielt: Unter anderem ist es zum ersten Mal gelungen, mit der neuen Grafikkartentechnologie Work-Graphs bei einem Prototyp eine detaillierte 3D-Szene innerhalb von Millisekunden zu bestücken. Inspiration dafür lieferte unter anderem der Coburger Weihnachtsmarkt.

Die Forschungsarbeit zum Thema Prozedurale Echtzeit-Generierung mittels GPU Work-Graphs entstand im Projekt GeoFlow, einer Zusammenarbeit zwischen dem Grafikkartenhersteller Advanced Micro Devices (AMD) und dem Visual-Computing-Team der Fakultät Elektrotechnik und Informatik der Hochschule Coburg. In dem Projekt untersuchen die Forschenden die neue Grafikkartentechnologie Work Graphs. Work Graphs erlauben es, Grafikkarten mit einem hohen Grad an Flexibilität zu programmieren, was neuartige Algorithmen erfordert, die in diesem Projekt prototypisch untersucht werden. Es geht um eine Zukunftstechnologie, die viele Bereiche betrifft: Computerspiele genau wie Computer Aided Design, High Performance Computing und Künstliche Intelligenz.

Buden am Coburger Marktplatz als Inspiration

Das Forschungs-Team hat es geschafft, mit Work-Graphs eine 3D-Szene mit einer hohen Zahl an unterschiedlichen 3D-Modellen in wenigen Millisekunden zu bestücken. Als eines von vielen Beispielen führt der Coburger Visual-Computing-Doktorand Bastian Kuth die Erzeugung eines 3D-Modells eines Marktplatzes mit Wegen, Buden, Girlanden und weiteren Requisiten an. „Für Teile unserer Generierung haben wir uns vom Coburger Weihnachtsmarkt inspirieren lassen“, erklärt der Wissenschaftler. Entstanden ist die Arbeit im Team rund um Prof. Dr. Quirin Meyer, Studiengangsleiter im Bachelor Visual Computing und Leiter des Labors für Computergrafik, Doktorand Bastian Kuth, sowie Carsten Faber von der Hochschule Coburg. Seitens AMD beteiligen sich Dr. Matthäus Chajdas, Max Oberberger und Dominik Baumeister an diesem Forschungsthema.

Die neuen Algorithmen können ganze 3D-Computerwelten mit einer nie dagewesen Menge an Efeu, Pilzen und Gras überwuchern lassen. Dabei wird Vegetation auf einem bestehenden 3D Modell verteilt. Mit dem System können 3D-Welten schneller und interaktiver gestaltet werden. Das Gras wurde maßgeblich von dem Coburg Masteranden Carsten Faber mitentwickelt, worüber der Halbleiterhersteller AMD bereits in seinem Forschungs-Blog berichtete. Prof. Dr. Quirin Meyer freut sich: „Das zeigt die hervorragende Arbeit in Forschung und Lehre, die wir hier in Coburg im Bereich Visual Computing leisten!“

Internationale Erfolge

Die Arbeit der Coburger Forschenden erregt international Aufsehen: Auf der Konferenz „High Performance Graphics 2024“ (HPG) in Denver, USA, präsentierte Doktorand Bastian Kuth die Ergebnisse zum Thema Prozedurale Echtzeit-Generierung mittels GPU Work-Graphs. Bei der HPG werden jährlich wissenschaftliche Ergebnisse im Bereich Hochleistungscomputergrafik veröffentlicht. Das internationale Fachpublikum vergab der Coburger Gruppe den Best-Paper Award, eine Auszeichnung der wissenschaftlichen Community für hervorragende Leistungen. Gleichzeitig wurde der zugehörige Aufsatz „Real-Time Procedural Generation with GPU Work Graphs“ im angesehenen Journal „Proceedings of the ACM on Computer Graphics and Interactive Techniques“ veröffentlicht.

Die Auszeichnung ergänzt die Erfolgsgeschichte des Visual-Computing-Teams der Hochschule Coburg: Nach dem Best-Paper Award 2020 auf der HPG und 2022 auf der I3D, gelang 2023 auf der HPG ebenfalls der dritte Platz. Im März 2024 stellten AMD und Microsoft den weltweit ersten Demonstrator, der im Rahmen dieser Zusammenarbeit maßgeblich von der Hochschule Coburg mitentwickelt wurde, auf der Spieleentwicklungskonferenz GDC (Game Developer Conference) in San Francisco vor.

Schneller und weniger Speicherplatz: Kompakte Darstellung von Dreiecksnetzen

Im September brachte Kooperation zwischen der Hochschule Coburg und dem Grafikkartenhersteller AMD noch eine Auszeichnung hervor: Die Wissenschaftler unter der Leitung von Prof. Dr. Quirin Meyer und Dr. Matthäus Chajdas wurden auch auf der wissenschaftlichen Konferenz „Vision Modelling and Visualisation 2025“ in Garching von einer Fachjury und Peer-Reviewer mit dem Best-Paper Award ausgezeichnet. Präsentiert wurde eine neuartige Datenstruktur zur kompakten Darstellung von Dreiecksnetzen, die aus der Kooperation zwischen Hochschule Coburg und AMD hervorgegangen ist. Dazu wurde ein paralleler Algorithmus zur schnellen Dekompression entwickelt. In Kombination benötigen 3D-Modelle substanziell weniger Speicher bei für den Menschen nicht erkennbaren Qualitätsverlust. Gleichzeitig ergaben Messungen der Wissenschaftler, dass die 3D-Modelle bis zu 80 Prozent schneller angezeigt werden können als mit bisherigen Ansätzen. Maßgeblich für die Umsetzung des Projektes waren Visual Computing Doktorand Bastian Kuth, die Masteranden Sander Reitter (jetzt bei AMD), Felix Kawala (nun Doktorand an der TH Ingolstadt) und Sebastian Michel, sowie Max Oberberger (AMD).

externer Link: https://www.hs-coburg.de/

Supraleitung: Rätsel der Fermi-Bögen gelöst

Pressemitteilung der Technischen Universität Wien vom 24.10.2024

In bestimmten Materialien kann sich elektrische Ladung nur in ganz bestimmten Richtungen bewegen. An der TU Wien zeigte man nun: Das lässt sich durch magnetische Effekte erklären.

Hochtemperatur-Supraleitung gehört zu den großen Rätseln der modernen Physik: Manche Materialien leiten elektrischen Strom völlig ohne Widerstand – allerdings nur bei sehr kalten Temperaturen. Würde man ein Material finden, das auch bei Raumtemperatur noch supraleitend bleibt, wäre das eine technische Revolution. Auf der ganzen Welt arbeitet man daher an einem besseren, umfassenderen Verständnis der Effekte in solchen Materialien.

Ein wichtiger Schritt gelang nun an der TU Wien. Gerade bei einer besonders interessanten Klasse von Hochtemperatur-Supraleiten, den sogenannten Cupraten, gibt es nämlich einen sehr überraschenden Effekt: Unter bestimmten Bedingungen können sich die Elektronen in diesen Materialien nur in bestimmte Richtungen bewegen, in andere Richtungen hingegen nicht. Die erlaubten Richtungen lassen sich als Kurven darstellen, man spricht von „Fermi-Bögen“. Mit Hilfe von Laserlicht, das Elektronen gezielt aus dem Material herausschlägt, können diese Bögen sichtbar gemacht werden. Einem Team am Institut für Festkörperphysik der TU Wien gelang es nun, theoretische und numerische Modelle zu entwickeln, die diesen Effekt erklären: Er kommt durch die magnetischen Wechselwirkungen zwischen den Elektronen unterschiedlicher Atome zustande.

Viele offene Fragen bei Hochtemperatur-Supraleitung
Erklärungsansätze für Supraleitung gibt es schon lange: Bereits 1972 wurde der Nobelpreis für die sogenannte „BCS-Theorie“ vergeben, mit der man Supraleitung in Metallen mathematisch beschreiben kann. Doch gerade bei besonders interessanten Materialien, die Supraleitung auch noch bei vergleichsweisen hohen (wenn auch für menschliche Maßstäbe immer noch recht niedrigen) Temperaturen erlauben, versagt diese Theorie. Zu diesen Materialien zählen auch die Cuprate – kupferhaltige Verbindungen, die heute zu den meisterforschten supraleitenden Materialien gehören.

„Bei diesen Materialien stößt man auf eine ganze Reihe unerklärter Phänomene, die oft eng miteinander zusammenhängen“, sagten Alessandro Toschi, der das Forschungsprojekt zusammen mit Karsten Held koordinierte. Eines dieser Phänomene sind eben diese „Fermi-Bögen“.

Man kann den Hochtemperatur-Supraleitern zusätzliche Elektronen hinzufügen und dann messen, wie sich diese Elektronen im Material bewegen – oder aus Perspektive der Quantenphysik formuliert: welche Quantenzustände diese Elektronen annehmen können. Bei solchen Messungen stieß man auf eine Überraschung: „Das Material erlaubt nur bestimmte Impulsrichtungen“, erklärt Matthias Reitner (TU Wien). „Das heißt, nur in bestimmte Richtungen können sich die Elektronen überhaupt bewegen.“ Die quantenphysikalisch erlaubten Zustände liegen auf einer Kurve (einem Fermi-Bogen), die an bestimmten Stellen abrupt endet – ein äußerst untypisches Verhalten, das sich mit üblichen theoretischen Modellen nicht erklären lässt.

Antiferromagnetisches Schachbrettmuster
Dem Team der TU Wien – Paul Worm, Matthias Reitner, Karsten Held und Alessandro Toschi – gelang es nun aber, dieses überraschende Verhalten theoretisch zu erklären. Man entwickelte aufwändige Computersimulationen, aber auch ein analytisches Modell, welches das Phänomen mit einer einfachen Formel beschreibt.

„Der Schlüssel für den Effekt ist eine antiferromagnetische Wechselwirkung“, sagt Matthias Reitner. Antiferromagnetismus bedeutet, dass sich die magnetische Richtung eines Atoms vorzugsweise entgegengesetzt zur Richtung des Nachbaratoms ausrichtet. „In den Cupraten, die wir modelliert haben, handelt es sich um eine antiferromagnetische Wechselwirkung mit langer Reichweite“ sagt Matthias Reitner. Die magnetischen Momente der Elektronen auf verschiedenen Atomen richten sich also über größere Distanzen so aus, dass die magnetische Ausrichtung der Elektronen immer abwechselnd mal in die eine, dann in die andere Richtung zeigt – ähnlich wie beim Schachbrett, auf dem jedes Feld anders gefärbt ist als seine direkten Nachbarfelder.“ Das Forschungsteam konnte zeigen, dass dieses magnetische Muster in weiterer Folge zu dem merkwürdigen richtungsabhängigen Verhalten der Elektronen führt.

„Damit konnten wir zum ersten Mal ein theoretisches Modell für das abrupte Ende der Fermi-Bögen präsentieren und erklären, warum die Bewegung von Elektronen in solchen Materialien nur in bestimmten Richtungen möglich ist“, sagt Paul Worm. „Dieser Fortschritt hilft uns nicht nur, einige der ungeklärten Rätsel der Hochtemperatursupraleiter besser zu verstehen, sondern er könnte auch die künftige Forschung an Materialien mit ähnlichen unkonventionellen Eigenschaften weiter vorantreiben.“

Externer Link: www.tuaustria.at

Optimale Auslastung von Versandkartons

Presseinformation (Forschung Kompakt) der Fraunhofer-Gesellschaft vom 01.03.2024

Online bestellte Produkte kommen häufig in überdimensionalen Kartons vor der Haustür an. Die Ausmaße der Pakete sind oftmals viel größer als der Inhalt. So landet etwa ein Parfum in einem Schuhkarton-großen Umkarton, Polstermaterialien füllen den leeren Raum. Nachhaltig ist das nicht. Abhilfe schafft die Optimierungssoftware CASTN des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML, indem sie kundenindividuell die optimale Karton-Auftrag-Kombination zusammenstellt. Ausgeklügelte Algorithmen berechnen die beste Auslastung der Pakete auf Basis der Artikel- und Auftragsstruktur.

Der Onlinehandel unterliegt einem stetigen Wandel – aktuelle Trends und saisonale Schwankungen beeinflussen die Artikel- und Auftragsstruktur. Mit der steigenden Vielfalt an Produkten und der variierenden Auftragsstruktur wächst mit der Zeit auch das Spektrum an Versandkartonagen. Obwohl die zur Verfügung stehenden Verpackungen immer vielfältiger werden, nimmt der Volumennutzungsgrad häufig ab. Wenig Platz beanspruchende Artikel wie Parfums, Kosmetika oder Schmuck landen in überdimensionierten Kartons. Das liegt vor allem daran, dass Verpackungen nicht auf die veränderten Anforderungen wie Abmessungen und Gewicht der Produkte und Aufträge abgestimmt sind. Dieses Problem adressieren Forschende am Fraunhofer IML mit der Kartonset-Optimierungssoftware CASTN (Carton Set Optimization). Die Entwicklung der Software wurde vom Fraunhofer-Leistungszentrum für Logistik und IT gefördert.

CASTN stellt für Versandunternehmen ein optimal auf deren jeweilige Auftrags- und Artikelstruktur abgestimmtes Kartonset zusammen. »Will ein Händler etwa ein Set mit zehn verschiedenen Kartons an seinen Packstationen einsetzen, so müssen diese auf die Auftrags- und Artikelstruktur angepasst werden, um den bestmöglichen Volumennutzungsgrad zu erzielen. Die Produkte müssen also möglichst viel Volumen des Kartons ausfüllen, sodass nur wenig Füllmaterial wie Polsterfolie verwendet werden muss«, erläutert Lukas Lehmann, Wissenschaftler am Fraunhofer IML. Um dies zu realisieren, spielt das Entwicklerteam des Fraunhofer IML die Kundendaten (Bestell- und Artikelstammdaten sowie Verpackungsspezifikationen) in CASTN ein. Um einen repräsentativen Zeitraum und saisonale Schwankungen abzubilden, bewähren sich in der Regel die Daten eines Jahres. Mithilfe dieser Inputparameter berechnen zwei miteinander verknüpfte Software-Algorithmen im Zusammenspiel das optimale Kartonset. Dabei werden Kundenanforderungen wie minimale oder maximale Packgrößen ebenso berücksichtigt wie die Vorgaben der Logistikdienstleister.

30 Prozent Artikel, 70 Prozent Luft

Zentral für CASTN sind zwei Algorithmen: Der erste verwendet einen evolutionären Ansatz, um verschiedene Kartonsätze auf der Grundlage von Parametern wie der Anzahl der zulässigen Kartons oder der maximalen und minimalen Abmessungen zu erstellen. Der zweite Algorithmus, ein Bin-Packing-Algorithmus, sorgt dafür, dass die Bestellungen effizient in die ausgewählten Kartons gepackt werden. Ziel ist es, das minimale Packvolumen und das kleinste Gesamtvolumen mit der Ware herzustellen. Am Ende dieses Vorgangs bewertet die Software jeden einzelnen Karton eines Sets und prüft, wie gut das Innenvolumen mit dem bestehenden Auftrag ausgenutzt wurde. Diese Informationen fließen wieder in den evolutionären Algorithmus, der anhand des Scorings der Kartons neue, bessere Sets zusammenstellt. Dies erfolgt iterativ so lange, bis keine weitere Verbesserung des Volumennutzungsgrades erreicht wird. »Die Kunden kennen den Volumennutzungsgrad ihrer Kartons häufig nicht, dieser liegt meist nur bei rund 30 Prozent. Sie wissen nicht, wieviel Luft sie verschicken. Das berechnet unsere Software«, sagt der Forscher. Im Anschluss an die Optimierung erfolgen die Analyse und Beratung mit dem Kunden, um die geeigneten Kartonsets auszuwählen.

Mehrere Industriepartner mit jeweils eigenem Onlinehandel konnten bereits von der Kartonset-Optimierung profitieren und ihre Volumenauslastung bei gleichzeitiger Reduzierung der Anzahl der Kartonvarianten um 35 bis 45 Prozent steigern.

Mehr Umweltschutz im E-Commerce

Im nächsten Schritt wollen Lehmann und sein Team den Funktionsumfang der Software um komplexe Geometrien von Artikeln und zusätzliche Artikeleigenschaften erweitern. »Mit CASTN wollen wir mehr Nachhaltigkeit in der Logistik fördern. Durch optimal abgestimmte Kartonsets lassen sich Verpackungs- und Füllmaterial reduzieren. Das führt zu einer besseren Auslastung der Lkws, kann Platzverschwendung vermeiden und CO2-Emissionen senken«, sagt Lehmann. Versendende Unternehmen können durch den Einsatz von CASTN einen Beitrag zum Umweltschutz leisten und zugleich Verpackungs- und Transportkosten einsparen.

Externer Link: www.fraunhofer.de